Geschichte gerecht (be)schreiben

Brigitte und ich nehmen am kommenden Momentum Kongress in Ossiach teil. Wir habe nuns zum “Track #6: Geschichte gerecht (be)schreiben” angemeldet. Folgende Kapitel sollen bei diesem Track abgearbeitet werden:

  • Was macht emanzipatorische Geschichtsschreibung aus? Welche Rolle spielt Geschichte in und für die Gegenwart?
  • Wie lässt sich eine Geschichte der Vielen den Vielen zugänglich machen?
  • Wo – und wie – verändert Geschichte im öffentlichen Raum das allgemeine Bewusstsein?

Dank der Mithilfe einiger Kolleg:innen aus dem Vorstand und der Rechnungsprüfer haben wir nun diesen Text eingereicht.


Der Verein „Rote Spuren – Verein zur Förderung der Arbeiter:innengeschichte“ wurde Ende November 2018 gegründet. Der inhaltliche Schwerpunkt unserer Arbeit liegt in der Geschichte jener Menschen, die nicht in den Geschichtsbüchern vorkommen – den Arbeitnehmer:innen, den Verfolgten, den Obdachlosen, den Vertriebenen und der Opfer. Wir wollen mit unseren Rundgängen, den Erfahrungen und Erlebnissen der Arbeiter:innen, sowie unseren Veranstaltungen Menschen gewinnen, sie motivieren, sich an dieser Geschichtsschreibung zu beteiligen.

Das Engagement der Personen dieses Vereins resultiert großteils aus einer langjährigen gewerkschaftlichen Bildungstätigkeit.

Persönliche Motivationen

Unsere ersten Erfahrungen mit Geschichte wurden dominiert durch die Lernerfahrungen in der Schule, den dabei verwendeten Geschichtsbüchern und den Denkmälern, die uns umgeben. Angebotene Filme produzierten oftmals ein heroisches Bild von Eroberern oder Regent: innen entsprechend dem vermittelten Geschichtsbild in der Schule und der bürgerlichen Gesellschaft.

Oft wird auch in der eigenen Familie über deren Geschichte nicht gesprochen oder danach gefragt. Und wenn, dann erst, wenn betroffene Personen nicht mehr leben. Die Überlebenden kennen teilweise nur Fragmente der eigenen Familiengeschichte. Dennoch ist es wichtig, die (eigene) Geschichte zu kennen, um daraus zu lernen, einiges verstehen zu können und um Klarheit zu haben, weshalb und wie Menschen agieren bzw. agiert haben.

So wie Wilhelmine Goldmann schreibt: “Die Geschichte meiner Familie, die eng mit der Geschichte unseres Landes verwoben ist, umfasst das zwanzigste Jahrhundert von der Endphase der Monarchie bis in die Gegenwart. Unsere Lebensgeschichten können in größeren Zusammenhängen als Geschichte der Proletarisierung und der Entproletarisierung der österreichischen Arbeiterklasse gelesen werden. Oder als Beispiel für den Aufstieg der österreichischen Arbeiter:innen aus proletarischem Elend zu Bildung und Wohlstand.1

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Spuren des jüdischen Leben im Scheunenviertel

Einige von uns nahmen den Fußweg vom Brandenburger Tor bis zum Treffpunkt in Kauf. Eine kleine Stärkung in einem ital. Cafe und dann trafen wir unseren Guide Stefan Szollhauser an der Ecke Weydingerstraße/Kleine Alexanderstraße beim “Karl-Liebknecht-Haus”.

„Kein Ostjude geht freiwillig nach Berlin“ schrieb Joseph Roth 1927 und meinte damit die vor der antisemitischen Gewalt in Osteuropa geflohenen Juden, die sich häufig im verarmten Scheunenviertel niederließen1.

