Spinnerin am Kreuz

Brigitte Drizhal beschreibt diese Station unseres Rundgang “Arbeiten und Leben am Wienerberg“.

Die Gegend des heutigen Bezirks Favoriten war bereits zur Römerzeit besiedelt. Viele Funde im heutigen Unterlaa weisen darauf hin. Alte Ziegel, Urnen, Tongefäße, und entlang der Triester Straße auch Meilensteine. Schon damals wurden am Wienerberg Tonwaren hergestellt. Die Triester Straße war eine der wichtigsten römischen Straßen und wurde von Händlern, Reisenden und römischen Truppen benutzt. Später wurde diese Straße über den Wienerberg zur Fernhandelsstraße nach Kärnten, Triest und Venedig. Sie könnte über viele historische Ereignisse erzählen; die Kreuzfahrer nahmen diesen Weg so wie die Ungarn, die Türken und das kaiserliche Heer, aber auch Räuber, die sich raubritterisch bedienten.

Eine Zeugin dieser Zeit liegt am höchsten Punkt des Wienerberger, die Spinnerin am Kreuz. Diese gotische Danksäule, die 1451/52 von Dombaumeister Hans Puchsbaum errichtet wurde, ist das bedeutendste Kunstdenkmal Favoritens. Dort befand sich auch eine der ältesten Richtstätten Wiens, das Hochgericht mit Galgen.1

Schon lange vorher stand an jener Stelle ein Kreuz und dann eine Säule, beide gingen jedoch im Geschehen der Zeiten verloren.2

Ein wahres Gaudium bei Hinrichtungen

Österreichische Nationalbibliothek – digitales Archiv – Deutsche Allgemeine Zeitung, vom 2. März 1852, Seite 4

Zum abschreckenden Beispiel ließ man den Hingerichteten bis zum Sonnenuntergang auf dem Richtpflocke hängen.3

Auf der umliegenden Wiese, der Galgenwiese, sollen ich bis zu 40.000 Menschen gedrängt haben, um die Hinrichtungen aus nächster Nähe beobachten zu können. Dabei machten die Wanderhändler ihre besten Geschäfte und verkauften sogar Galgenbrezel.


1747 wurde der Galgenplatz allerdings auf Befehl von Maria Theresia aufgelassen. Angeblich soll sie der Anblick der dort hängenden Leichen auf ihrer Fahrt zum Schloss Laxenburg zu sehr entsetzt haben. Einige Jahre fanden daher am Rabenstein in der Rossau die Hinrichtungen statt. Aber 1805 wurde auf Drängen der Rossauer Einwohner der Richtplatz wieder auf den Wienerberg zurückverlegt, wo schließlich 1868 die letzte öffentliche Hinrichtung stattfand. Beim späteren Bau der Häuser an der Triester Straße grub man viele Skelette von Gehenkten aus, die immer nahe der Richtstätte begraben wurden.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stand die Spinnerin am Kreuz noch frei und unverbaut auf der Höhe des Wienerberges, sodass man von dort einen hervorragenden Blick auf die Stadt hatte. Das sprach sich bald herum, und viele Armeen versuchten deshalb auch von hier aus, Wien zu erobern.4

Noch um die letzte Jahrhundertwende stand die Denksäule frei und bot schon von weitem einen schönen Anblick. Ihre Umgebung war dagegen mindert schön, entbehrte sie doch jedes landschaftlichen Reizes. Wohin du hier blicktest, gähnte die eine Öde entgegen, die trostlos war. Die Triester Straße, die von der Stadt zur Denksäule bergauf führt, umsäumte kein einziger Baum, sie war immer von einer hohen Staubschicht bedeckt, denn über sie fuhren damals meistens nur mit Ziegel beladene Wagen.5

Die “Spinnerin” wurde 1945 beschädigt, doch bald wieder instandgesetzt (Renovierung durch Anton Endsdorfer 1948). Eine grundlegende Restaurierung (bei gleichzeitiger historischer und materieller Bestandsaufnahme des Denkmals) wurde 1987-1989 durchgeführt.6

Mit der Spinnerin am Kreuz verbinden sich mehrere Sagen. Der bekanntesten zufolge hat eine jungvermählte Frau genau an jener Stelle am Wienerberg, an der sie sich von ihrem Mann verabschiedete, als dieser zu einem Kreuzzug aufbrach, Tag für Tag auf dessen Heimkehr gewartet. Sie vertrieb sich die Zeit und die trüben Gedanken durch Spinnen. Vom Erlös für ihr Gesponnenes und für ein Haus in der Stadt, das sie verkaufte, ließ sie nach zweijähriger Arbeit eine Bildsäule errichten, wo bislang nur ein schlichtes hölzernes Wegkreuz stand. Sie wartete nun bei diesem von ihr gestifteten Bauwerk wiederum Tag für Tag auf Heimkehr ihres Gatten. Der Volksmund hieß die fleißige und treue Gattin bereits “Spinnerin am Kreuz”. Als der Kreuzfahrer endlich nach dreijähriger Abwesenheit heimkehrte, fand das ersehnte Wiedersehen just bei der Bildsäule am Wienerberg statt. Dieser Sage nach hatte der Heimkehrer auch ein neues Gewürz, nämlich den Safran aus dem Orient nach Wien gebracht.7


Quellenverzeichnis

  • 1 Auszug aus dem Buch von Gitte Tonka „Favoriten-Auf den Spuren eines Arbeiterbezirks“
  • 2 Quellen zur Geschichten Nr. 3 – Leopold Breznický: Alt-Fovoriten und andere unveröffentlichte Manuskripte aus dem Besitz des Bezirksmuseums Favoriten
  • 3 Siehe 2
  • 4 Siehe 1
  • 5 Siehe 2
  • 6 https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Spinnerin_am_Kreuz
  • 7 Siehe 6