Der Gedenkraum – eine Übersicht von Robert Streibel
Erkundung am ehemaligen Lagergelände mit Karin Böhm
Ein Brief an den Kremser Bürgermeister für Ausschilderung zum Gedenkraum
Der Gedenkraum
Am 26. Oktober 1939 wurde in Gneixendorf das größte Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager (STALAG) der damaligen „Ostmark“ gegründet. Mit einer Ausdehnung von etwa einem Quadratkilometer zählte es während des Zweiten Weltkriegs zu den größten Lagern des gesamten Reichsgebietes1.
Wir besuchten gemeinsam mit Robert Streibel den Gedenkraum in Gneixendorf. Die Ausstellung kann von Mo-So (09:00 – 16:00 Uhr), von Juni bis September (bis 18:00 Uhr) besucht werden.
Bild aus der Ausstellung im Gedenkraum am Flugfeld Gneixendorf
Die bis zu 66.000 Kriegsgefangene wurden großteils bei den zahlreichen Arbeitskommandos außerhalb des Stalag untergebracht. Bei den sowjetischen Gefangenen war die Sterblichkeitsrate außerordentlich hoch, denn die Behandlung erfolgte nach rassistisch-ideologischen Motiven der Nazis2.
Merke, es gibt Untaten, über welche kein Gras wächst.1
Nach einer kurzen Aufwärmpause und einer Stärkung mit Tee oder Kaffee machten wir uns auf den Weg mit Robert durch Krems zu einem Stadtrundgang. Bei diesem Rundgang versuchen wir den „Mantel des Schweigens“ zu lüften und über Ereignisse und Orte zusprechen, an denen sonst weiter gegangen wird.
Robert recherchierte für seine Dissertation, als einer der in Krems aufgewachsen ist, Unterlagen und Dokumente für die Zeit zwischen 1938 und 1945 zu bekommen. Wo immer eine Antwort auf die Frage “Was ist geschehen?” zu bekommen war – und das war nicht die Regel – lautete sie in etwa: “Die Juden waren plötzlich weg. Drei haben sie geköpft, drei aufgehängt und 300 erschossen.” In den 1920er Jahren war Krems neben Gmünd ein Zentrum für österreichische NSDAP-Mitglieder. Die meisten Jüd:innen aus Krems zogen nach Wien, wo es bessere wirtschaftliche Möglichkeiten gab. 1934 gab es 220 Menschen jüdischen Glaubens in Krems, im März 1938 waren es 116 und im November 65 Jüd:innen2.
Der Antisemitismus fiel in Krems, wie in der gesamten Monarchie, auf fruchtbaren Boden. Die Wiener Allgemeine Zeitung vom 13. April 1926 veröffentlichte den nebenstehenden Artikel3.
„Er war zwar nicht unsinnig fromm, aber man kann schon sagen traditionell eingestellt, und er ging immer zu den Gottesdiensten.“1
Unsere Studiengruppe marschiert nach dem Frühstück zum Jüdischen Friedhof in der Wienerstrasse. Robert Streibel holt sich vom gegenüberliegenden Autohändler den Schlüssel und führt uns in den Friedhof hinein.
Der jüdische Friedhof von Krems wurde 1880/81 eingeweiht2. Nachdem ein älterer Friedhof auf dem Turnerberg bei Krems in der Zwischenkriegszeit mehrmals geschändet worden war, wurde er 1936 geschlossen; die Gebeine der Toten wurden auf den Hauptfriedhof in der Wiener Straße überführt. Der Friedhof beherbergt rund 180 Grabstellen, die letzte Beerdigung fand 1971 statt.3 Heute ist der Friedhof vor allem ein Ort des Erinnerns an eine zerstörte Gemeinde. 1988 wurde er renoviert.
Wie die 1938 neugegründete Winzergenossenschaft Krems sich durch Arisierung die Kremser Sandgrube einverleibt1.
Nach dem Rundgang mit Karl Reder treffen wir uns mit Robert Streibl zum gemeinsamen Abendessen. Robert teilt mit der Stadt ein bewegtes Historikerleben. Krems, die erste Stadt Österreichs, die einen NSDAP-Bürgermeister hatte, wo Militärtradition vermengt mit traditioneller (rechter) Bürgerlichkeit und Wein, wehrt sich gegen die Aufarbeitung der jüdischen Verfolgung und nationalsozialistischer Verbrechen. In diese ideologische Stadtmauer dringt Robert mit der Veröffentlichung von Broschüren und Büchern, und zerrt die geschichtlichen Ereignisse in das helle Licht vor die Mauer.