Jüdische Migration in Berlin

Diejenigen, die sich auf den Weg nach Berlin machten, kamen in der Regel ursprünglich nicht um zu bleiben. Etliche jüdische Migrant/innen besaßen Durchreisevisa und sahen die Stadt als Durchgangsstation auf ihrem Weg weiter nach Westen. Viele jedoch strandeten hier, vor allem in der Gegend des ehemaligen Scheunenviertels. Im Jahr 1925 lebten 41.465 osteuropäische Jüdinnen und Juden in Berlin.2
Gekommen waren die osteuropäischen Migrant/innen seit den 1880er Jahren und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie waren auf der Flucht vor antisemitischen Pogromen, Zwangsrekrutierungen, russischer Sondergesetzgebung, Bürgerkrieg, bitterer Armut und Perspektivlosigkeit. Ab 1870 setzte eine jüdische Massenflucht aus dem Zarenreich ein. Die dortigen Pogrome waren religiös, sozial und zunehmend rassistisch motiviert, teilw. mit Unterstützung oder gar auf Geheiß des Staates3. Während des Ersten Weltkriegs wurde die jüdische Bevölkerung im besetzten Russisch-Polen mit der Aussicht auf Arbeit in der deutschen Rüstungsindustrie und der Aussicht auf Familiennachzug umworben; 30.000 Menschen folgten diesem Ruf nach Deutschland.

Rote-Spuren – Gruppe auf Spurensuche mit Stefan Szollhauser
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Akademische Abgründe – Rechtsextremismus im Hörsaal

Dokumentarfilm zur faschistischen Geschichte an Österreichs Hochschulen:
Mehrere Monate lang war ein Team der Österreichische Hochschüler_innenschaft gemeinsam mit Andreas Filipovic, Lukas Ellmer und Samira Fux an verschiedenen Hochschulen in Österreich unterwegs, um die faschistische Geschichte an Österreichs Hochschulen in Form eines Dokumentarfilms aufzuarbeiten.

In einem historischen Aufriss vom Austrofaschismus und dem NS-Regime über die Affären rund um den Professor Taras Borodajkewycz sowie die rechtsextreme Aktion Neue Rechte (ANR) bis hin zur Situation heute kommen in der Dokumentation Zeitzeug_innen und Expert_innen zu Wort.

  • 10.10. um 19:30 Premiere im Stadkino in Wien (Anmeldung weiter unten erforderlich)
    anschließende Podiumsdiskussion mit Andreas Filipovic (Filmteam), Bianca Kämpf (DÖW), Ferdinand Lacina, Gabriel Lansky, Nina Mathies (ÖH), Birgit Peter (Uni Wien)
    ACHTUNG: Bei der Premiere ist es uns nicht möglich, den Film mit Untertiteln zu zeigen. Bei allen weiteren Terminen werden englische Untertitel zu Verfügung stehen!
  • 14.10. um 18:30 im Moviemento Kino in Linz 
    anschließendes Expert_innenpanel, TBA
  • 16.10. um 19:00 im Agnes-Heller-Haus, Audimax (Uni Innsbruck)
    anschließendes Expert_innenpanel, TBA
  • 21.10. um 19:00 in der Kunsthalle Leoben
    anschließendes Expert_innenpanel, TBA
  • 23.10. um 19:30 im Campus Hörsaal A (Uni Wien)
    anschließendes Expert_innenpanel, TBA

ANMELDUNG

Gewerkschaft der Eisenbahner im Bezirk Braunau vor und in der 1. Republik und bis 1945

Dieser Artikel ist eine Sammlung verschiedener Recherchen. Er ist weiterhin in Arbeit und es werden neue Inhalte eingefügt. Folgende Kapitel umfasst die derzeitige Sammlung:

  • Eisenbahnerversammlungen in Braunau von 1896 bis 1931
  • Sozialdemokratische Eisenbahner bei den WAHLEN
  • 25jähriges Mitgliedsjubiläum im April 1927
  • Der Tod vom Genossen Steininger im März 1925
  • Mattighofen- Mai 1923 – Todesfall beim Verschub
  • Behandlungsstelle für lungenkranke Eisenbahner aus Braunau in Grieskirchen
  • Mattighofen – März 1927 – 80 illegale Militätgewehre durch Eisenbahner entdeckt
  • Eisenbahner im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Zur Geschichte der Eisenbahner im Bezirk Braunau

Die kleine Sache Widerstand

Eine Buchempfehlung von Ingrid über eine geglückte Flucht der Widerstandskämpferin Melanie Berger aus dem Nazi-Gefängnis in Marseille.

Bestellungen als Buch oder E-Book im Czernin-Verlag.

