14 tote Arbeiter beim Streik im Hafen von Triest

1902 erlebte Triest den ersten und zugleich schwersten Arbeiteraufstand. Unter den Seeleuten stellten die Heizer auf Dampfschiffen jene Kategorie dar, die unter unmenschlichen Bedingungen ihren Dienst versahen1. Streikten zunächst nur die Schiffsheizer, schlossen sich später auch Tausende aus der Triestiner Arbeiterschaft an. Insgesamt 10.000 Arbeiter befanden sich im Streik, als es am 14. Februar 1902 zu blutigen Zusammenstößen mit Ordnungskräften kam.

Forderungen der Arbeiter im Hafen waren:

  • Abschaffung des zweistündigen Corvéedienstes (Dienst zur See nach der Wache),
  • Reduzierung der Arbeitszeit im Hafen um 2,5 Stunden auf 8 Stunden und
  • Abschaffung der Vorschrift, dass bei allen im Hafen liegenden Schiffen die Hälfte der Mannschaft an Bord bleiben muss.2

Militär gegen streikende Arbeiter – typisch Habsburger-Administration

Ein Oberleutnant ließ die Soldaten mit dem Bajonnett gegen die Menge losgehen. Dadurch wurde die ohnehin erregte Stimmung natürlich nicht beruhigt, und es flogen Steine gegen die Soldaten. Von einem Stein getroffen sank der Oberleutnant zu Boden. Dann feuerten die Soldaten eine Salve gegen die Menge ab, die nun schreiend auseinanderstob. Wer den Befehl zum Schießen gegeben hat, ist nicht ganz sicher. Es wird behauptet, daß der Unteroffizier, als den Oberleutnant zu Boden fallen sah, den Befehl gab. Jedenfalls ist sicher, daß vorher die Menge nicht aufgefordert wurde, auseinanderzugehen, daß nicht zuerst in die Luft geschossen wurde, wie es gewöhnlich in solchen Fällen geschieht.
Die erste Salve hatte furchtbare Folgen: Ein Dutzend Personen wälzten sich in ihrem Blute. Fünf waren sofort todt, und drei starben als man sie ins Spital transportierte. Zugleich feuerte auch eine zweite Truppe von Soldaten auf die Menge, die so zwischen zwei Feuern war. Am Fenster eines Hauses stand ein Mädchen, als sie plötzlich von einer Kugel in die Stirne getroffen niedersank. Im Postgebäude wurde ein Postbeamter , der eben bei der Arbeit war, von einer Kugel getötet.

Arbeiterzeitung am 16. Februar 19023

Die Ereignisse in Triest – die Marine stellt die Streikbrecher und das Militär schießt die Arbeiter nieder

Anfang Februar 1902

Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Heizer durch Überarbeit in den Ruhepausen. Sechs Heizer weigerten sich unter diesen Arbeitsbedingungen abzufahren. Daraufhin schiffte Lloyd mit sechs ungeprüften türkische Heizern ein, obwohl das Gesetz vorschreibt, dass nur geprüfte Heizer eingeschifft werden können. Ein gewähltes Comitè der Heizer wurde von der Direktion des Österreichischen Lloyd abgewiesen.
Dadurch sind 200 Heizer in Streik getreten.

4. Februar 1902

Die Heizer der gestern eingelaufenen Lloyddampfer “Selene” und “Aglaja” sowie jene des heute angekommenen Lloyddampfers “Bosnia” haben sich dem Streik angeschlossen. Ein teilweiser Ersatz wurde durch Heizer der Kriegsmarine gewonnen, die aus Fiume und Pola herangezogen wurden.4

7. Februar 1902

Die Heizer der eingetroffenen Lloyddampfer “Thetis”, “Vorwärts” und “Gilesta” haben sich dem Streik angeschlossen.5
Lloyd holt Streikbrecher aus der Kriegsmarine und aus Patras griechische und türkische Heizer.6

10. Februar 1902

Auch die Heizer der Lloyddampfer Helios und Vindobona haben sich dem Streik angeschlossen. Lloyd setzt auch Streikbrecher aus Venedig ein. Die Heizer der Kriegsmarine sollen durch Heizer aus Griechenland und Italien ersetzt werden.7

13. Februar 1902

Ausrufung des Generalstreiks – es wird keine Zeitung erscheinen, der Eisenbahn- und Tramwayverkehr wird eingestellt werden und das Gaswerk wird feiern.8 Die Arbeiter im Freihafen und die Arbeiter in den Lagerhäusern schließen sich dem Streik an.

