Arbeiten, Wohnen und Freizeitgestaltung der Arbeiterfamilien in Wien im späten 19. Jahrhundert

Ein Artikel von Rainer Plot zu unserem Rundgang Arbeiten und Wohnen am Wienerberg.

Die Gesellschaft

Die Bevölkerung Wiens im späten 19. Jahrhundert kann grob unterteilt werden in die kleine betuchte Schicht des Adels, des Hofstaates, der höheren Beamten und des Großbürgertums, und andererseits in die weitaus größere Schicht der unter schwierigsten Rahmenbedingungen lebenden Dienstboten, Handwerker, kleinen Gewerbetreibenden und ArbeiterInnen.

Bevölkerungsentwicklung von Wien

Während die betuchte Schicht das gesellschaftliche Leben Wiens prägte und die vielzähligen Kulturveranstaltungen, Cafés, Restaurants und Vergnügungsstätten wie etwa den Wiener Prater bevölkerte, lebten die ArbeiterInnen der kleinen Gewerbebetriebe unter miserablen sozialen und hygienischen Bedingungen und konnten am gesellschaftlichen Leben nicht teilhaben. Eigener Wohnraum war nicht leistbar, die meisten mussten in der Wohnung bzw. im Haus der Meister leben. Nicht selten teilten sich mehrere Personen ein kleines Zimmer, waren jedoch nicht in den Haushalt des Meisters integriert.

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Arbeiten und Leben am Wienerberg – die erste Tour

Es war nur wenig Regen vorausgesagt. Von den angemeldeten 22 Teilnehmer:innen trotzten ein Drittel dem Wetter und machten sich mit uns auf den Weg. Es gab ein Überraschung – ein Zeitzeuge, der ehemalige Vorsitzende des Angestelltenbetriebsrat, schilderte uns die Streik-Erlebnisse der Arbeitnehmer:innen Ende der 80er-Jahre.

Mehr zum Rundgang unter diesem Link

Machtvolle Solidarität und Stärke – STREIKERFAHRUNGEN eines Betriebsrats

Die sogenannte Nervenschlacht beginnt. Bleiben wir uns aber der Tatsache bewusst, dass unsere größte Stärke im gemeinsamen Zusammenhalt besteht und vor allem jetzt, wo vorderhand keine neuen Aktionen gesetzt werden, unsere geschlossene Front nicht durchlöchert werden darf. 1

Betriebsauschuss der Wertheimwerke am 9.12.1976


Brigitte Drizhal interviewt den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden des Angestelltenbetriebsrats der Wertheim-Werke AG und fasst seine Erfahrungen in diesem Artikel zusammen.

In den 70er Jahren waren über 1000 Arbeiter und etwa 430 Angestellte beschäftigt.  Der Betriebsrat für die Angestellten und Arbeiter hatte über die Jahre Sozialleistungen ausverhandelt, die bis Mitte der 80er Jahre ausgebaut und zum größten Teil bis heute erhalten werden konnten.

Ende 1975 erklärte die Unternehmensleitung dem Betriebsrat, dass die Firma in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sei. Die Belegschaft verzichtete daraufhin erstmals auf eine Forderung nach innerbetrieblichen Lohnerhöhungen und akzeptierte, dass der Personalstand um ca 150 Mitarbeiter durch freiwillige Austritte gesenkt wurde.

Das Interview führte Brigitte Drizhal, stellvertretende Vorsitzende des Verein Rote Spuren.

Bilanz 1975

Als die Betriebsräte Mitte 1976 die Bilanz für 1975 bekamen, wurde bekannt, dass an die Aktionäre 10 % Dividende ausbezahlt worden war. Zu diesem Zeitpunkt waren auch die Auftragsbücher wieder voll und zahlreiche Überstunden geleistet.

Weiter im Streikgeschehen

Der Wienerberg

Walter Gagawczuk beschreibt für den Rundgang “Arbeit und Leben am Wienerberg” die Entwicklung des Wienerbergs von der Ziegelproduktion – zur Müllhalde und zum heutigen Grüngürtel.

Eugen Fassbender, ein österreichischer Architekt und Stadtplaner hatte vor ca 125 Jahren die Idee zur Schaffung eines Volksrings, der um die Stadt herum ein Luftreservoir bilden sollte. Ca 2 Km vom Stadtzentrum entfernt sollte ein grüner Gürtel von ca 600 m breite geschaffen werden. 1905 wurde diese Idee dann auch politisch beschlossen. Es wurde daraus der Wald- und Wiesengürtel. Westlich von Wien gab es schon den Wienerwald und südöstlich die Lobau. Es fehlte aber jedenfalls noch eine „Verbindung“ im Süden.

