Anna Neumann – Herrin von Murau

Die Vermännlichung einer bürgerlichen Powerfrau, die mit ihrem Erbe die Schwarzenbergs reich machte

Anläßlich unseres Besuchs in Murau besuchten wir diese Ausstellung im Rathaus Murau. Zentrale Figur dieser Austellung ist das Leben einer Kärtnerin, die durch Geschick, Erbe und sechs Ehen zu einer der reichsten und mächtigsten Frauen ihrer Zeit in Österreich wurde.

Nach ihrer Heirat mit Christoph von Liechtenstein zu Murau erwarb Anna Neumann von ihrem Mann und dessen fünf Brüdern, die stark verschuldet waren, die Burg und Herrschaft Liechtenstein in der Marktgemeinde Murau sowie weitere Güter im Herzogtum Österreich unter der Enns und im damaligen ungarischen Königreich beziehungsweise im heutigen Burgenland1.

Von den insgesamt sechs Ehemänner hatte sie wahrscheinlich das grösste Wohlgefallen an Ludwig Ungnad gehabt haben. Auch dürfte die gleiche Glaubenseinstellung Anna geleitet haben. Doch auch Humor schien der neue Mann zu haben: Er legte seiner 46-jährigen Braut einen Elefantenzahn und zwei Straußeneier als “Willkommensgruß“ ins Ehebett.
Insgesamt war die sechsmal verheiratet.

Im Alter von 81 Jahren heiratete sie 1617 auf Vermittlung von Johann Ulrich von Eggenberg den 31-jährigen Reichsgrafen Georg Ludwig von Schwarzenberg, wobei auch diese Ehe anstelle einer Adoption anzusehen ist – und Schwarzenberg als Diplomat meistens international unterwegs war. Anna Neumannin starb am 18. Dezember 1623 im damals außergewöhnlich hohen Alter von 88 Jahren als Protestantin, weshalb ihr eine Grabstätte in der Murauer Stadtpfarrkirche verweigert wurde. Das kirchliche Begräbnis gestatte ihr der Erzbischof von Salzburg aber schon. Die Beisetzung erfolgte in der heute evangelischen Elisabethkirche aber so, dass Annas Kopf außerhalb der Kirche zu liegen kam.2

DAS LEBEN IM 15. – 17. JAHRHUNDERT in und um Murau

Hungersnöte und Missernten

Heuschreckenschwärme 1478 (,,so dick, als ob es schneite”, „so groß wie Meisen”) vernichteten die Ernte. Die folgenden Missernten bewirkten Hungersnöte. Die daraufhin in die Stadt geflüchteten Armen waren so zahlreich, dass 1479 ein Bettelverbot erlassen wurde. 1543 fraßen Heuschrecken-Schwärme erneut die Felder des oberen Murtals kahl, besonders betroffen waren Knittelfeld und Umgebung.

Die Pest

Hinzu kamen Pestepidemien 1473, 1481, 1488, 1521, 1542, 1569, 1571, 1584, 1603, 1646 (die schlimmste von 1713-15 ist im Bewusstsein der Obermurtaler verankert, weil sie besonders viele Todesopfer forderte. Beispiele: Murau 92, Neumarkt 388, St. Georgen 213).

Bauernaufstände – die Murauer Rotten

Die Ausstellung wird von Informationstafeln dominiert und ist sehr textlastig. Es wird immer wieder ihr Geschick und konsequente Umgang mit Ehemännern dargestellt. Manchmal werden durchaus die Begleitumstände der damaligen Zeit erwähnt. 40 Jahre vor ihrer Zeit kam es zu Aufständen der Murauer Rotten.

1525 unterlagen die Murauer „Rotten”, die mit den Lungauer Bauern gemeinsame Sache machten, im Bauernkrieg gegen die landes- fürstliche Obrigkeit (wegen der hohen Steuerlast, aber auch unter dem Eindruck der Luther-Parole von der „Freiheit eines Christen- ” menschen”). Sie mussten als Strafe eine weitere Steuer, die sogen. „Brandschatzungssteuer” an Kaiser Ferdinand I. entrichten.3

Hexenprozesse in Österreich

1574 erließ Erzherzog Karl II. ein Gesetz, das besagte, dass jede Form von Schadenszauber mit der Todesstrafe zu ahnden sei! Die- ses Gesetz wurde zum Ausgangspunkt der intensiven Phase der steirischen Hexenprozesse. Erstaunlich: In der Regierungszeit Erz- herzog Ferdinands II. fanden jedoch kaum Hexenprozesse statt, da er zwar ein glühender Verfechter der Gegenreformation, nicht aber der Hexenverfolgungen war.
Höhepunkt der Prozesse in der Steiermark waren die Jahre von 1650 bis 1699 mit 615 Personen vor Gericht, das ist die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, gekennzeichnet von Landverödung, Hunger, Obdachlosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Man schätzt, dass im Deutschen Reich (= einschließlich österreichische Erblande) insgesamt etwa 100.000 Menschen als Hexen/ Hexer getötet wurden.

