Hoch der 1. Mai – 1890

Die Arbeiter und der 1. Mai
Der Zweck des Festes, welches die Arbeiter Österreichs beschlossen haben, am 1. Mai zu begehen, ist heute schon erreicht, weit über alle Erwartungen erreicht! Der letzte Proletarier in der letzten Hütte des weltvergessenes Thales, der hoffnungslos dahinvegtierende Industriesklave in den Städten, sie alle haben das Haupt in freudigen Stauen erhoben, horchen auf und das tödliche Einerlei ihrer Überarbeit, ihres Elends tönt der Ruf: Der gesetzliche Achtstundentag!

Am Pariser Arbeiterkongress mit 400 Delegierte wurde folgende Resolution für den 1. Mai beschlossen:

  • In Erwägung, dass die kapitalistische Produktionsweise in rascher Entwicklung nach und nach alle Länder der Erde erfasst;
  • in Erwägung: dass die kapitalistische Produktionsweise die steigende Ausnutzung der Arbeiterklasse durch die herrschende Klasse bedeutet,
  • dass die immer intensivere Ausbeutung die soziale und politische Unterdrückung und Versklavung der Arbeiterklasse zur Folge hat und zu ihrer physischen und moralischen Degeneration führt,
  • dass es deshalb Pflicht und Aufgabe der Arbeiterklasse aller Länder ist, diese sie ruinierende und die freie Entwicklung der Menschheit bedrohende Gesellschaftsorganisation mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen,
  • dass es sich aber in erster Linie darum handelt, der weiteren verheerenden Wirkung der herrschenden Wirtschaftsordnung entgegen zu arbeiten, beschließt der Kongress:

I. Die Schaffung einer wirksamen Arbeiterschutz-Gesetzgebung für alle Länder mit moderner Produktion ist eine unabweisbare Notwendigkeit.


Als Grundlage derselben betrachtet der Kongress:

  • a) den achtstündigen Normal-Arbeitstag;
  • b) das Verbot der Arbeit von Kindern unter vierzehn Jahren und dieBeschränkung der Arbeit aller minderjährigen von 14 – 18 Jahren auf sechs Stunden pro Tag;
  • c) das Verbot der Nachtarbeit mit Ausnahme jener Betriebe, welche ihrer Natur nach den ununterbrochenen Betzrieb fordern;
  • d) den Ausschluss der Frauenarbeit in allen dem weiblichen Organismus besonders schädlichen Betrieben;
  • e) das Verbot der Nachtarbeit für Frauen und männliche Arbeiter unter achtzehn Jahren;
  • f) eine mindestens 36 Stunden hintereinander umfassende Ruhezeit in der Woche
  • g) das Verbot solcher Industrien und solcher Arbeitsmethoden, welche der Gesundheit der Arbeiter besonders schädlich sind
  • h) die Aufhebung des Trucksystems;
  • i) eine alleindustriellen Betrieb, einschließlich die Hausindustrie, umfassende Inspektion durch staatlich besoldete Inspektoren, welche mindestens zur Hälfte von den Arbeitern selbst zu wählen sind.

II. Der Kongress erklärt es als notwendig, alle diese Maßregeln durch Gesetz bzw. durch inrenationale Verträge sicher zu stellen, und fordert die Arbeiterklasse aller Länder auf, in der ihnen am geeignetsten erscheinenden Weise für die Verwirklichung dieser Forderungen einzutrten und ihre Durchführung zu überwachen.

III. Außerdem erklärt der Kongress, es ist Pflicht aller Arbeiter, die Arbeiterinnen als gleichberechtigte Mitkämpferinnen anzusehen und dem Grundsatze: gleicher Lohn für gleiche Leistung auch in Bezug auf die Arbeiterinnen zur Geltung zu verhelfen. Als ein wesentliches zum Ziele führendes Mittel hiefür, wie für die Verwirklichung der Emanzipationsbestrebungen der Arbeiterklasse überhaupt, erachtet der Kongress die Organisation der Arbeiterklasse in jeder möglichen Weise und fordert deshalb: Volle Koalitions- und Versammlungsfreiheit.