Was machen der Führer und der Duce in einer Grazer Kirche?

Und nein, es handelt sich nicht um einen Fall für das NS-Verbotsgesetz.

Beim Lösen eines Adventure Lab während einer Geocachingtour stellt sich uns in Graz in der Herrengasse diese Frage. Angeblich sollen auf einem Kirchenfenster in der „Stadtpfarrkirche Zum Heiligen Blut“ Hitler und Mussolini zu sehen sein.

Die römisch-katholische Kirche zum Heiligen Blut ist die Grazer Stadtpfarrkirche. Im 2. Weltkrieg wurden die gotischen Glasfenster zerstört. Mit der Neugestaltung wurde Albert Birkle, dessen Kunst im Dritten Reich als entartet galt, beauftragt. Die Fenster wurden zum Skandal, denn sie zeigen Hitler und Mussolini an der Seite der Peiniger Christi. Vor dem Altar stehend das linke Fenster, in der rechten Hälfte dieses Fensters im vierten Teil von unten, findest du die Beiden.
Diesen Hinweis verdanken wir dem Geocacher thombeluga  mit seinem Tourist Lab – Unbekanntes Graz.

Der Stadtpfarrprobst erklärt die Intentionen des Künstlers so:

Albert Birkle war zur Zeit der Gestaltung der Fenster noch sehr nahe an den Schrecken des Krieges und hat die Passion in einem Detail aktualisiert:
Unter denen, die den dornengekrönten Jesus verspotten, hat er auch zwei der Hauptverantwortlichen der Gräuel des Zweiten Weltkrieges dargestellt: Hitler und Mussolini.
So bringt der Künstler zum Ausdruck, dass in der Passion Jesu Christi auch die Leiden all jener gegenwärtig sind, deren Menschenwürde verspottet und verachtet und deren Leben Gewalt angetan wurde und wird. Im leidenden Christus sehen wir auch die Opfer der Kriege.

Heute fällt es einem nur mehr auf, wenn man das große, in besonders kräftigen Farben leuchtende Fenster links vom Altar der katholischen Stadtpfarrkirche genau ansieht. In der rechten Hälfte des Fensters im vierten Teil von unten beobachten die zwei Faschisten das Leiden von Jesus Christus. In den 50er-Jahren allerdings sorgte dieses Fenster für einige Aufregung in Graz. Es war wohl nicht allen recht, dass der gebürtige Berliner Albert Birkle (1900-1986) seinen Finger wenige Jahre nach Kriegsende in diese Wunde der Geschichte legte. Man war schließlich mit Wiederaufbau und dem kollektiven Vergessen ausreichend beschäftigt. (Der Standard, 21. August 2011)

ÖNB, Kurier 17. September 1953

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