Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen

Autorin: Brigitte Drizhal

In der Großstadt Berlin hatten sich in der Weimarer Republik und auch in Wien, erstmals, nach der Verfolgung Homosexueller im Kaiserreich, Ansätze gesellschaftlicher Toleranz gegenüber Homosexuellen entwickelt. Zwar stießen sie nach wie vor auf breite Vorbehalte. Sie konnten sich jedoch in den „Goldenen Zwanzigern“ der Weimarer Republik Freiräume schaffen, in denen sie ihren eigenen Lebensstil entfalten durften. Diese Ansätze wurden nach 1933 zunichte gemacht1.

Die lesbischen und schwulen Lokale Berlins wurden geschlossen. Lokale, Vereine, Verlage sowie Zeitschriften der ersten deutschen Homosexuellen-bewegung2 wurden aufgelöst, verboten, zerschlagen und zerstört.
1935 ordneten die Nationalsozialisten unter Heinrich Himmler die umfassende Kriminalisierung männlicher Homosexualität an. Dazu wurden die im § 175 des Strafgesetzbuches


vorgesehenen Bestimmungen gegen homosexuelles Verhalten erheblich verschärft und ausgeweitet. Bereits ein Kuss unter Männern konnte nun zu Verfolgung führen. § 175 bedeutete Gefängnis oder Zuchthaus3.

„Wenn wir dieses Laster weiter in Deutschland haben, ohne es bekämpfen zu können, dann ist das das Ende Deutschlands, das Ende der germanischen Welt!4“  

Brigitte machte für unseine Einleitung zur Gedenkstätte.

Es gab über 50.000 Verurteilungen. Teilweise konnten die NS-Behörden die Kastration Verurteilter erzwingen. Die SS – Freiheit gegen Kastration – 400 bis 800 Häftlinge wurden so verstümmelt.
Mehrere tausend Schwule wurden wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslager verschleppt. In Konzentrationslagern – wie Dachau bei München – mussten sie zur Kennzeichnung einen Rosa Winkel an der Häftlingskleidung tragen. Ein großer Teil von ihnen überlebte die Lager nicht. Sie starben aufgrund von Hunger, Krankheiten und Misshandlungen oder wurden Opfer gezielter Mordaktionen.

Weibliche Homosexualität wurde – außer im annektierten Österreich – nicht strafrechtlich verfolgt. Sie galt den Nationalsozialisten als weniger bedrohlich. Gerieten lesbische Frauen dennoch in Konflikt mit dem Regime, waren auch sie Repressionen ausgesetzt.

Das Denkmal5 zeigt in einem Fenster einen Film mit einer gleichgeschlechtlichen Liebesszene. Es soll die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus ehren und zugleich »ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen. Es wurde von Michael Elmgreen (Dänemark) und Ingar Dragset (Norwegen) gestaltet und am 27. Mai 2008 feierlich der Öffentlichkeit übergeben6.

Sechzehn Jahre hatten sich die Initiative „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ und der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) für solch einen Gedenkort eingesetzt!7

Am 5. Juni 2023 wurde im Resselpark in Wien das Denkmal ARCUS (Schatten eines Regenbogens) für die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit enthüllt8.

Erst seit 2022 gibt es im ehemaligen Lager Ravensbrück eine Gedenkkugel für verfolgte, getötete lesbische Frauen!

Lange Zeit blieben die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus aus der Gedenkkultur beider deutscher Nachkriegsstaaten ausgeschlossen. Hier wie dort wurden Schwule noch jahrzehntelang strafrechtlich verfolgt. In der Bundesrepublik Deutschland galt der § 175 unverändert bis 1969 fort. Homosexualität unter erwachsenen Personen war in Österreich von 1852 bis 1971 strafbar. In vielen Teilen der Welt ist homosexuelle Liebe noch immer strafbar.

Nach der Befreiung Österreichs wurde niemand von ihnen als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt, niemand fühlte sich für sie zuständig.
Rudolf Kohout, ein österr. Homosexueller war 5 Jahre lang im Konzentrationslager Flossenbürg. Er erreichte als erster Häftling kurz vor seinem Tod 1994 die Anrechnung der KZ-Haft auf die Pension. Erst das Nationalfondsgesetz brachte 1995 erstmals die generelle Anerkennung. Erst 2005, als wohl niemand der verfolgten Männer und Frauen mehr lebte, wurden sie in das Opferfürsorgegesetz aufgenommen. 

Zum Denkmal

In der Deutung durch Elmgreen & Dragset sollte ein Denkmal nicht statisch sein und als endgültige Aussage begriffen werden, sondern einen lebendigen Charakter aufweisen und dynamischen Veränderungen unterliegen. Die zwei Künstler haben – wie so oft in ihren Arbeiten – ihre ästhetischen Vorstellungen eng an die unmittelbare Umgebung des Denkmals angelehnt. In diesem Falle übernimmt ihre skulpturale Umsetzung die formale Gestaltung des Holocaust-Mahnmals auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Doch die dreidimensionale Form der Eisenmanschen Stelen wird bei Elmgreen & Dragset durch ein zusätzliches Element ergänzt: Der Betrachter kann durch ein kleines, quadratisches Fenster einen Film anschauen, in dem sich zwei Männer umarmen und endlos küssen. Durch den eindeutigen Bezug auf das Holocaust-Mahnmal scheint das Denkmal auszudrücken, dass wir als Menschen zwar alle gleich sind, uns aber dennoch voneinander unterscheiden. Hierin besteht die Herausforderung unserer Toleranz und Akzeptanz.


Quellenangaben

  1. Topographie des Terrors – Eine Dokumentation, S 235, ISBN 978-3-941772-23-6 ↩︎
  2. Zeitschrift “Die Freundin” – Blogseite – Die Besonderheiten des Gegenlichts – Dienstag, 16. Juni 2015, Berlin; Wo Gay begann ↩︎
  3. https://www.stiftung-denkmal.de/denkmaeler/denkmal-fuer-die-im-nationalsozialismus-verfolgten-homosexuellen/ ↩︎
  4. (Heinrich Himmler, 1937 – Rede vor den Gruppenführern der SS 18.12.1937) ↩︎
  5. Fotos vom Denkmal sind von Brigitte und Werner Drizhal (Oktober 2023 und Mai 2024) ↩︎
  6. https://www.stiftung-denkmal.de/denkmaeler/denkmal-fuer-die-im-nationalsozialismus-verfolgten-homosexuellen/ ↩︎
  7. https://www.lsvd.de/de/ct/816-Berlin-Denkmal-fuer-die-im-Nationalsozialismus-verfolgten-Homosexuellen ↩︎
  8. https://www.wien.gv.at/menschen/queer/wettbewerb-denkmal/index.html ↩︎