Vom Müllberg zum Grüngürtel

Vom Maschinenbauer zum Betriebsrat

Wir starten unseren Rundgang “Arbeiten und Leben am Wienerberg” auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Firma Wertheim. Bruno L. war viele Jahre Angestelltenbetriebsrat der Firma Wertheim. Brigitte interviewte ihn zu seinem Wirken als Techniker und Betriebsrat in der Wiener Traditionsfirma Wertheim.

Bruno L. im Gespräch mit Brigitte Drizhal

Anfang der 60er-Jahre machte er sich nach Abschluss einer Maschinenbauschule mit einem Freund per Moped auf Arbeitssuche nach Wien. Beschäftigte wurden damals genauso dringend gesucht wie heute. Bei den Wertheimwerken konnten beide sofort beginnen. Umgeben von weissbemäntelten Ingenieuren war seine erste Aufgabe eine zerschlissene Zeichnung neu zu zeichnen.

Sein Weg zum Betriebsrat

Anläßlich einer Betriebsratswahl erkundigte er sich beim damaligen BR-Vorsitzenden was dies sei und worum es dabei geht. Erwin Fischer, der linke Betriebsratsvorsitzende und Mitglied der KPÖ, besuchte ihn zu Hause im Krankenstand, und überzeugte ihn von der Wichtigkeit einer betrieblichen Interessenvertretung. Bald war Bruno Ersatzbetriebsrat und er konnte dank der Unterstützung des Vorsitzenden Schulungen besuchen und war bei Treffen und Gewerkschaftssitzungen dabei.
Seine erste Funktion war Mitglied der Fachgruppenleitung Wien im Metallbereich. Seine letzte war die Aufgabe des Vorsitzenden im Ausschuss für Automation und Arbeitsgestaltung in der GPA. Hört mehr von seinem Wirken im Film.
Herzlichen Dank an Bruno für das Gespräch.

Marie Zwergfeld

„Die Erinnerungs-Steine sollen uns zum Nachdenken darüber anregen, dass Respekt, Toleranz und Solidarität zwischen den religiösen, ethnischen und kulturellen Gruppen die Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben sind. Und darüber, dass ein solches friedliches Zusammen­leben alternativlos ist.“

Marcus Franz, Bezirksvorsteher in Favoriten 2

An der Fassade des Haues 10., Ahornhof 10 wurde im April 2019 eine Wandtafel des Vereins “Steine der Erinnerung” angebracht. Die Tafel erinnert an eine ehemalige Bewohnerin des George-Washington-Hofs, Marie Zwergfeld. Sie wurde Opfer der antisemitischen Verfolgung des nationalsozialistischen Regimes. Das Erinnerungszeichen thematisiert

Deportation und Ermordung während des Nationalsozialismus. Stifter des Steins war der Verein Steine der Erinnerung an jüdische Opfer des Holocausts.1

Marie Zwergfeld, geb. Roubíček, wurde am 19. September 1896 in Dvorce, Tschechoslowakei als Tochter von Moritz Roubíček und Františka geb. Gregr geboren. Sie hatte drei ältere Geschwister, Charlota (1889-?), Leo (1892-?) und Oskar (1894-1945).
Sie verließ ihre Heimat Kamenitz an der Linde und kommt mit ihrem Bruder Oskar im Mai 1918 für ein Jahr nach Wien. Nach einem Jahr kehrte sie zurück nach Tschechien.

Weiter in der Familiengeschichte von Marie Zwergfeld

Spinnerin am Kreuz

Brigitte Drizhal beschreibt diese Station unseres Rundgang “Arbeiten und Leben am Wienerberg“.

Die Gegend des heutigen Bezirks Favoriten war bereits zur Römerzeit besiedelt. Viele Funde im heutigen Unterlaa weisen darauf hin. Alte Ziegel, Urnen, Tongefäße, und entlang der Triester Straße auch Meilensteine. Schon damals wurden am Wienerberg Tonwaren hergestellt. Die Triester Straße war eine der wichtigsten römischen Straßen und wurde von Händlern, Reisenden und römischen Truppen benutzt. Später wurde diese Straße über den Wienerberg zur Fernhandelsstraße nach Kärnten, Triest und Venedig. Sie könnte über viele historische Ereignisse erzählen; die Kreuzfahrer nahmen diesen Weg so wie die Ungarn, die Türken und das kaiserliche Heer, aber auch Räuber, die sich raubritterisch bedienten.