Am Vormittag des 26. Januar 1942 überquert eine junge Frau die alte Spitzbogenbrücke über den Tarn in Montauban. Im Abstand von einigen
Minuten folgen ihr zwei Männer. Gemeinsam sehen soll man sie nicht – hören besser auch nicht: Ihr Französisch ist holprig, untereinander sprechen sie Deutsch. Sie steuern auf ein heruntergekommenes Haus am anderen Flussufer zu. Nichts deutet darauf hin, dass hier die Keimzelle einer Untergrundorganisation unterwegs ist, wie es später in einem Polizeibericht heißen wird. Die Frau zieht ihren Schal über Mund und Nase, es ist schneidend kalt.

Leseprobe

Demokratie in Gefahr?

Beim Nachlesen der Zeitschriften nach unserer Sommerreise “stolperte” ich über einen Artikel in der Zeitschrift des Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer1 mit dem Titel “Demokratie in Gefahr – Ansatzpunkt zur Diskussion. Cornelia Krajasits zitiert aus der Jugendstudie von Ö3 und dem SORA-Institut, in der 40.000 Personen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren sich beteiligt haben.2

Die gute Nachricht von ihr zwei Drittel der jungen Menschen sind an Politik und politischen Prozessen interessiert und nun die bedenkliche Schlussfolgerung – die Distanz zwischen der GenZ3 und der Politik ist enorm groß.

  • 15 % der Befragten fühlen sich von der Politik vertreten
  • 29 % der jungen Menschen denken, dass die Älteren für die Meinungen und Lösungsansätze aufgeschlossen sind.
Abbildung – SORA-Bericht – Junge Menschen & Demokratie in Österreich 20234
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Hermagor/Šmohor – Orte des (Nicht-) Erinnerns? – 3. Teil – Nationalsozialismus

Wie bereits im Teil 1 beschrieben finden wir viele Heldendenkmäler in Hermagor mit denen sich hier die Geschichte „zurecht gebogen“ wird. Ein ypisches Denkmal dafür ist das Denkmal für Gailtaler Schützen.

Aus dem Gailtal waren 1918/19 rund 200 Soldaten an der Zurückdrängung von SHS-Einheiten1 aus Arnoldstein beteiligt. Aufgrund des Verdienstes der „Gailtaler Schützen“ im  „Kärntner Abwehrkampf“ wurde Hermagor 1930 feierlich zur Stadt erhoben. 

Die Stadterhebungsfeier kam dabei einem Durchbruch des Deutschnationalismus im Gailtal gleich. Der Weg zur Deportation der Gailtaler SlowenInnen wurde bereits zu diesem Zeitpunkt gelegt. Das Denkmal für die „Gailtaler Schützen“ wurde 1929 errichtet und die seit den frühen 1920er Jahren politisch aktiven Gailtaler Nazis wussten den Abwehrkampf recht geschickt in ihre regionale Propaganda einzubauen. 

Die Gailtaler AnhängerInnen der Kärntner Nationalsozialisten traten 1923/1924 erstmals in Erscheinung und äußerten sich demgemäß sofort zum Abwehrkampf als „stolzen und gerechten Sieg gegenüber jugoslawischer Hinterlist und Eroberungssucht“2.

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Hermagor/Šmohor – Orte des (Nicht-) Erinnerns? – 2. Teil – Heim ins Reich – Deportation der slowenischsprachigen Bevölkerung

Nun zum zweiten Teil unseres Rundganges in Hermargor. vom Friedhof gehen wir Richtung Zentrum der Stadt.

Das nationalsozialistische Regime sah in der slowenischsprachigen Bevölkerung “Staatsfeinde” und “Unmenschen”. Mittelfristig sollte alles Slowenischsprachige aus Kärnten verschwinden. Das Ziel der Nazis gab Hitler 1941 persönlich vor: “Macht mir das Land deutsch!” 

Im April 1942 wurden mehrere kärntner-slowenische Familien aus der Gemeinde Hermagor zwangsausgesiedelt oder deportiert. Die lokale Hauptverantwortung dafür trug der nationalsozialistische Kreisleiter von Hermagor Julian Kollnitz, der im Zuge der Entnazifizierung 1949 zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde.1

In einem Bericht von ORF-Kärnten2 wird das Buch3 von Bernhard Gitschtaler „Ausgelöschte Namen“ vorgestellt.

200 Biographien von NS-Opfern, unter ihnen Kärntner Slowenen, Juden, Homosexuelle, Geistliche, politisch Verfolgte, Widerstandskämpfer und Euthanasie-Opfer, konnte das Team um den jungen Politikwissenschaftler Bernhard Gitschtaler in dreijähriger Forschungsarbeit rekonstruieren.

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