Während unseres Besuchs in Salzburg entdeckten wir bei unseren Rundgängen einige Stolpersteine. Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Mit Gedenktafeln will er an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt,
Franz Nachtnepel
Geboren 24.10.1902 in Wien
Gestorben 15.4.1945 in Linz1
wurde vermutlich aufgrund einer Denunziation wegen seiner sexuellen Orientierung verhaftet. Er wohnte 1942 in einem Hotel in Salzburg. Franz NACHTNEPEL wurde am 5. März 1943 vom Landesgericht Salzburg nach Hessen in das
Strafgefangenenlager Rodgau (Lager II Rollwald) deportiert und nach Verbüßung seiner Strafe am 9. September 1943 wieder nach Salzburg in das Polizeigefängnis überstellt, wo er aber vermutlich nicht freigelassen wurde und ein weiteres Verfahren zu erwarten hatte.2
Am 23. April 1944 transportierte ihn die Kripo Salzburg in das KZ Dachau, wo er in „Polizeiliche Sicherungsverwahrung“ genommen wurde und die Nummer 67.043 erhielt. Von dort aus kam er am 17. August 1944 weiter in das KZ Mauthausen, wo er die Nummer 90.016 BV erhielt. Dort, im Außenkommando Linz III, starb Franz Nachtnepel am 15. April 1945 um 7.00 Uhr im Alter von 42 Jahren. Er starb angeblich an „Kreislaufschwäche bei Lungenentzündung“, tatsächlich dürfte die Todesursache aber in den Strapazen der jahrelangen Haft und Zwangsarbeit und der andauernden Unterversorgung im KZ zu finden sein.
Zu seinem Andenken wurde am 19. August 2016 am Universitätsplatz Nr. 3 ein Stolperstein verlegt3.
Antisemitismus, also der pauschale Hass auf Jüdinnen und Juden, ist nach wie vor weit verbreitet, auch in Salzburg. Das zeigen Daten der Polizei: Die Anzeigen wegen Antisemitismus-Vorfällen verdreifachten sich in den vergangenen zwei Jahren. Vor Monaten schoss ein 18-Jähriger aus Salzburg mehrfach auf das israelische Konsulat in München. Beiden Fällen ist das Motiv des Antisemitismus gemein. In Salzburg kommt es zwar nicht oft zu Anzeigen in Bezug auf Antisemitismus, aber auch hier stieg die Zahl der Delikte in den vergangenen zwei Jahren von drei auf neun.4
Das Ehepaar Adele und Friedrich PASCH heiratete am 11. Februar 1906 in der Linzer Synagoge und hatten zwei in Salzburg geborene Kinder.
Friedrich PASCH führte seit 1901 ein Schuhgeschäft in Salzburg, zunächst am Makartplatz, seit 1912 im großräumigen Eckhaus Dreifaltigkeitsgasse 20, Paris-Lodron-Straße 2. Es war das größte Schuhhaus der Stadt Salzburg mit rund 20 Arbeitskräften und seine Filialen in Linz, Wels und Braunau am Inn.
Ihr florierendes »jüdisches« Schuhhaus stand seit den 1920er-Jahren auf einer Boykott-Liste, die der Salzburger Antisemitenbund5 publizierte – mit dem Ziel, die wirtschaftliche Existenz aller Jüdinnen und Juden zu vernichten und sie mittellos aus ihren Lebensorten zu vertreiben.
Adele, Hans und Grete PASCH führten ihr Schuhhaus6 samt Filialen bis zu ihrer Enteignung durch das NS- Regime im Jahr 1938.
Die Profiteure der »Arisierungen« in Salzburg und Linz haben Namen: Georg Matthis und Josef Fischer, Friedrich Oelsinger und Emmerich Müller.7
Am 22. Juli 1934 starb Friedrich PASCH 62-jährig. Die 60-jährige Witwe Adele PASCH8, ihre 30-jährige Tochter Grete und ihr 31-jähriger Sohn Hans wurden beraubt und vertrieben. Nach Kriegsende, dem Sieg über das nationalsozialistische Regime, erhielten Adele, Grete, Hans und Hilda PASCH die US-Bürgerschaft.
Im Jahr 1948 wurde die Linzer Immobilie Landstraße 54-56 an Adele, Grete und Hans PASCH restituiert, jedoch nicht ihr in Salzburg und andernorts geraubtes mobiles Vermögen.
Die Familie HASLAUER, die in Salzburg, Getreidegasse 33, 3. Stock, wohnte, bekannte sich zu der schon in Österreich verbotenen Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas (Bibelforscher), die unter dem NS-Regime insbesondere wegen ihrer Verweigerung des Kriegsdienstes verfolgte wurde.9
Die Zeugen Jehovas in Salzburg versammeln sich im Kaltenhauser Keller.
