Das Massaker von 1945

“Viele Häftlinge haben gebrannt, die Kleider hatten Feuer gefangen. Sie haben natürlich schrecklich geschrien. Die Luft war immer dünner, alles war voller Qualm.”

Stanislaw Majewicz, Überlebender aus Polen – Gedenkstätte Gardelengen

In Sachsen-Anhalt, nördlich von Magdeburg, befindet sich die Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen. Sie erinnert an die Ermordung von mehr als 1.016 KZ-Häftlingen bei einem Massaker und bei Todesmärschen um Gardelegen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Es handelte sich um ein nationalsozialistisches Endphaseverbrechen.

Rest der ehemaligen Wand der Scheune

Die Räumung des Konzentrationslagers beginnt

Anfang April 1945 räumte die SS das Konzentrationslager Hannover-Stöcken und mehrere Außenlager des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora im Harz vor den heranrückenden amerikanischen Truppen. Bahntransporte brachten von dort Tausende Häftlinge aus den Konzentrationslagern in die Altmark. Ihr Ziel sind andere Lager, die noch unter Kontrolle der SS sind. Doch Luftangriffe zerstörten die Gleise. So auch einige Kilometer vor Gardelegen, in Mieste und Letzlingen. Die Wachmannschaften räumen die Waggons. Sie zwingen die Häftlinge die restlichen Kilometer bis nach Gardelegen zu Fuß zurückzulegen. Unterwegs ermordeten sie diejenigen, die nicht mehr Schritt halten konnten. An Hetzjagden auf Entflohene beteiligten sich auch Jugendliche.

Das Massaker

In Gardelegen werden die KZ-Häftlinge sichtbar für alle durch die Stadt zu einer alten Militärkaserne getrieben. Von dort aus zwangen sie sie am Abend des 13. April 1945 auf einen Fußmarsch zur Isenschnibber Feldscheune am Stadtrand. Unter Beteiligung von Angehörigen der Wehrmacht, des Reichsarbeitsdienstes, des Volkssturms und weiterer Organisationen trieben sie die Häftlinge in die Scheune, verriegelten von außen die Tore und setzten den Innenraum des Gebäudes in Brand. Dafür hatten sie zuvor das Stroh mit Benzin übergossen.Häftlinge, die aus der brennenden Scheune zu fliehen versuchten, wurden erschossen. Nur wenige entkamen diesem gezielt geplanten Massenmord.

Fassungslos

Am folgenden Tag entdeckten die amerikanischen Soldaten den Tatort. Der Brand schwelte noch. Was sie sehen, macht viele fassungslos. Sie verhindern jedoch den Versuch der beteiligten Tätergruppen, der städtischen Feuerwehr und des Technischen Notdienstes, die Spuren des Massenmordes zu beseitigen. Umgehend beginnen sie mit der Dokumentation und leiten erste Ermittlungen ein. Eine Exhumierung durch die Bevölkerung der Stadt wird von ihnen angeordnet.

Unweit der Scheune ließ der amerikanische Oberbefehlshaber einen Friedhof mit Einzelgräbern und weißen Holzkreuzen für die Opfer anlegen. Nur 305 der 1016 Opfer des Massakers konnten identifiziert werden.

Die Bevölkerung der Stadt wurde verpflichtet, die Gräber und das Andenken an die Ermordeten zu pflegen – ein Leben lang. Auf Schändungen der Ruhestätte drohte die alliierte Militärverwaltung Strafen an.

Anfang der 1950er Jahre entstand am historischen Tatort eine städtische Mahn- und Gedenkstätte.  Seit 2015 gehört die Gedenkstätte zur Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt. Heute ist sie ein international wahrgenommener Lern- und Gedenkort mit einer Dauerausstellung. Das Außengelände ist tagsüber frei zugänglich. Die Öffnungszeiten und Informationen der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen findet man auf www.erinnnern.org bzw. https://gedenkstaette-gardelegen.sachsen-anhalt.de/.