14. Februar 1902

  • Demonstration von 30.000 Arbeiter*innen – sie kommen vom Korso zum Eingang des großen Platzes, wo ihnen das Militär den Weg versperrt. Nahezu eine Stunde verhandelten sie mit dem Oberleutnant Köppl, dass sie nicht Übles vorhätten. Durch andere Nebengassen gelangten die DemonstrantInnen auf den großen Platz. Die weiteren Ereignisse siehe oben.
  • “Mit welchem Recht hat man den Arbeitern verboten, auf die Piazza Grande zu kommen?”
  • 22 Schwerverletzte
  • 67 Verhaftungen
  • In den Nachtstunden sterben 4 Verletzten an den Schussverletzungen.

15. Februar 1902

  • Die Habsburg Regierung verhängt über die Stadt Triest und Gebiet den Ausnahmezustand und droht mit der Verhängung des Standrechts und dem Einsatz des Militär. Einschränkung des Vereinswesen, der Presse, Verschärfung des Ausweisungsrechtes werden zusätzlich beschlossen. 9
  • SPÖ sendet Unterstützung – Vormittags kommen die Genossen Ellenbogen und Hueber aus der SPÖ-Wien zu den Vertrauenspersonen in Triest
  • Demokratieverweigerung des Habsburger Statthalter – Ellenbogen und Hueber treffen den Statthalter, damit das Militär zurückgezogen wird. Der Statthalter verweigert eine Versammlung, sondern genehmigte nur eine Besprechung der Vertrauensmänner.
  • Trauerkundgebung – mittags werden an den Fenstern schwarze Fahnen und Tücher aufgehängt. Es wird gefordert, dass dies allgemein geschehe. Jene, die sich weigern, werden die Fenster mit Steinen zerschlagen.
  • Sämtliche Gast- und Kaffeehäuser bleiben geschlossen.
  • Polizeidirektion plakatiert das derzeit geltende Versammlungsverbot, das tragen von Waffen ist strengstens verboten, die Bevölkerung wird zur Ruhe ermahnt.
  • Bürgermeisteramt – es verweist auf das zusammentretende Schiedsgericht und ermahnt zur Ruhe.
  • Verletzte Arbeiter – 4 Uhr nachmittags kommt es wieder Zusammenstößen von Militär und Arbeitern. Durch Schusswaffengebrauch des Militär werden drei Personen getötet, eine Person schwer, drei Personen leicht verletzt..
  • Der Stadtrat beschließt: 1. einen Protest an das Ministerium zu richten; 2.die Freilassung sämtlicher Verhafteter zu verlangen; 3. die Begräbniskosten für die Gefallenen zu tragen; 4. zehntausend Kronen für die hinterbliebenen der gestern Gefallenen zu spenden.
  • Erfolge der Streikenden – um 5 Uhr nachmittags berichtet, dass das Schiedsgericht (Vertreter der Arbeiter die Genossen Ucekar, Oliva und Chiussi) zwischen Lloyd und Streikenden sich für die Annahme der Forderungen Heizer ausgesprochen hat.
  • Einstellung des Eisenbahnverkehrs der Südbahn und Einstellung der Börse
  • Proklamation an die Arbeiterschaft:10
  • Abends herrscht wieder Ruhe in der Stadt, allerdings nach wie vor ziehen Militärpatroullien durch die Stadt.
  • Gegen 8 Uhr abends wird ein Sicherheitswachinspektor durch zwei Revolverschüsse getötet. Der Attentäter ist entkommen.

Zeitungsartikel aus der Arbeiterzeitung dieser Tage


Quellenverzeichnis:

  1. Marineverband – Der Aufstand der Heizer des Österreichischen Lloyd in Triest 1902 ↩︎
  2. Österreichischer Lloyd – Wikipedia ↩︎
  3. Digitales Archiv der Nationalbibliothek, Arbeiterzeitung vom 16. Februar 1902 ↩︎
  4. Digitales Archiv der Nationalbibliothek, Arbeiterzeitung vom 5. Februar 1902 ↩︎
  5. Digitales Archiv der Nationalbibliothek, Ostdeutsche Rundschau vom 7. Februar 1902 ↩︎
  6. Digitales Archiv der Nationalbibliothek, Arbeiterwille vom 9. Februar 1902 ↩︎
  7. Digitales Archiv der Nationalbibliothek, Grazer Volksblatt vom 11. Februar 1902 ↩︎
  8. Digitales Archiv der Nationalbibliothek Arbeiterzeitung vom 14. Februar 1902 ↩︎
  9. Bild ist vom Artikel des Marineverbands ↩︎
  10. wie 2 ↩︎