Hermagor/Šmohor – Orte des (Nicht-) Erinnerns? – 3. Teil – Nationalsozialismus

Wie bereits im Teil 1 beschrieben finden wir viele Heldendenkmäler in Hermagor mit denen sich hier die Geschichte „zurecht gebogen“ wird. Ein ypisches Denkmal dafür ist das Denkmal für Gailtaler Schützen.

Aus dem Gailtal waren 1918/19 rund 200 Soldaten an der Zurückdrängung von SHS-Einheiten1 aus Arnoldstein beteiligt. Aufgrund des Verdienstes der „Gailtaler Schützen“ im  „Kärntner Abwehrkampf“ wurde Hermagor 1930 feierlich zur Stadt erhoben. 

Die Stadterhebungsfeier kam dabei einem Durchbruch des Deutschnationalismus im Gailtal gleich. Der Weg zur Deportation der Gailtaler SlowenInnen wurde bereits zu diesem Zeitpunkt gelegt. Das Denkmal für die „Gailtaler Schützen“ wurde 1929 errichtet und die seit den frühen 1920er Jahren politisch aktiven Gailtaler Nazis wussten den Abwehrkampf recht geschickt in ihre regionale Propaganda einzubauen. 

Die Gailtaler AnhängerInnen der Kärntner Nationalsozialisten traten 1923/1924 erstmals in Erscheinung und äußerten sich demgemäß sofort zum Abwehrkampf als „stolzen und gerechten Sieg gegenüber jugoslawischer Hinterlist und Eroberungssucht“2.

Im April 1938 wurde Hermagor zur sogenannten „Führergemeinde“ erklärt, da es in der gesamten Gemeinde keine einzige Nein-Stimme gegen den Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich gab.

Die Reichs – Arbeits – Dienst (RAD) Lager für Frauen
Alle jungen (deutschen) Frauen mussten während der NS-Zeit den RAD-Dienst leisten. In den Geschlechtervorstellungen der Nazis bestand die Rolle der Frau in erster Linie eine deutsche Mutter zu sein.
Die Mädchen und jungen Frauen wurden im Gailtal während des Krieges

für Arbeiten auf den Äckern, am Hof und bei der Kinderbetreuung eingesetzt, da es hier an männlichen Arbeitskräften fehlte. Im Gailtal überrascht die relativ hohe RAD-Lagern.3

Zwangsarbeit

Zuvor ein kleiber Sidestep zum Thema Arbeit aus meiner Jugendzeit. Unentgeltliche Arbeit hat eine lange Tradition in unserem ach so zivilisierten Kulturkreis. Bei den Habsburgern wurde die Todesstrafe oftmals in Zwangsarbeit auf den Galeeren ungewandelt was wie Todesstrafe war. In meiner Jugend – wir hörten sogenannte „Negermusik“ und hatten lange Haare und kleideten uns nicht so wie die Allgemeinheit, vor allem am Land, es gern hätte, hörte ich öfters „ a kleina Hitler gehört her“, damit die „Langzoderten4 a mal gscheit arbeiten lernan“.

Die Stadt Hermagor war Standort des Betriebes „Haßlacher“, welcher für die Wehrmacht und Luftwaffe Holzbaracken herstellte. In diesem mussten zum Teil auch britische, französische und sowjetische Kriegsgefangene, letztere unter besonders widrigen Umständen, arbeiten. Die Firma5 wurde 1919 vom „revolutionären Nationalsozialisten” und bedeutenden NS- Wirtschaftspolitiker Franz Hasslacher gegründet. Während der NS- Zeit war Hasslacher an der „Arisierung” zahlreicher Betriebe im „Dritten Reich” und an der Rüstung beteiligt. Franz Patterer wurde 1938 mit der Leitung des eng mit der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik verbundenen Rüstungsbetriebes Hasslacher beauftragt.6

In der Kriegszeit wurde das Schützenhaus zum Gefangenenhaus umfunktioniert in dem zehn bis zwanzig Kriegsgefangene untergebracht waren. Es waren Franzosen, die hier bewacht wurden. Die Gefangenen mussten tagsüber bei Handwerkern, Bauern, in Fabriken und bei anderen Professionisten arbeiten, konnten sich also frei bewegen. Sie wurden nach ihren professionellen Fähigkeiten eingesetzt. So arbeitete ein Franzose namens August beim Uhrmacher Gustav Kury, ein anderer uns bekannter Franzose mit Namen „Seppl” beim Fassbinder Patterer, Josef in der Smolli- Mühle, Alex beim Dentisten Hubert Erber.7