Ab 193510 wird jegliche Betätigung für die Zeugen Jehovas verboten und somit auch das öffentliche Versammeln. Daraufhin dient auch die Wohnung der Familie Haslauer in der Getreidegasse dem Treffen von Salzburger Zeugen Jehovas11.
Am 9. bzw. 10. November wird Marie Haslauer zusammen mit ihrem Mann, ihrer Tochter und weiteren Zeugen Jehovas aus Salzburg wegen „Betätigung für die Internationale Bibelforschervereinigung (IBV)“ von der Gestapo verhaftet und in das Polizeigefängnis Salzburg eingeliefert.
Johann HASLAUER, geboren am 5. Jänner 1890 in Hallein, Bierbrauer in der Sternbrauerei im Salzburger Stadtteil Riedenburg, wurde anläßlich dieser Verhaftungswelle am 14. Dezember 1939 ins KZ Sachsenhausen deportiert und am 12. August 1940 im Außenlager Wewelsburg ermordet.1
Seine Ehefrau Marie HASLAUER, geborene Mackinger, geboren am 27. Dezember 1899 in Berndorf (Land Salzburg), und ihre am 16. Mai 1922 geborene Tochter Antonia wurden ebenfals wegen ihres Glaubens am 10. November 1939 verhaftet und am 28. Dezember 1939 ins Frauen-KZ Ravensbrück deportiert.
Als Marie zusammen mit ihrer 17jährigen Tochter Antonia, die zur Nr. 2797 wird, nach Ravensbrück eingeliefert wird, bilden die Zeuginnen Jehovas mit beinahe 40% aller Häftlingsfrauen die größte Gruppe, die besonders brutal und unbarmherzig behandelt wurden.
Die 42-jährige Mutter wurde – gemeinsam mit rund 100 Zeuginnen Jehovas, die im KZ jegliche Kriegsarbeit verweigerten – im August 1942 von Ravensbrück nach Auschwitz deportiert, dort am 27. September 1942 ermordet (die typhuskranke Frau wurde laut Zeitzeuginnen von Hunden tot gebissen).
Ihre Tochter Antonia Mackinger überstand die Terrorjahre, kehrte nach Salzburg zurück und heiratete hier den ebenfalls wegen seines Glaubens verfolgten Otto Stessun.
Zum Andenken an Johannund Marie Haslauer wurde am 22. August 2008 in der Getreidegasse Nr. 33 ein Stolperstein verlegt12.
Josef Geer
Josef GEER, geboren am 12. März 1887 in Maxglan (seit 1935 ein Stadtteil von Salzburg), war evangelisch, ein Sohn des Ehepaares Maria und Peter Geer, beide Dienstboten und früh verstorben.13
Josef blieb ledig, war Hilfsarbeiter, wechselte oft den Arbeitsplatz in Salzburg und wohnte zuletzt als Untermieter beim Viktualienhändler August Hübl im Haus Getreidegasse 33.
Josef GEER wurde erstmals im Juni 1928 in der Salzburger Landesheilanstalt aufgenommen und war seit April 1934 Pflegling im Schloss Schernberg.
Mit ihrer Verhaftung der couragierten katholische Ordensfrau Anna Bertha KÖNIGSEGG in ihrer Funktion als Visitatorin der Salzburger Ordensprovinz durch die Gestapo am 16. April 1941 verloren die Pflegebedürftigen ihren Schutz. Dank der Mitarbeiterinnen der Ordensfrau konnten dennoch 17 kranke Menschen gerettet werden.
Der 54-jährige Josef GEER befand sich unter den 115 Pfleglingen, die am 21. April 1941 von Schernberg nach Hartheim deportiert und dort ermordet wurden.
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Quellenverzeichnis
- Raum der Namen – die Toten des KZ- Mauthausen ↩︎
- Stolpersteine Salzburg ↩︎
- Salzburgwiki ↩︎
- ORF-Salzburg, 23. November 2024 ↩︎
- Antisemitenbund: Er wurde vom christlichsozialen Politiker Anton Jerzabek (* 1867; † 1939) gegründete antisemitisches Sammelbewegung für Antisemiten aller politischen Richtungen. Das Organ des Bundes, “Der Eiserne Besen” erschien von 1922 bis 1932 in Salzburg. In Diktion und Ausdrucksweise war die Gazette ein Vorläufer des nationalsozialistischen Hetzblattes “Der Stürmer”. ↩︎
- Unten ein Bild vom Schuhhaus in Salzburg – Stadtarchiv Salzburg, Fotoarchiv Franz Krieger ↩︎
- Stolpersteine Salzburg ↩︎
- Foto von Adele, Hans & Grete Pasch vom Stadtarchiv Salzburg ↩︎
- Stolpersteine Salzburg ↩︎
- Bereits im Austrofaschismus wurden Religionsgemeinschaften wie die Zeugen Jehova verboten und verfolgt. ↩︎
- Verein Lila Winkel ↩︎
- Salzburgwiki ↩︎
- Stolpersteine Salzburg ↩︎