Bei einer Geocachingtour entdecken wir beim Lösen diverser Aufgaben die historischen Spuren des Kriegsgefangenenlager in Knittelfeld. Aus der Beschreibung des Geocaches erhalten wir diese Informationen1:
Wer heutzutage das Kulturhaus oder das LKH Knittelfeld, die Landesberufschule, die Hauptschule Lindenallee, die Obersteirische Molkerei, einen der zahlreichen Handels- oder Gewerbebetriebe im Westen der Stadt, den Sportplatz von Rotweiß oder vielleicht den ARBÖ-Stützpunkt besucht, ist sich wahrscheinlich nicht bewusst, dass er auf historisch brisantem Boden steht. Hier – zwischen der Anton-Regner-Straße im Osten, der Kärntner Straße im Süden, der Ingering im Westen und der Maßweger Straße im Norden – befand sich vor knapp hundert Jahren eines der größten Kriegsgefangenenlager der österreich-ungarischen Monarchie! Der Erste Weltkrieg (1914-1918) brachte eine neue Dimension des Schreckens, des Leids, der Zerstörung, eine neue Dimension hinsichtlich des Blutzolls, der Toten, der Verwundeten und auch der Gefangenen, die in zahllosen Lagern interniert wurden.
Am 9. Oktober 1914 sendet das Militärkommando in Graz ein Telegramm an die 8. Abteilung Hochbau im Kriegsministerium in Wien mit der Bitte um die Zuteilung von, wie auch von Zeilinger im korrigierten Angebot verlangt, 400 bis 600 Kriegsgefangenen, um die termingemäße Fertigstellung des Lagers zu garantieren.2
Ob für die geleistete Zwangsarbeit der Gefangenen eine dementsprechende Bezahlung jemals geleistet wurde?
Auf ca. 450.000 m² nordwestlich des ursprünglichen Stadtzentrums wurde ein Barackenlager3 gebaut, das neben Unterkünften und Verwaltungsräumlichkeiten auch Bade-, Wäscherei-, Küchen- und Bäckereianlagen, Schlachthäuser, Vorratsräume usw. beherbergte.
Zum Komplex, der über eine Schmalspurbahn mit dem Streckennetz der Kronprinz-Rudolf-Bahn verbunden war, gehörten überdies noch ein landwirtschaftlicher Betrieb in unmittelbarer Nähe und zugepachtete Stallungen für die Großviehhaltung mitsamt Alm und dazugehöriger Käserei. 1914 dimensioniert für 20.000 Gefangene, stieg die Lagerkapazität schon 1915 rasch auf über 33.000 vornehmlich aus dem zaristischen Russland stammende Kriegsgefangene, es übertraf damit die Einwohnerzahl Knittelfelds (10000) um ein Mehrfaches.
Die Situation der Gefangenen im Lager
Der erste Nachweis über die Heranziehung von Kriegsgefangenen zu Arbeitsdiensten ist, im gesichteten Aktenmaterial, mit dem 27. Oktober 1914 datiert und richtet sich an die Militärkommandos, darunter auch das Militärkommando Graz, in dessen Gebiet sich auch das Lager Knittelfeld befand. Darin heißt es, dass Kriegsgefangene, die nicht unmittelbar mit Lagerarbeiten als Köche, Handwerker oder Handlanger beschäftigt sind, zur Herstellung von Überschuhen aus geflochtenem Stroh als Kälteschutzmittel und mit dem Flechten von Strohmatten, solange nicht ausreichend Strohsäcke vorhanden sind, zu beschäftigen sind. Die Vorarbeiter seien aus den russischen Gefangenen zu rekrutieren5. Im Februar 1915 wurde entschieden, dass Kriegsgefangene in der Wirtschaft zu beschäftigen seien.
Aus Sicht der Lagerleitung war die Beschäftigung der Kriegsgefangenen notwendig, da man dadurch die Gefangenen disziplinieren und im gleichen Zug auch die Unterbringungskosten reduzieren wollte. Arbeit als Dizplinierungsmaßnahme war eine beliebte, menschenunwürdige Strategie der Militärführung.
