Ein Informationstipp von Elisabeth Luif für unsere Studienreise mit dem Thema – Geschichten der Burgenland Roma und Romnija – von 15. bis 16. Oktober 2022.
„Einfach weg!“
Verschwundene Roma-Siedlungen im Burgenland von Gerhard Baumgartner , Herbert Brettl
ISBN: 9783700321873 , 414 Seiten, erschienen September 2020
Bis zu ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten bestanden auf dem Gebiet des Burgenlandes über 120 Roma-Siedlungen, deren historische Wurzeln in zahlreichen Fällen bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Im Rahmen dieses Buchprojektes wurde das Schicksal ihrer BewohnerInnen, insbesondere die Verfolgung und Zerstörung zwischen 1938 und 1945 und die Situation in der Nachkriegszeit, dokumentiert.
Wir starten unsere Studienreise im Haus der Geschichte in Mattersburg. Georg Luif wird uns einen Einstieg in das Thema “Zur Zwangsarbeit im Nationalsozialismus” geben.
Auf der Homepage ROMA2020 gibt es eine Auflistung von Orten. Hier ein Auszug von Orten, die wir während der Studienreise besuchen.
Mattersburg
Im Jahr 1873 lebte nur eine Romafamilie in Mattersburg, der Schmied Michael Sarkosy und sein Frau Maria Karoly. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts siedelten sich mehr Rom_nija im Ort an. Die Geburtenrate stieg bis in die 1920er bzw. 1930er Jahre an, sodass in Mattersburg die größte Romasiedlung im Bezirk entstand. 1925 lebten 41 Rom_nija im Ort. Das Schicksal der Mattersburger Roma im Zweiten Weltkrieg war tragisch, ähnlich wie in den anderen Orten des Burgenlandes auch: 1939 begannen die Verhaftungen, viele Roma wurden nach Dachau und später in andere Konzentrationslager verschleppt, Romnija wurden ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. „Zahlreiche Roma aus Mattersburg fielen den Deportationen ins ‚Zigeunerlager Litzmannstadt‘ in Lodz 1941 und ins ‚Zigeunerlager Auschwitz-Birkenau‘ 1943 zum Opfer.“[21]
Nach dem Krieg kehrten nur wenige Rom_nija nach Mattersburg zurück. 2007 errichtete die Gemeinde ein Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Rom_nija aus Mattersburg und Walbersdorf.
Lackenbach
Zwischen den Jahren 1879 und 1886 wurden in Lackenbach jährlich Geburten von Rom_nija Kindern verzeichnet. Die Siedlung, die in der Zwischenkriegszeit entstand, bestand aus zwei bis drei Hütten, in denen zwischen 1925 und 1936 zwischen 15 und 16 Rom_nija lebten. Über die Zeit des Nationalsozialismus notiert Herbert Brettl folgendes:
„Über den genauen Ablauf der Deportationen der Roma aus Lackenbach gibt es keine gesicherten Informationen. Die Roma aus der Siedlung wurden sowohl ins 1940 errichtete ‚Zigeunerlager Lackenbach‘ als auch in verschiedene Konzentrationslager verschleppt. Die in Lackenbach geborenen und lebenden Otto, Gertrude, Margarethe, Gisela, und Elfriede Opposich, die aber nach Neckenmarkt und Großwarasdorf zuständig waren, fanden während des Holocausts ihren Tod.“
Nach dem Kriegsende kehrten nur wenige Rom_nija in ihre Heimatgemeinde zurück. Im Jahr 1982/83 gaben 5 Personen in Lackenbach an, dass sie zur Volksgruppe der Rom_nija gehören. 1984 wurde die erste Gedenkstätte in Österreich für die im Nationalsozialismus ermordeten Rom_nija und Sinti_zze enthüllt.
Langental
In Langental siedelten sich die ersten Rom_nija im 19. Jahrhundert an. Im Jahr 1873 wurden im Ort sieben Romafamilien, bestehend aus 35 Personen, erfasst. In Langental lebten die Rom_nija nicht segregiert am Ortsrand, sondern in ortsüblichen Wohnungen der Landarbeiter im Ort.
„Die weitgehende soziale und wirtschaftliche Integration in die Ortsbevölkerung könnte erklären, warum im Rahmen der ungarischen Volkszählungen die Roma von Langental nicht als ‚Zigeuner‘ ausgewiesen wurden.“[19]
Eine Volkszählung von 1933 beziffert, die im Ort lebenden Rom_nija mit 187 Personen, das entsprach einem Bevölkerungsanteil von 15 Prozent. Im Jahr 1938, nach dem „Anschluss“ wurde ein Schulbesuchsverbot für Rom_nija Kinder ausgesprochen und den Rom_nija das Wahlrecht entzogen. Dafür verantwortlich war der NS-Landeshauptmann Tobias Portschy. Zahlreiche Rom_nija wurden zwischen 1938 und 1939 als Zwangsarbeiter auf Großbaustellen und in verschiedene Konzentrationslager verschleppt. Nach dem Krieg kehrten 77 in Langental geborene Rom_nija in ihre Heimatgemeinde zurück. Die lokale Polizeibehörde erhielt kurz nach dem Krieg, genaue Informationen über die Überlebenden, ihr Schicksal in den Konzentrationslagern und den Verbleib ihrer Verwandten, teilten all dies aber den Langentaler Rom_nija nicht mit. Somit lebten diese in jahrelanger Ungewissheit, ob ihre Verwandten überlebt hatten oder nicht. Die Häuser, in die sie zurückkehren wollten, wurden von anderen bewohnt – sie kämpften Jahre um Opferfürsorgeleistungen und Haftentschädigung. Als diese endlich ausgezahlt wurde, waren viele Bezugsberechtigte bereits verstorben.
Weppersdorf
Aus dem Jahr 1890 gibt es die ersten Aufzeichnungen über die Geburten von Romakindern im Dorf. Bis 1914 entstand eine Romasiedlung am Ortsrand von Weppersdorf und bis 1936 stieg die Anzahl der dort lebenden Rom_nija auf 24. Gleich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ereigneten sich die ersten Übergriffe auf die Weppersdorfer Rom_nija. Ab 1939 wurde alle Roma nach Dachau und dann weiter nach Buchenwald oder Mauthausen verschleppt und mussten Zwangsarbeit verrichten. Nur wenige Monate später wurden alle Romnija in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert. Auch sie mussten Zwangsarbeit leisten. Nur wenige überlebten den Nationalsozialismus, einige kehrten nach Kriegsende nach Weppersdorf zurück. Ende der 1950er Jahre verließen die meisten Rom_nija Weppersdorf, um sich in Oberpullendorf und Langental anzusiedeln.
Gottlieber Grabenhofer, Abgeordneter zum Burgenländischen Landtag (Landbund- und Bauernbundfunktionär)
Auszug aus der Rede der 7. Sitzung des burgenländischen ständischen Landtages vom 21. Dezember 1934 (Digitales Archiv der Österr. Nationalbibliothek, Oberwarther Sonntags-Zeitung, 21. April 1935, Seite 3.