1980 wählte die Bevölkerung Islands als erstes Land der Welt ein weibliches Staatsoberhaupt: die geschiedene und alleinerziehende Theaterdirektorin Vigdís Finnbogadóttir – auch sie hatte fünf Jahre zuvor gestreikt. Wenig später zog eine feministische Partei ins Parlament ein.1
Island 1975
Ein Land der Naturgewalten, dampfende Schlammfelder, ausbrechende Vulkane, Naturschönheiten doch im März 1975 wurde die patriachale Welt Islands von einer „Feministischen Eruption“ erfasst. Die isländischen Frauen weigerten sich zu arbeiten, zu kochen oder Kinder zu hüten. Mit ihrem Streik sorgten sie für nachhaltige politische Veränderungen in ihrem Land zu Gunsten der Frauen.
90 Prozent der weiblichen Arbeitskräfte auf der Insel verließen zum ersten Mal ihren Arbeitsplatz und übergaben ihre Kinder ihren Vätern, um ihnen die Bedeutung ihrer bezahlten und unbezahlten Arbeit zu verdeutlichen.2
Am 24. Oktober 1975 strömen mehr als 20 000 Frauen zu einer Demonstration zusammen, auch einige Männer lassen sich sehen. Der Anlass erschließt sich beim Blick auf die Plakate: „Nieder mit den Diktatoren“ oder „Warum studieren keine Männer, um Kindergartenerzieher zu werden? Ist es das Gehalt?“3
Eine davon ist Borghildur Óskarsdóttir. Der 33-Jährigen ist sofort klar, dass sie dabei sein muss. Schließlich geht es um mehr Gleichheit, eine gerechtere Bezahlung, eine bessere Kinderbetreuung. Und Óskarsdóttir ist nicht nur Kunstlehrerin, nebenbei Studentin sowie Mutter zweier Töchter – sondern auch Feministin.4
Heute, fast 40 Jahre später, liegen die Fotografien jenes Tages auf dem Tisch ihres Gewächshauses im Zentrum von Reykjavík. Die inzwischen 73-Jährige Óskarsdóttir ist immer noch schlank, wie früher trägt sie einen Pony, nur dass die Haare mittlerweile schlohweiß sind. Sie ist stolz, dass sich 1975 mehr als 25.000 Menschen dem Demonstrationszug anschlossen. Immerhin mehr als 10 Prozent der damaligen Bevölkerung Reykjaviks.
„Áfram stelpur“ („Vorwärts Frauen“)
Die Rote-Socken-Bewegung (Rødstrømpern), eine feministische Frauenorganisation in Island, plante im Juni 1975 mit anderen Frauenorganisationen bei einem Frauenkongress in Reykjavik diesen Streiktag. Es ging nicht nur um gleiche Rechte und Gehälter in der Arbeitswelt. Zentrale Anliegen der Frauen eine Legalisierung der Abtreibung und verstärkte sexuelle Aufklärung.
Film von Women in Red Stockings
A documentary about the Red Stocking movement in Iceland 1970 – 1980, including the famous Women´s Day Off in 1975. Subtitles in English. Directed by Halla Kristín Einarsdóttir (2009).
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Quellenverzeichnis
- Spiegel Geschichte von Martin Pfaffenzeller am 8.3.2019 – Als die Roten Socken Island lahmlegten. ↩︎
- Frankfurter Rundschau, 25.10.2023 – Frauen-Streik in Island: Wenn einen Tag lang alle Frauen die Arbeit niederlegen ↩︎
- Hans Böckler Stiftung 2020/06 – Frauenstreik auf Island ↩︎
- Alva Gehrmann im Tagesspiegel vom 18.10. 2015 – Feminismus in Island: Aufstand der Frauen ↩︎