Werner Drizhal mit Robert Streibel, dem Mitautor des dokumentarischen Roman “Wein des Vergessens”
Bernhard Herrman und Robert Streibel auf der Spur der Arisierung der Riede Sandgrube. Die Denunziationen erleichtern die Arisierung jenes Besitzes, der zur Grundlage der berühmten Winzergenossenschaft Krems wird – ein Begriff für Wein & Kultur weit über die nationalen Grenzen hinaus. Diese Arisierung ist bis heute noch nie Thema der Forschung gewesen. Die Autoren konnten einen Schatz an Dokumenten sicherstellen, mit dem sie eine unglaubliche Geschichte von Verrat und Treue, Liebe und Geschäft, Vernichtung und Verdrängung erzählen2.
Bei unserer Studienreise in Krems hatten wir Gelegenheit den Buchautor Karl Reder kennen zu lernen. Der studierte Handelswissenschaftler, der sich in seiner Studienzeit zusätzlich mit Ur- und Frühgeschichte und Skandinavistik beschäftigt hatte, gewährte uns bei einem Rundgang Einblick in das Verbrechen dem “Massaker im Zuchthaus Stein”.
An der Schwelle zur Freiheit sind 386 Opfer des Hitler-Faschismus am 6. April 1945 im Kerker zu Stein niedergemetzelt worden
Von 21. bis 22. November besuchten 17 Mitglieder derRoten Spuren Krems. Am Nachmittag erwartete uns Edith Blaschitz in der UNI-Krems zu einer Führung durch die Ausstellung “Geschichte der Tabakfabrik Stein – zwischen Wohlfahrt und Widerstand”. Als Abschluss zeigte sie uns, die im Rahmen des Projekts “Kunst im öffentlichen Raum” entstandenen Mosaik- Teppiche. Karl Reder schaffte es trotz der einsetzenden Dunkelheit und zunehmender Kälte, Licht in die Geschichte um das Massaker in der Strafanstalt Stein im April 1945 zu bringen. Am Abend rund um das Abendessen gab es bei den Schilderungen von Robert Streibel die Gewissheit, dass Mut zur Aktion und Widerstand selbst schwerfällige Organisationen und Apparate in Bewegung setzt. Bei seiner Leseprobe zum “Wein des Vergessens” nahm er uns mit auf eine Fronleichnamsprozession im Jahr 1937.
Am nächsten Vormittag nahms uns Robert mit zur Besichtigung des “Jüdischen Friedhofs in Krems”. Wir lernten von ihm den Segensspruch “Deine Seele möge eingebunden sein in das Bündel des ewigen Lebens” kennen. Nach einer Stärkung und kurzen Aufwärmrunde führte uns Robert durch Krems. Zum Standort der ehemaligen Synagoge und wir tauchten ein das Leben einer Stadt wo militärische Tradition, ehemaliges jüdisches Leben, Wein und Verdrängung vor der eigenen Geschichte noch immer eine Rolle spielen.
Robert begleitet unds nach Gneixendorf zur kleinen Aussstellung über das STALAG XVII B am Flughafen. Dank seiner genauen Schilderung fanden wir hin, denn die Stadtgemeinde schafft es bis heute nicht ein Hinweisschild anzubringen. Nach dem Essen führte uns Karin Böhm durch das ehemalige Gelände des Lagers. Ihren Fotografien und historischen Recherche von Edith Blaschitz ist zu verdanken, dass es eine fotografische Vermessung dieses Ortes gibt. Auf verschlungenen Wegen führte sie uns zu den Überresten der Unterdrückung und Folter. Gerhard Pazderka ließ uns teilhaben an der Enstehungsgeschichte der Gedenkstätte an die 61 Ermordeten des SS-Massaker in Hadersdorf. Kreative Ideen und Beharrlichkeit schafften dann doch noch einen würdigen Rahmen für die Opfer des grausamen Wahnsinns.