1940 wurden 60 gefangene Franzosen nach Waidegg bestellt, um dort am Moos zu arbeiten.
Allein im April 1941 wurden 400 Bauern aus dem Kreis Hermagor zur Wehrmacht eingezogen. Um die Landwirtschaftsproduktion aufrecht zu erhalten, wurden 150 Kriegsgefangene aus dem Stalag Wolfsberg angefordert.8
Im Frühling 1942 wurde durch Baumeister Sommeregger in Hermagor ein Arbeitslager für sowjetische und alliierte Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in der Gegend bei Postran eingerichtet. Die Arbeitr wurden hier für Gleisauswechslungen bis nach Kötschach-Mauthen eingesetzt.

Fest steht, dass Kriegsgefangene zur Zeit des NS-Regimes im Sinne der Rassenideologie nach Herkunft eingestuft und dementsprechend behandeltbwurden. Während die „Genfer Konventionen” für britische ZwangsarbeiterInnen einigermaßen eingehalten wurden, blieben sowjetische ZwangsarbeiterInnen der brutalen Willkür der einheimischen Nazis ausgesetzt. Insgesamt wurden die gefangenen Rotarmisten nach den untrschiedlichsten Weisen ermordet, für medizinische Versuche verwendet, sie starben an Hunger, an Kälte, infolge Erschöpfung und an verschiednen Krankheiten9. Ein sowjetischer Zwangsarbeiter beging am Hasslacher-Gelände aufgrund der Tyrannei eines führenden Gailtaler Nationalsozialisten Selbstmord.

Wieder zurück zu den Gailtaler Schützen.

“Wir stehen wie unsere Berge Wand und werden nicht wanken noch weichen. Es führt nur ein Weg ins Kärntnerland, der Weg über unsere Leichen.”

Der Spruch bezieht sich auf den ersten Weltkrieg, jedoch versuchte die lokale Nazi-Elite 1945 einen erneuten Abwehrkampf zu propagieren und die morbiden NS-Phrasen und Durchhalteparolen zum Endsieg deckten sich dabei wortgleich.10


Entnazifizierung nach 1945?

NS-Frauenschaftsgührerin aus Hermagor zu 13 Monate svhweten Kerher verurteilt11.

Als Überzeugungstäter galten in Hermagor zudem Franz Pansy (NS-Kreiskassen- und Kreispresseleiter), Franz Patterer (Lokaler SD-Leiter und Kreispersonalamtsleiter), Albert Planteu (Funktionär des NS-Lehrerbundes, Kreiswalter, Presseamtsleiter und Kreisschulungssprecher), Alois Seebacher (Kreisamtsleiter für Volksgesundheit),

Josef Spieß (SA-Kämpfer, NSLB-Funktionär) sowie Anton Schmid (Förster beim Holzbetrieb Hasslacher, SS-Kämpfer) und Max Lampersberger (SS- und SD-Mitglied). Sie alle wurden angeklagt und erhielten meist äußerst milde Haftstrafen im Umfang von einigen Monaten.12

Franz Patterer, NSDAP-Mitglied, betätigte sich als Z(ubringer)-Mann in der Hermagorer Bezirksgruppe der NSDAP, im März 1938 trat er sodann als Bezirksführer, nach der „Machtübernahme“ als Außenstellenleiter, 1939 als Kreisamtsleiter und 1941 als Personalamtsleiter in Erscheinung. Im Bezirk Hermagor nahm er zudem die Funktion als Leiter des denunziatorischen Spitzelsystems SD ein, in der er für Verbrechen gegen die Menschheit (mit-)verantwortlich ist, so u.a. in der Ermordung von zahlreichen Zivilisten (darunter Kinder und Alte) an der italienischen Grenze am Plöckenpass.
4 Zudem wurde er 1946 verdächtigt, die Aussiedelung der slowenischen Familien
im Gailtal veranlasst zu haben.13
Ein Blick in die Hermagorer Nachkriegszeit zeigt, dass sich Franz Patterer nach dem Krieg nicht nur weiterhin führend in der Firma Hasslacher und in Folge seines wirtschaftlichen Ausbaus als Direktor der „Alpine” betätigen und profilieren konnte, sondern auch im örtlichen Vereinsleben hohe gesellschaftliche Achtung und Respekt genoss und seine starken gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten ausübte. In der Hermagorer Chronik von 1969 publizierte er, nach wie vor Ehrenmitglied des Schützenvereins,14 als Oberschützenmeister des Schützenvereins „Mittelgailtal” mit Bezug zum Abwehrkampf folgendes Gedicht: „Das Herz am Fleck, Landfremdes weg, Dem Stutzen zur Hand, Fürs Heimatland, So macht sich nütz, Der Gailtaler Schütz”.

