Anlässlich des Internationalen Frauentages und eines Stadtspaziergangs für die GPA-Bildungsabteilung holen wir zwei wichtige GPA-Frauenvorsitzende vor den Vorhang. Unseren Beitrag zu Valerie Kittel von 2014 haben wir mit zusätzlichen Unterlagen ergänzt. Lore Hostasch, wie sie von ihren Gewerkschaftskolleg:innen genannt wird, war vielfach die erste Frau in Spitzenpositionen der Arbeiter:innenbewegung. Das zentrale Motto ihres Handels ist:
„Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen“

Nach Abschluss der Handelsakademie begann die Bankangestellte Eleonora “Lore” Hostasch 1962 ihre berufliche Laufbahn bei der BAWAG, wo sie von 1975 bis 1994 Zentralbetriebsrats-vorsitzende war.
1987 wurde Eleonora Hostasch Mitglied des Wiener Gemeinderates und Abgeordnete zum Wiener Landtag, außerdem Mitglied des Bezirksparteivorstandes der SPÖ-Favoriten, des Landespartei-vorstandes der SPÖ-Wien und des Bundesparteivorstandes.
Von 1989 bis 1994 war Hostasch Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, von 1991 bis 1995 Vizepräsidentin des ÖGB, von 1994 bis 1997 Präsidentin der Bundesarbeitskammer und der Wiener Kammer für Arbeiter und Angestellte.
Von 1989 bis 1994, von 1996 bis 1997 und von 1999 bis 2000 gehörte Eleonora Hostasch dem Nationalrat an; von 1997 bis 2000 war sie als Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Mitglied der Regierung Klima.1
Hostasch kam im Juli 1944 während des Zweiten Weltkriegs auf die Welt. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt, er war an der französischen Front gefallen. Sie lebte mit ihrer alleinverdienenden Mutter und ihrer kranken Oma in einer Zimmer-Küche-Wohnung, WC und Wasser am Gang. Geld war immer knapp. So zog die Oma sie auf der Rodel zur Volksschule und später ging sie zu Fuß zur Handelsakademie, um das Fahrgeld zu sparen.2
Betriebsrät:in der BAWAG
Hostasch erinnert sich, wie sie für den Betriebsrat geworben wurde: „Die Betriebsratsvorsitzende mit dem Spitznamen „Tante Murli“ trat an mich heran und sagte: ‚Ich will, dass du in den Betriebsrat kommst‘. Ich antwortete, was tut ein Betriebsrat. Sie sagte: ‚Frag‘ nicht, tu, du wirst schon sehen‘.“ Aus der Betriebsrätin wurde schnell die Betriebsrats- und Zentralbetriebsratsvorsitzende (1975).
1962 ihre Berufslaufbahn bei der BAWAG. Dort war sie von 1975 bis 1994 Vorsitzende des Zentralbetriebsrats3.
1989 Erste Gewerkschaftsvorsitzende in Österreich4

Nach dem tragischen Tod Dallingers in Folge eines Flugzeugabsturzes übernahm Lore Hostasch das Amt der GPA-Vorsitzenden (1989 bis 1994). Ihre Erinnerungen dazu:
„Ich schluckte. Dallinger war eine starke Persönlichkeit gewesen. Ich war Betriebsrätin und ehrenamtlich in der Gewerkschaft tätig. Andererseits dachte ich mir, ich kann nicht immer mehr Frauen in höheren Positionen fordern und dann sage ich Nein5.“
Frau Arbeiterkammerpräsidentin
In der Arbeiterkammer wurde Hostasch 1979 zur Wiener Kammerrätin gewählt; von 1989 bis 1997 war sie auch Präsidentin der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (AK Wien) und der Bundesarbeitskammer (BAK).6
So wie zwei gute Fußballer durch einen gelungen Doppelpaß Erfolge erzielen, so könnte man auch das Zusammenspiel von Arbeiterkammer und Gewerkschaft sehen.7
Das „Erste-Frau-sein“ gelang Hostasch auch in der Arbeiterkammer. Sie folgte Heinz Vogler nach. Nun lagen auf ihrem Schreibtisch neue Herausforderungen, etwa die Forderung nach einer Urabstimmung über die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer. Hostasch war gegen die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft und die Ergebnisse der Abstimmung gaben ihr recht.8
Ihr Reformwerk als Sozialministerin
In nur drei Jahren schafft das Sozialministerium unter ihrer Leitung viele Durchbrüche: das Lehrlingspaket (1997), wie etwa die finanzielle Erleichterung für ausbildende Betriebe, Maßnahmen für mehr Lehrstellen, das Arbeitslose dazu verdienen dürfen oder die Verabschiedung des Sanitätergesetzes, der Bildungskarenz und der Pensionsreform.9

Das kostenfreie Impfprogramm des Bundes, der Bundesländer und der Sozialversicherung, in weiterer Folge „kostenfreies Impfprogramm“ genannt, wurde vor mehr als 25 Jahren von der damaligen Bundesministerin Lore Hostasch ins Leben gerufen. Ziel war und ist es, allen in Österreich lebenden Kindern bis zum Ende der Schulpflicht Zugang zu den für die öffentliche Gesundheit wichtigen Impfungen zu ermöglichen, ohne dass dafür den Erziehungsberechtigten Kosten erwachsen10.

Man muss mit den Menschen sprechen, als PolitikerIn auf kommunaler Ebene, im Betrieb mit den MitarbeiterInnen. So erkennt man die Bedürfnisse der Leute und lernt, die sogenannten kleinen Probleme ernst zu nehmen. Dann muss man sich mit der Politik vernetzen und versuchen in den Gesetzen oder den Kollektivverträgen Veränderungen zu manifestieren. Die Gewerkschaften spielen hier eine zentrale Rolle.11

Am Währinger Frauenweg ist ihr als Sozialministerin eine Station gewidmet.
Sie schuf den nationalen Aktionsplan für Beschäftigung und setzte die erste Initiative zur sozialrechtlichen Absicherung pflegender Angehöriger.
2013 gibt Lore Hostasch in einem Interview Einblick in ihre Lebensgeschichte.
Quellenverzeichnis
- Das rote Wien, Elonora Hostasch ↩︎
- Marliese Mendel, 9. Juli 2024, Gewerkschaftsgeschichte, Von der kaufmännischen Angestellten zur Gewerkschaftsvorsitzenden, Arbeiterkammerpräsidentin und Sozialministerin ↩︎
- Wikipedia Eleonora Hostasch ↩︎
- Foto aus der Geschichte der GPA ↩︎
- Marliese Mendel, wie oben ↩︎
- Austria-Forum ↩︎
- Mit diesem Beispiel beschrieb die neugewählte AK-Präsidentin Lore Hostsch, Ende 1994 Aufgabenteilung und Zusammenarbeit zwischen der gesetzlichen Arbeitnehmer:inneninteressenvertretung und der Gewerkschaftsorganisation, Fritz Klenner, Brigitte Pellar, die Österr. Gewerkschaftsbewegung, 2. Auflage 1999, Verlag des ÖGB, ISBN 3-7035-0765-9, Seite 868 ↩︎
- Marliese Mendel, siehe oben ↩︎
- Marliese Mendel, siehe oben ↩︎
- Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK),
Stubenring 1, 1010 Wien, Impfplan 2024/2025 ↩︎ - Kompetenz, Mitgliederzeitschrift der GPA, 8. März 2019 ↩︎