Eine Zeugin dieser Zeit liegt am höchsten Punkt des Wienerberger, die Spinnerin am Kreuz. Diese gotische Danksäule, die 1451/52 von Dombaumeister Hans Puchsbaum errichtet wurde, ist das bedeutendste Kunstdenkmal Favoritens. Dort befand sich auch eine der ältesten Richtstätten Wiens, das Hochgericht mit Galgen.1

Weiter bei Brigitte im Artikel

Die Bauernkriege am Wienerberg

Viele unserer Leser:innen werden sich jetzt fragen – wo am Wienerberg fanden im 16. Jhdt. Bauernkriege statt? Wahrscheinlich nirgends, aber in einer Siedlung sind Gassen und Plätze nach revolutionären Bauern und Anführern der Bauernkriege benannt. Walter Gagawczuk hat für uns einige Informationen für den Rundgang Arbeiten und Leben am Wienerberg zu den Bauernkriegen zusammengestellt.

Ab 1524 kam es in Teilen Deutschlands (vor allem Thüringen, Sachsen, Franken) und Österreichs (Tirol, Salzburg) zu Aufständen der Bauern sowie anderer unterprivilegierter Bevölkerungsteile wie Knappen und Handwerker. Die Aufstände werden von manchen Historikern auch als die Revolution des gemeinen Mannes bezeichnet und es ist die größte revolutionäre Bewegung in Europa vor der Französischen Revolution.

Im Verlauf der Aufstände stellten die Bauern mehrere Dokumente mit Forderungen zusammen. Diese verlangten insbesondere die Abschaffung der Leibeigenschaft. Am bekanntesten sind die Zwölf Artikeln von Memmingen (Schwaben). Diese fanden dank der von Johannes von Gutenberg verbesserten Druckverfahrens weite Verbreitung und gelten als frühe Formulierung von Menschenrechten.

Links das Titelblatt der zwölf Artikel der Bauernschaft.1

Weiter bei den Bauernkriegen von Walter Gagawzcuk

12. Februar 1934 im Georg Washington-Hof

Anläßlich unseres Rundgangs “Arbeiten und Leben am Wienerberg” kommen am Georg Washingten-Hof bei der unten abgebildeten Gedenktafel vorbei. Dazu einige “Hintergründe des damaligen letzten Aufbäumen” der Arbeiter:innenbewegung gegen das Dollfuß-Regime.

Gemeinsam mit Julius Deutsch hatte Otto Bauer von Mittag des 12. bis zum Morgen des 13. Februar versucht, den Kampf zentral zu steuern. Mehrmals hatten die beiden den Standort wechseln müssen.1

Über die dramatischen Stunden im Ahornhof berichtet Rosa Jochmann2:

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Der Wasserturm

Ein Artikel von Walter Gagawczuk für den Rundgang Arbeit und Leben am Wienerberg.

Der Wasserturm wurde 1898/99 im Stil des industriellen Historismus errichtet.


Der Historismus war ein besonders in Mitteleuropa verbreiteter Kunststil im 19. und frühen 20. Jahrhundert, bei dem man auf Stilrichtungen vergangener Jahrhunderte zurückgriff, wie etwa Neoromanik, Neogotik, Neorenaissance, der Neobyzantinismus und der Neobarock. Um 1900 übte der aufkommende Jugendstil Einfluss auf den Historismus aus.

Die Wasserversorgung durch den Wasserturm

Der Wasserturm versorgte mit dem anschließenden Pumpenhaus die hoch gelegenen Gebiete des 10. und 12. Bezirks mit Trinkwasser. Für die anderen Gebiete reichte der natürliche Druck der I. Hochquellwasserleitung, die 1873 in Betrieb genommen wurde, aus.


Mit der Inbetriebnahme der II. Wiener Hochquellenleitung 1910 war der Wasserturm im Normalbetrieb nicht mehr notwendig. Danach bis 1956 war der Wasserturm nur mehr dann im Betrieb, wenn die II. Hochquellenleitung für Instandhaltungsarbeiten trockengelegt werden musste.

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