Hermagorer Bürgermeister und ehem. SPÖ- Landtagspräsident Rudolf Tillian einordnen, der 1992 am rechtsextremen Ulrichsbergtreffen sprach und sich später vor SPÖ-Bauern offen zur Waffen-SS bekannt hatte. In 6 Historikerkreisen wird dieses im Raum Hermagor noch heute allseits präsente Phänomen als die Zweite Schuld” bezeichnet. Es waren v.a. aus dem Nationalsozialismus belastete دو Personen, die ihren bequemen Platz in der Kärntner Landes- und in der Hermagorer Ortsgeschichte beanspruchten durch die politische Macht des Verschweigens, Verdrängens und Verleugnens von Vergangenheit auf der einen Seite, sowie durch die Festschreibung der hehren Gefühle und „Ideale” der Kriegsveteranen und -heimkehrer, wie Mut, Tapferkeit, Treue und Ehre auf der anderen Seite. Deren unaufhörlicher Verweis auf den Kärntner Abwehrkampf versucht dabei seit jeher die deutschnationale Aggressivität gegenüber der slowenisch-sprachigen Bevölkerung zu legitimieren oder gar zu fördern.15
Tillian erhielt zahlreiche Ehrungen, darunter das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich, den Kärntner Landesorden in Gold, den Ehrenring und die Ehrenbürgerschaft der Stadtgemeinde Hermagor, die Ehrenpräsidentschaft des Kärntner Gemeindebundes, die Ehrenmitgliedschaft des Österreichischen Gemeindebundes und den Berufstitel Ökonomierat (ÖR)16.

Der braune Sumpf von damals zeigt Auswirkungen bis heute

Quellenverzeichnis:

  1. Der Staat der Slowenen, Kroaten und Serben, umgangssprachlich auch SHS-Staat genannt, war ein De-facto-Staat in Mittel- und Südosteuropa, der vom 29. Oktober bis zum 1. Dezember 1918 auf dem Gebiet der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie bestand. ↩︎
  2. Verein Erinnern Gailtal – Die erinnerungskulturelle Schräglage im Bezirk Hermagor/Šmohor – Seite 2 ↩︎
  3. Orte des Erinnerns? Hermagor/Smohor, Begleitbroschüre des Vereins Erinnern Gailtal (Hg.), Ehem. RAD-Maidenlager Hermagor ↩︎
  4. Ausdruck für lange Haare ↩︎
  5. Die Rolle der Betriebe in Österreich siehe dazu im Artikel des Standard vom 21. Jänner 2019, Österreichs Unternehmer in NS-Zeit: “Die meisten spielten mit↩︎
  6. Verein Erinnern Gailtal – Die erinnerungskulturelle Schräglage im Bezirk Hermagor/Šmohor ↩︎
  7. Text aus der Info-Tafel beim Schützenhaus. ↩︎
  8. Ausgelöschte Namen – Die Opfer des Nationalsozialismus im und aus dem Gailtal, Bernhard Gitschtaler, Otto Müller Verlag, 2015 Salzburg-Wien, ISBN: 978-3-7013-1234-4, Seite 206 ff ↩︎
  9. Bernhard Gitschtaler zitiert in seinem Buch aus dem Essay von Helge Stromberger – Das Sterben der Rotarmisten in Kärnten. ↩︎
  10. Aus der Beschreibung des Adventure Lab ↩︎
  11. Digitales Archiv der Nationalbibliothek, Volkswille am 9. Februar 1947, Seite 5 ↩︎
  12. Entnazifierung und Demokratisierung im Gailtal, März 2016 (Update: Mai/Juni 2020), Daniel Jamritsch ↩︎
  13. Die erinnerungskulturelle Schräglage im Bezirk Hermagor/Šmohor, Artikel von Daniel Jamritsch. ↩︎
  14. Gailtaler Journal – 133 Jahre Schützenverein „Mittelgailtal Hermagor“ am 7. Oktober 2022 ↩︎
  15. Die erinnerungskulturelle Schräglage im Bezirk Hermagor/Šmohor, Artikel von Daniel Jamritsch ↩︎
  16. Wikipedia – Rudolf Tillian ↩︎

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert