Artikel von Christian Aigner anläßlich unserer Studienreise nach Berlin als Einleitung bei der Gedenkstätte vor Ort
Beruhend auf der Eugenik – ein Begriff aus dem Griechischen von eugenes – der von edler Abstammung und edel geboren heißt.“Eu“ für gut und „genesis“ für Werden, Entstehen.
Eugenik – ist auch eine Bewegung die ab dem ausgehenden 19 Jahrhundert von den USA ausgehend unerwünschte genetisch geprägte Menschen benennt.
Die Zwangssterilisation wird in ca. 30 Bundesstaaten der USA ab 1907 bis in die1930er Jahre gesetzlich aus eugenischen Gründen ermöglicht. Ähnliche Gesetze werden in skandinavischen auch sozialdemokratisch regierten Ländern
beschlossen.1
Diese Gesetze richten sich gegen genetisch Unerwünschtes insbesondere geistig behinderte (intellektuell beeinträchtigt – neuer Begriff) Menschen und psychisch kranke Menschen. Es wird darin die Zwangssterilisation erlaubt. Diese gelten in diesen Ländern teilweise bis in die 1990iger Jahre. Haben aber keine Ausweitungen und keine großen Opferzahlen zur Folge.
Neben der Zwangssterilisation wurde die systematische Tötung von sogenanntem lebensunwertem Leben ab 1939 in Deutschland gestartet. Für mich erschreckend ist die Idee bzw. der Gedanke Menschen per Gutachten als Willensunfähig bzgl. des Willens zu leben oder zu sterben, zu definieren. Um daraus dann abzuleiten
es wäre für sie selbst ein Gnadenakt und auch für ihre Angehörigen als mitleidende. Und vor allem ging es darum die ökonomische Komponente voranzustellen. Die Kosten der Pflege für die Allgemeinheit wurden angeführt und der Schaffung von Wohnraum für rassisch gesunde Menschen gegenübergestellt.
Hier muss ich anmerken – die Optimierung des Menschen seit der
Industrialisierung – den Menschen nur mehr als Arbeitskraft und Kostenfaktor zu betrachten und somit seinem Menschsein an sich zu berauben oder der Versuch darauf zu reduzieren ist eine konsequente Erscheinung im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenleben.
Es ging also um Verwertbarkeit des Menschen und so gibt es die fatale
Kombination aus geheucheltem Mitleid mit den behinderten Menschen und deren Angehörigen und hinzugefügt die ökonomische Komponente, die das Volksganze belastet.2
Und gipfelt in der Rassenhygiene, die von einer genetisch definierten Herrenrasse ausgeht, die dazu berufen ist, alle anderen Völker zu unterwerfen und/oder zu vernichten. Als unerwünscht wurden sogenannte asoziale, geistig behinderte und psychisch kranke Menschen definiert, die als Arbeitskraft nicht zur Verfügung standen.
Einige Opfer des grausamen Programms der Vernichtung
Die Diskusion über die Kosten der Pflege heute
In den 1980iger Jahren kommt wieder eine Diskussion auf über die Tötung von Säuglingen die schwerstbehindert geboren werden, zu ermöglichen. Dagegen wehrt sich die Fachwelt aus der Behindertenpädagogik und Selbstvertreter:innen. Im 20igsten und 21igsten Jahrhundert werden die hohen Pflegekosten für die alternde Bevölkerung irgendwie schleichend als Problem in den Vordergrund gestellt. Es wird von einer Pflegekrise gesprochen – also der ökonomische Aspekt in den Vordergrund gestellt. Von überforderten Pflegekräften ist die Rede. Es wird also ein negatives Bild gezeichnet. Gleichzeitig wird der assistierte Suizid gesetzlich ermöglicht. Selbstverständlich mit Gutachten über die unbeeinflusste selbstbestimmte und auf Grundlage eines unheilbaren Leidens fußende Entscheidung. Könnte ein selbstbestimmter Mensch aufgrund dieser Möglichkeit aus Gründen der ökonomischen Belastung der Gesellschaft sich gedrängt fühlen?