DANKE an alle, die mitgeholfen haben. Besonders bedanken wir uns bei Maxa, ihr Netzwerk hat wichtige Kontakte hergestellt und bei Brigitte, ihre Organisationskenntnisse in Verbindung mit unseren inhaltlichen Zielen, waren eine große Hilfe.
Die österreichischen Faschisten verhängten Verwahrungshaft gegen drei Tabakarbeiter aus Stein
Ludwig Reiter, Alois Knorr und Georg Riedmüller wurden von den Dollfuß-Schergen von 22. Juli bis 20. August 1934 in Haft genommen, weil sie als ehemalige Funktionäre der sozialdemokratischen Partei sich womöglich an einer marxistischen Kundgebung am 1. August beteiligt hätten. Gleichzeitig wurde die Leitung der Tabakregie aufgefordert, die drei Arbeiter zu kündigen und damit ihre Familien in die Armut treiben1.
Widerstand gegen die Faschisten in Krems im Deutschen Reich
Eine Strickerin, die für andere Hilfe besorgt und etwas unternimmt – Leopoldine Puhl
1926 begann Leopoldine in der Tabakfabrik Stein zu arbeiten, sie war in der sozialdemokratischen Gewerkschaft organisiert. Ende l941 wurde Leopoldine Puhl beschuldigt, von Franz Wieland zur Spende für die „Rote Hilfe“ angeworben worden zu sein. Sie wiederum habe ihre Kollegin Marie Malat zur Spendentätigkeit angeworben und kommunistische Zeitschriften weitergegeben.2
Im Artikel “Das interessante Blatt vom 15.7.18861” schreiben sie in der Einleitung von einem unbedeutenden Vorfall und doch ziert die Titelseite ein großes Bild der protestierenden Frauen und der Leitartikel auf Seite 2 beschäftigt sich mit dem Vorfall. Wenn eine Frau, die seit 20 Jahren fleißig für die Tabakfabrik arbeitet, ihre Bestrafung eines wöchentlichen Lohnabzugs nicht anerkennt, wird sie entlassen. An die hundert Arbeiterinnen erklärten sich mit ihr solidarisch und sie erregten einen Exzess durch Schreien, Fluchen, Poltern und Aufschlagen mit den Werkzeugen auf den Tischen, den die Hauswache beilegen musste.
Die Arbeiterinnen der Steiner Tabakfabrik excediren2 wegen Entlassung einer widersetzlichen Collegin.
Hier im Betrieb wurde die Virginiazigarre3 hergestellt. Ein Freund meines Opas rauchte dieses krumme Ding. Die Zigarrenraucher mögen mir verzeihen – mir ist der grausliche Gestank in Erinnerung gebeliben.
An der Studienreise sind nur Mitglieder des Vereins teilnahmeberechtigt
Programm
Freitag, den 21. November 2025
12:30 Abfahrt
14:00 Ankunft im Hotel in Krems
15:00 Ausstellung “Geschichte der Tabakfabrik Stein – zwischen Wohlfahrt und Widerstand” und Ich bin hier: Kunst im öffentlichen Raum: die symbolischen Teppiche auf Kremser Straßen und Plätzen.
16:30 Die NS-Verbrechen im April 1945: Rundgang um die Steiner Strafanstalt und der Friedhof in Stein
18:30 Abendessen
19:30 Lesung: Der Wein des Vergessens (Arisierung der Kremser Winzer)
Samstag, den 22. November 2025
08:00 Frühstück im Hotel
09:00 Spaziergang durch Krems – Krems macht Geschichte
11:00 Der jüdische Friedhof in Krems
12:00 Mittagessen in Gneixendorf
13:30 STALAG XVII B Krems-Gneixendorf (Rundgang am Flugfeld)
KremsMachtGeschichte lädt dazu ein, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Krems auseinanderzusetzen. Insgesamt gibt es 24 historische Stationen. Einige davon haben wir nach dem Mittagessen besucht.
Wir haben uns dise Begleitbroschüre in der Touristeninformation geholt. Bei jeder dieser Stationen gibt es einen QR-Code für weitere Information. Zusätzlich gibt es Informationen in der Broschüre. Ein Danke an Maxa, die eine Vorrecherche für uns gemacht hat.