Marie Leibfried – eine unermüdliche Kämpferin im Arbeiterbildungsverein

Auf unserer Radtour entlang der Stationen der Dornbirner Industriegeschichte entdecken wir ein Bild1 von Marie Leibfried, geborene Brüstle. Als Sozialistin wirkte sie entscheidend im Arbeiterbildungsverein Dornbirn mit. Marie Leibfried litt nicht nur unter den für die Zeit üblichen Schikanen gegenüber Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, sondern musste auch die frauenfeindlichen Tendenzen innerhalb der Sozialdemokratie erdulden. Bei den Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung 1919 wurde sie beispielsweise im Bezirk Feldkirch nur auf dem aussichtslosen Platz 10 gereiht. Ein Affront. Schmerzhaft wie unverdient.2

Der Text einer Schautafel entlang des Geschichtepfades

Nach Maria Turek wurde Maria Leibfried Landesvertrauensfrau in der SPÖ-Vorarlberg gewählt.3

Im konservativen Vorarlberg des vorigen Jahrhunderts war es schon für Männer äußerst schwierig und mitunter existenzbedrohend sich zur Sozialdemokratie zu bekennen.5 Die Sozialdemokraten befürworteten offiziell uneingeschränkt die politische Betätigung von Frauen. In verschiedenen Artikeln ihrer Zeitung
Vorarlberger Wacht wurden Frauen wiederholt aufgefordert, am politischen wie öffentlichen Leben aktiv teilzunehmen.

Frauen nötigte dies eine noch größere Standfestigkeit ab. Im bigott religiösen Vorarlberg wurden damals Frauen, die sich offen zur Sozialdemokratie bekannten, von den Christkonservativen als Dirnen bezeichnet.
Wie oben in der Schautafel starb ihre Mutter bald. Noch bevor der Sarg, so ist von Marie wörtlich überliefert, in der Erde verschwunden war, fragte der Priester “Und wer zahlt mir jetztdas Vergraben?”
Dieses Erlebnis verletzte die junge Frau tief. Sie kehrte der Kirche den Rücken und beschloss um das Jajr 1890, Sozialdemokratin zu werden. 1901 wurde sie als Schriftführerin der Union der Textilarbeiter, somit zur ersten weiblichen Funktionärin einer Gliederung gewählt.

1903 war sie die erste Frau, die in Dornbirn bei einer Mai-Demonstration mitmarschierte.

Anlässlich des 50-jährigen Gründungsfests des Dornbirner Arbeiterbildungsvereins stellten sich die Veteranen 1928 dem Fotografen: In der Mitte Marie Leibfried als einzige Veteranin. 4
Vorarlberger Wacht 3. Juni 1930, Seite 2 – ÖNB-ANNO

Quellenverzeichnis

  • 1 Das Bild wurde in den Vorarlberger Nachrichten abgedruckt am 15.3.2019
  • 2 Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft – Severin Holzknecht · 23. Nov 2021 · Literatur, „GESCHICHTE IST DIE ESSENZ UNZÄHLIGER BIOGRAFIEN“, Meinrad Pichler, Spurensuche: Historische Biografien aus Vorarlberg. Russmedia Verlag, 2021, 180 Seiten, Hardcover, ISBN: 978-3852580715, € 24
  • 3 Bild und Information auf Wikipedia zur SPÖ-Vorarlberg
  • 4 Stadtarchiv Dornbirn
  • 5 Sozialdemokratie in Vorarlberg, Onlineausgabe, 2003, Günter Dietrich, Seite 21