Wie ist das wenn die AFD im deutschen Bundestag nach den Kosten der Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung im zuständigen Ministerium nachfragt und behauptet Migrant:innen seien besonders oft behindert, weil sie sich im Sinne der Inzucht fortpflanzen würden?
WAS oder WER beeinträchtigt hier WEN?
- Beeinträchtigte Menschen werden aber im Wesentlichen durch Barrieren behindert. Eindrücklich einfach zugänglich ist das Bild eines Rollstuhlfahrers, der eine Treppe nicht überwinden kann. Ist das eine Frage des Könnens oder eine Frage des Aufstellens einer Barriere – einer Stiege.
- Aber was ist mit jenen Menschen deren Sinne wie Hören und Sehen beeinträchtigt sind?
- Aber auch intellektuell beeinträchtigte Menschen und psychisch kranken Menschen?
Die UN Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Staaten – darunter auch Österreich diesen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Es ist also eine gesellschaftliche und Aufgabe der Politik und von Behörden diese Teilhabe zu garantieren. Gebärdensprache, einfache Sprache, barrierefreies Bauen, persönliche Assistenz und vieles mehr. Auch die Sprache ist mit einigen Begriffen noch tief begründet im 19/20 Jahrhundert. Asozial, behinderte Menschen, Krüppel, Wahnsinn – sind im alltäglichen Sprachgebrauch in Verwendung.
Unsere „räumlichen“ und „inneren“ Barrieren
Ein nicht auf den ersten Blick erkennbarer Widerspruch oder gut gemeinter Zusammenhang: Eine Information auf das Vorsichtig sein auf Bahnhöfen verwendet in einer Bildkampagne einen Menschen in einem Rollstuhl, um auf die Folgen von Gefahren des Bahnverkehrs bzw. des Luftzuges auf Bahnhöfen hinzuweisen. So löblich dieser Hinweis auf sicheres Verhalten auf Bahnhöfen auch ist, es bringt ein negatives Bild – es assoziiert die negativen Folgen unvorsichtigen Verhaltens mit dem Bild eines Rollstuhlfahrers. Also so will ich nicht werden und deshalb verhalte ich mich sicher. Dabei ist ein Rollstuhl beispielsweise eine äußerst effiziente Unterstützung für die Mobilität von Menschen, die nicht gehen können. Also ist ein Rollstuhl an sich eigentlich positiv zu bewerten. Für einen Menschen der diesen zur Unterstützung seiner Mobilität nutzt, also eine tolle Erfindung. Wenn dann noch die Welt barrierefrei ist auf öffentlichen Plätzen und privaten Restaurants bspw. wäre schon viel an Barriere und Behinderung beseitigt.
Aber wie ist das in einer Wohnung, in der ich wohne und einen Menschen mit Rollstuhl einladen möchte, die aber nicht barrierefrei ist, weil ich das ja nicht brauche? Müssten nicht alle privaten Räume barrierefrei sein? Es ist so, als ob es noch immer notwendig erscheint, dass sich chronisch unbeeinträchtigte Menschen von anderen abgrenzen müssten.
Im Bildungsbereich ebenso wie in der Arbeitswelt. Wer ausgegrenzt wird, soll nicht bzw. kann nicht dazugehören. Wie sonst ist es erklärbar, dass Barrieren nicht als solche wahrgenommen werden?
Der Wert des Menschen, die Würde des Menschen, die Einsetzbarkeit in der Arbeitswelt als, Lebensgrundlage, was hat der … Mensch vom Leben? Hier könnte als Attribut bspw. Alte, behinderte, gehörlose, im Koma befindliche, psychisch erkrankter, reicher, armer, und vieles andere eingesetzt werden.
Dazu passende Eintragungen im Blog
Quellenverzeichnis
- Bild aus dem Eintrag der Gedenkstätte Steinhof – Rassenwahn und Menschenzucht
Eugenik und Rassenhygiene als Fundamente der NS-Ideologie ↩︎ - Bild aus einem Eintrag des U.S. Holocaust Memorial Museum ↩︎