Durch den schnellen Gefangenenzuschub, in den
Baracken waren zwischen 250 und 600 Soldaten interniert, war es zum Ausbruch von Cholera asiatica, Flecktyphus und Blattern gekommen. (Artikel)6
Mit Impfkampagnen, geringeren Belegzahlen, intensiven Hygienemaßnahmen und dem Versuch neuer Einkleidung intensivierte man den Kampf gegen die Seuchen. Auch wurde vom
Kriegsministerium empfohlen, dass die Gefangenen vermehrt zu Arbeiten im Freien
herangezogen werden sollten, um die Widerstandskraft der Gefangenen zu erhöhen. 1915
verzeichnete das Lager 174 verstorbene russische Gefangene.
Erste Verpflegungsprobleme treten auf, wie ein Bericht des Lagerkommandanten zeigt:
Im Bericht heißt es weiter, dass der Kommandant des Lagers in Knittelfeld erklärt hätte, dass die Mehlvorräte in Österreich zur Neige gehen , selbst die
Zivilbevölkerung muss sich einschränken resp. kann sich nicht sattessen …
Hunger wurde zu einer zentralen Erfahrung vieler Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg.
Der Einsatz von Kriegsgefangenen in der Kriegswirtschaft sollte sich aber während des Krieges und vor allem ab Juli/ August 1916 so dramatisch steigern, dass in Österreich-Ungarn und Deutschland zum Teil die großen Gefangenlager ihren normalen Dienstbetrieb nicht mehr aufrechterhalten konnten. Der Dienst in den Arbeitskommandos führte zu einer Begegnung zwischen der Zivilbevölkerung und den Kriegsgefangenen. Diese Begegnung führte zu einem neuen Bild des Feindes und somit zu einer neuen Front weit im Hinterland, die völlig verschieden war zum Schlachtfeld. In den großen Lagern litten die Kriegsgefangenen dann unter Erschöpfung, Niedergeschlagenheit und Unterdrückung.
“Das war eine Stadt vor der Stadt, größer als die Stadt Knittelfeld – nicht nur an Einwohnern. Eine autarke Stadt mit Wasserwerk, mit landwirtschaftlichen Betrieben, mit Fleischhauereien usw. und 1915 – mit dem Kriegseintritt Italiens – wurde Knittelfeld auch zum Militärspital.”8
Nach dem Kriegsgefangenenlager wurde das Lager als Militärspital genutzt
Im Mai 1915 erklärte Italien Österreich-Ungarn den Krieg. Damit lag Knittelfeld zu nahe am neuen Kriegsschauplatz. Die Masse der Gefangenen wurden in andere Lager verlegt. Zurück blieben 3000 Mann als Arbeitskommando. Aus dem Lager wurden ein Militärspital für 5000 verwundete und kranke Soldaten der Habsburgermonarchie sowie ein Werkstättenbetrieb. Der Produktionsschwerpunkt lag in der Holzverarbeitung. Erzeugt wurden für die Armee z. B. Schanzkörbe, Munitionskisten, Baracken, Zugschlitten und Fuhrwerke.9 (Fotos)10
Auflösung sämtlicher militärischen Lager in Knittelfeld
Quellenverzeichnis:
- Geocaching-Listing von Styrian-Panther aus dem Cache GC2BC7X „Neustadt Knittelfeld“. ↩︎
- Das Kriegsgefangenenlager Knittelfeld – Eine Untersuchung der Akten des Kriegsarchivs Wien von den ersten Bemühungen Otto Zeilingers zur Errichtung des Lagers Knittelfeld bis zur Umwandlung des Kriegsgefangenenlagers in ein Militärspital.
Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl- Franzens-Universität Graz, Vorgelegt von Stefan Brenner am Institut für Geschichte, Graz 2011, Seite 60ff ↩︎ - Foto: Baracken des Knittelfelder Gefangenenlagers, 1914-15. FotografIn unbekannt, Bild und Tonarchiv Graz ↩︎
- 800-Jahr-Feier Knittelfeld, siehe Bild unten ↩︎
- Siehe 2, Seite 84 ↩︎
- ÖNB, Arbeiterwille, 4. März 1915 ↩︎
- Länderstudien: Kriegsgefangenschaft als Problem europäischer Staaten, Verwaltete Massen – Kriegsgefangene in der Donaumonarchie 1914 – 1918, Hannes Leidinger und Verena Moritz ↩︎
- Gerhard Dienes vom Landesmuseum Joanneum Graz im ORF-Steiermark am 11.4.2012 ↩︎
- Matrix 1914 – der Krieg über mir – 800 Jahre Knittelfeld ↩︎
- Quelle wie Fußnote 3 ↩︎
- Stadtarchiv Knittelfeld Folge 22 vom Oktober 2007 ↩︎