Leibeigenschaft (mit seinem Körper das Eigentum eines anderen Menschen zu sein)4

Die grundherrlichen Untertanen („Leibeigene”, „Hörige“, „Unfreie”, „Grundholde“, „Rücksassen”) waren nicht Besitzer ihres Gutes, sondern durften das von ihnen bewirtschaftete Bauerngut bloß nutzen. Sie genossen zwar den Schutz ihres Grundherrn/ ihrer Grundherrin, mussten dafür aber viele Einschränkungen hinnehmen und viele Leistungen erbringen (jährlicher Zins bzw. Robot = Arbeitsleistung in bestimmtem Umfang) und bezüglich jeglicher wirtschaftlichen und persönlichen Veränderung die Zustimmung erbitten. Wollte etwa ein Untertan oder dessen Sohn die Grundherrschaft verlassen (Armut, Arbeitssuche), wollte jemand heiraten, etwas anderes anbauen als bisher, stets musste der Grundherr/die Grundherrin die Erlaubnis erteilen.5

Meines Erachtens eine Beschreibung aus der Brille der Adeligen und Grundeigentümer:innen geschriebene Definition. Ich neige eher dazu zu schreiben was es war – die Leibeigenschaft lag in ihrer Ausgestaltung nach oft zwischen Sklaverei und Hörigkeit. Leibeigene waren auch keine Bürger. Maria Theresia tat nichts für die Rettung der leibeigenen Bauern. Im Jahr 1771/72 kam es in Böhmen zu einer großen Missernte und nachfolgend zu einer Hungersnot. Etwa 250.000 Menschen starben damals an Unterernährung6.

Gegenreformation in Murau

Zu Annas Zeit waren viele Menschen in Murau protestantisch, sie hatten mit der Spitals- oder Elisabethkirche einen Gebets- und Versammlungsort. Die Gegenreformation führte jedoch auch hier zur fast lückenlosen, wenn auch erzwungenen Konversion, falls man die Heimat nicht verlassen wollte. (Anmerkung: Heimat verlassen befeutete von Adeligen Landsknechten vertrieben zu werden und bedeutete vielfach den Hungertod. Also wechselten die Leibeigenen notgedrungen den Glauben7).

Entsprechend der Gegenreformation musste die Bevölkerung auch in Murau ab 1600 (bei Strafandrohung) die „Allgemeine Ordnung” befolgen:

  • protestantische Pfarrer einfangen und ins Exil schicken
  • die katholische Messe besuchen
  • beim katholischen Pfarrer beichten und die Kommunion empfangen
  • Fastengebote einhalten
  • evangelische Lieder und Bücher sind verboten
  • Schulmeister müssen katholisch sein
  • Kinder müssen die katholische Schule besuchen
  • Zünfte und Bruderschaften müssen vor dem Pfarrer erneuert werden

Nach Anna Neumanns Tod siedelte ihr letzter Gatte Georg Ludwig zu Schwarzenberg als Katholik die Kapuziner zum Zweck der Gegenreformation an und stiftete ein Kloster samt Klosterkirche, wo Anna Neumann ab 1873 ihre letzte Ruhestätte fand und auch Georg Ludwig und seine zweite Frau Elisabeth begraben wurden.

Das Samsonfest zu Mariä Himmelfahrt ist hier in Murau immer noch ein touristischer Höhepunkt.. Sie sind Figuren der Gegenreformation und Symbole des Machterhalts der katholischen Kirche.8

Die Vermögensverhältnisse in Murau im 17. Jahrhundert

Die Vermögensverhältnisse in Murau waren höchst unterschiedlich. 3 Bürger besaßen über 1500 Pfund Pfennig, 34 Bürger besaßen zwischen 683 und 100 Pfund Pfennig, 68 zwischen 99 und 10 Pfund Pfennig, 3 Bürger unter 10 Pfund Pfennig. Zu dem Zeitpunkt hatte Murau somit 108 Bürger9.

Von 1611 gibt es eine Darstellung von 73 Bürgern.

Quellenverzeichnis

  1. Regiowiki ↩︎
  2. Austria Forum ↩︎
  3. Aus dem Begleittext bei der Ausstellung ↩︎
  4. Wirtschaftliche und soziale Lage der Landarbeiter – Geschichte der Landarbeiterbewegung ↩︎
  5. Ausstellungstext ↩︎
  6. Von den Hungeraufständen zur weltweiten Unterernährung ↩︎
  7. Anmerkung vom Autor ↩︎
  8. Aus dem Blogeintrag – Geocaching und das Bier in Murau ↩︎
  9. In der Ausstellung angeführt mit dem Verweis auf Walter Brunner: Murau. Eine Geschichte stellt sich vor, Bd. 1. Eigenverlag der Stadtgemeinde Murau, Murau 1998, S. 365 ff – offen bleibt die Frage – Wer wurde als „Bürger“ gezählt. ↩︎

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