Hermagor/Šmohor – Orte des (Nicht-) Erinnerns? – Teil 1 – Der Friedhof

Brigitte und ich gehen dem Hobby des Geocaching nach. In Hermagor (Šmohor) sind wir auf einen Adventure Lab (Rundgang) gestossen, der sich mit Orten der Geschichte befasst, die im öffentlichen Bewusstsein des Ortes ausgeklammert werden und wo keine Denkmäler errichtet werden.

Eine weitere Quelle zu diesem Artikel ist die Begleitbroschüre des Vereins Erinnern Gailtal von Daniel Jamritsch und Bernhard Gitschtaler mit dem Titel „Orte des Erinnerns? Hermagor/Šmohor1“. In der Einleitung zu dieser Broschüre steht:

Die herrschende Erinnerungskultur im Raum Hermagor/Šmohor und dem Gailtal ist geprägt von einer Schräglage, die die Opfer des Nationalsozialismus aus dem kollektiven Gedächtnis ausklammert, während den gefallenen Wehrmachts- und SS-Soldaten seit jeher viel Platz im kollektiven Gedächtnis eingeräumt wird. In beinahe jedem Ort des Gailtales findet der/die BesucherIn ein Kriegerdenkmal, das nicht nur den Soldaten des Ersten Weltkrieges gedenkt, sondern auch jenen des sogenannten „Kärntner Abwehrkampfes“ sowie des Zweiten Weltkrieges – eine kritisch-historische Aufarbeitung von Nationalsozialismus und Deutschnationalismus existiert in der Gailtaler Denkmallandschaft nicht. Damit einher geht nicht nur das Ausradieren der zahlreichen NS-Opfer aus der regionalen Gedenkkultur, sondern auch die bewusste Bagatellisierung oder Verleugnung der nationalsozialistischen und deutschnationalen Verbrechen in der jüngsten Vergangenheit Kärntens.

Unser erster Weg führt uns zum Friedhof des Ortes, wo den Toten des Ortes im kollektiven Gedächtnis ein Andenken bewahrt wird. Der Friedhof ist auch Spiegelbild der örtlichen Macht- und Vermögensverhälnisse. Er zeigt auch deutlich auf – was ist uns wichtig und vor allem welche Ereignisse.

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte bringt die unbequeme Tatsache zutage, dass sich NS-Gräuel nicht nur in fernab gelegenen Gebieten zugetragen haben, sondern auch im kleinen Hermagor.2

Soldatengedenkstätten erwecken in mir Gefühle der Traurigkeit, des Ärger und Zorn. Sie verherrlichen Ereignisse, die geprägt sind durch Tod vieler Menschen und unschuldiger Opfer. Sie herorisieren Ereignisse grösster Brutalität und Grausamkeit und verbinden die Selbstaufopferung und Verbrechen der Soldaten mit Tugenden wie Tapferkeit, Treue und Ehre. Die Einseitigkeit dieser Denkmäler prägt ein Geschichtsbild, das oftmals und auch hier in Hermagor die wahren Dimensionen der Ursachen verschleiert. Schon die Gestaltung der Gedenkstätte ist ein Durcheinander geschichtlicher Ereignisse mit einseitigen Sichtweise und einer Überhöhung des TODES vonSoldaten- und Kämpferund klammert deren OPFER konsequent aus.

Deutschkärntner Gedenkkombination an der Soldatengedenkstätte in Hermagor: Abwehrkampf, Erster Weltkrieg und Zweiter Weltkrieg. Bei den Opfern des Ersten Weltkrieges ein Hinweis die Bedeutung der „Deutschkultur“. Sie starben für Österreichs Ehre und Deutschlandsgröße. Man könnte auch darüber schreiben: Sie starben wegen zweier Kaiser und ihrer brutalen und menschenverachtenden Wirtschafts- und Machtinteressen. Bis 1980 dauerte es, um eine gemeinsame Gedenktafel mit den italienischen Nachbarn anzubringen.
Soviel Soldatentum bei einem Friedhof dieser Grösse habe ich selten gesehen. Vom eisernen Major bis zur oftmaligen Darstellung der Plakete *Kärtner Abwegrkampf“ ist Krieg auf diesem Friedhof sehr präsent.

Anfang Mai 1945 wollte(n) ein/drei/vier? Soldaten über die Grenze nach Italien fliehen und wurden im Raum Hermagor-Möderndorf aufgegriffen und als Deserteure verhaftet, Nahrung erhielt sie nicht. Wenige Stunden vor dem Einmarsch der Briten wurden sie von der örtlichen SS durch die Stadt

getrieben und bei einer Felswand oberhalb des Friedhofes in der Nähe der heutigen Aufbahrungshalle erschossen und nachlässig verscharrt, die Füße haben laut Zeitzeugen noch herausgeschaut. In der Nacht auf den 7. Mai drang ein ranghoher SS-Mann in das Haus von Zeugen ein und hielt die Waffe an den Kopf der Frau und befahl dem Mann, ein Leichenbestatter, die Leiche am Friedhof zu vergraben, ansonst würde ihr das gleiche geschehen wie den Deserteur(en). In weitere Folge verstarb auch eine unfreiwillige Zeugin der Erschießung unter nicht völlig geklärten Umständen im Gaukrankenhaus Klagenfurt. Die Angaben über dieses “Endphasenverbrechen3” variieren, Dokumente wurden zum Kriegsende vernichtet bzw. war der Befehl nur mündlich.4

Der in Hermagor ansässige Arzt Albert Menninger-Lerchenthal wurde aufgrund seiner jüdischen Wurzeln im Jänner 1943 nach Magdeburg versetzt und verstarb während eines Heimaturlaubs im Sommer 1944 unter ungeklärten Umständen auf der nahe dem Stadtgebiet gelegenen Radniger Alm.5 So nebenbei bemerkt ist das Führen von Adelstiteln seit 10. April 1919 in Österreich verboten. Auch werden geschichtliche Ereignisse ausgeklammert.

Neben dem von ihm initiierten Denkmal des „sterbenden Soldaten“ am sogenannten Hermagorer „Heldenfriedhof“  steht keinerlei Hinweis zu seiner jüdisvhen Geschichte und den fragwürdigen Ereignissen zu seinem Tod.6


Quellenverzeichnis

  1. Inhalt und Gestaltung: Daniel Jamritsch, Bernhard Gitschtaler Wien-Hermagor, 2013
    Online: www.erinnern-gailtal.at, Gedruckt mit Mitteln des Zukunftsfonds der Republik Österreich ↩︎
  2. Im Listing des Adventure Lab ↩︎
  3. Als Endphaseverbrechen oder Verbrechen der Endphase werden nationalsozialistische Verbrechen bezeichnet, die in den letzten Wochen und Monaten des Zweiten Weltkrieges begangen wurden; meist wird die Endphase dabei als der Zeitraum zwischen Januar 1945 und dem örtlich unterschiedlichen Ende der Kriegshandlungen verstanden. (Wikipedia) ↩︎
  4. Aus dem Begleittext des Adventure Lab. ↩︎
  5. Wikipedia – Informationen über Hermagor ↩︎
  6. Derla – digitale Erinnerungslandschaft, Gedenktafel für Dr. Albert Theodor Menninger-Lerchenthal ↩︎

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