Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz

Recherchiert von Brigitte Drizhal anlässlich des Rundgangs Revolution und Widerstand

Das Denkmal am Ballhausplatz von oben

Das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz in Wien am Ballhausplatz, auch “Deserteursdenkmal” genannt, wurde am 24. Oktober 2014 der Öffentlichkeit präsentiert. Es erinnert an Deserteure und andere Verfolgte der NS-Militärgerichtsbarkeit.

Artikel aus “Der Neue Mahnruf” von 1994

Die nationalsozialistische Militärjustiz verhängte während des Zweiten Weltkrieges mehr als 30.000 Todesurteile: gegen Soldaten, Kriegsgefangene sowie Zivilistinnen und Zivilisten, vor allem aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten in ganz Europa. Die meisten Todesurteile ergingen gegen Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“. Viele tausend weitere Soldaten starben nach kriegsgerichtlichen Urteilen in sogenannten Bewährungseinheiten an der Front (z.B. in Hammerfest in Nord-Norwegen).

Nach Kriegsende wurden die Überlebenden dieser Verfolgung in Österreich diskriminiert. Erst ab der Jahrtausendwende setzte sich die Erkenntnis durch, dass sich die nationalsozialistische Militärjustiz bedingungslos in den Dienst einer verbrecherischen Kriegsführung gestellt hatte. Im Jahr 2009 rehabilitierte der Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen die Opfer der Verfolgung durch die Wehrmachtsgerichte und erkannte insbesondere Desertation »als bewusste Nichtteilnahme am Krieg an der Seite des nationalsozialistischen Unrechtsregimes« als Akt des Widerstandes an.

Infotafel beim Denkmal

Das Denkmal wurde vom deutschen Künstler Olaf Nicolai entworfen. Auf der obersten von drei Stufen ist die Inschrift “all alone”, ein Zitat des schottischen Lyrikers Ian Hamilton Finlay, durch verzinkte Stahlbuchstaben in den Beton eingelassen. Olaf Nicolai erklärte dazu:

“Dieses Denkmal erweist denjenigen Respekt, die eine eigene Entscheidung treffen, sich der Fremdbestimmung widersetzen und sich durch ihr eigenständiges Handeln gegen das geltende System stellen. Die Bedeutung der persönlichen Entscheidung Dissident zu sein, dieses aktive Moment, darin liegt für mich die Aktualität. Aus dieser Perspektive habe ich das überdimensionale, liegende X mit einer Inschrift auf der obersten Ebene konzipiert. Was geschieht mit demjenigen, der auf den dreistufigen Sockel steigt, um die Inschrift zu lesen? ‘all alone’ ist ein Text im Stil der experimentellen Konkreten Poesie – die nicht nur für eine kritische und engagierte Haltung einsteht, sondern besonders mit der Stadt Wien verbunden ist. Die Inschrift zeigt – im wahrsten Sinn des Wortes – die angedeutete Spannung zwischen Einzelnem und Gemeinschaft. Es geht um die Beziehung zu sich selbst, das ‘alone’, die Bereitschaft, allein für etwas einzustehen. Den Text liest man nun an einem Ort, an dem man von Institutionen des Staates umgeben ist. Die Frage nach der eigenen Position ist somit als eine sich immer wieder stellende, unmittelbar und konkret erfahrbar.”

Ein Symbol dafür, dass die Vergangenheit Herausforderung für die Gegenwart ist.


2023 – Die Kaserne in Klagenfurt hat einen neuen Namensgeber – Richard Wadani als Namensgeber wurde vom Verteidigungsministerium als zuwenig qualifiziert betrachtet.

1939 ist Richard Wadani mit nur 17 Jahren in die Wehrmacht eingezogen worden. Er kommt aus einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie. Für die Nationalsozialisten will er nicht kämpfen. Da bleibt nur die Frage: „Entweder mit denen zugrunde gehen oder so wie man erzogen wurde, aktiv sein.“ Aktiv-Sein bedeutet für ihn: Desertieren, sobald sich eine Gelegenheit bietet.

Zum Abschied gibt ihm seine Mutter ein weißes Tuch und sagt: „Wenn es soweit ist, dann hast du ein weißes Tuch.“ 1942 versucht er zum ersten Mal aus der Wehrmacht zu entkommen, scheitert dabei aber. Zwei Jahre später wagt er es noch einmal.

Mehr dazu im Artikel – Aktiv sein hatte bedeutet – Desertieren.


Quellenverzeichnis