Lackenbach – an den Rand gedrängt und ein Lager

Ende des 19. Jhdt. siedeln sich die ersten Roma in Lackenbach an. Es gibt Berichte, dass Roma-Kinder im örtlichen Wald oder Steinbruch zur Welt gebracht wurden. Die Eintragung, dass 1884 eine Geburt im “Lager Lackenbach” erfolgt sei, deutet darauf hin, dass es zu dieser Zeit bereits eine Romasiedlung gab.(1) Wie viele Romasiedlungen hatten sie ihre Hütten und Häuser am Ortsrand – an den Rand gedrängt.
Vertreibung, Verfolgung und rigide Kontrollen und grausame Maßnahmen zur Veränderung der Lebensweisen prägten das Leben der Roma. Die Mehrheitbevölkerung wollte mit ihnen nichts zu haben. Diskriminierung im täglichen Leben und auch bei Wohnen. 1936 lebten 20 Roma (weniger als 2 % – Einwohner-Anteil in der Gemeinde) bei der Zeiselmühle zwischen Lackenbach und Lackendorf.

Im November 1940 wurde das Zigeuner-Anhaltelager Lackenbach zur Gefangensetzung und Ausbeutung von Roma durch Zwangsarbeit geschaffen. Es unterstand der Kriminalpolizeileitstelle, von der auch die Beamten der Lagerverwaltung gestellt wurden. Zum Bau wurden jüdische Häuser und sogar der Tempel abgetragen (7). Der Höchststand an Häftlingen in dem Lager betrug über 2300 Personen. Wie in allen Lagern dieser Art kam es hier zu extrem unmenschlicher Behandlung; sanitäre Einrichtungen existierten für die Häftlinge praktisch nicht. Von hier wurden Roma in Konzentrationslager, andere Sammellager (Ghettos) oder Vernichtungslager deportiert. Eine Freilassung war nicht beabsichtigt.(2)

Gedenkstätte zur Erinnerung an das Lager

Herr Adolf Papai, 1931 im mittelburgenländischen Langental geboren, durfte nur eineinhalb Jahre zur Schule gehen, bis er ins Lager in Lackenbach als zehnjähriges Kind gebracht wurde. Sein Vater starb 1941 im KZ-Buchenwald, seine Mutter erlebte die Befreiung aus dem Lager nur wenige Jahre. Sie starb 1949. Er selbst kam 1943 aus dem Lager, weil ein Jäger ihn im Auftrag des Graf Ladislaus Niczky herausgeholt hat.
1944 hat er zwei Reichsmark vom Jäger im Monat bekommen. Die restlichen zehn Reichsmark wurden an die Lagerleitung abgeführt. Als er 16 Reichsmark zusammen hatte ist er nach Oberpullendorf, um sich ein Hemd zu kaufen.

Der (Kaufmann) war ein großer Nazi. Ich wollte das Geld hingeben, es hat – glaube ich – 12 Reichmark gekostet, vier sind mir übrig geblieben. Und er fragt: “Bub, woher bist du?” Und ich habe ja damals nicht Deutsch können, heute kann ich es auch nicht gscheit, aber damals fast gar nicht. Und er fragt: “Bist au aus Langental?” So komisch (im Befehlston) hat er es gesagt. Ich sage: “Ja.” Und weiter sagte er: “Bist du ein Zigeuner?” Und ich habe”ja” gesagt. Und mehr habe ich nicht bebraucht: Der hat mich so geschlagen, bis hinau! Seine Frau ist dann nachgekommen, das Blut ist nur so geronnen, und er hat mich zusammengetreten. Und sie hat zu ihm gesagt: “Du bist ja ein Schwein, dass du das machst! Du bist ein Schwein! Warum machst du das?” Dann sind sie zurück (ins Haus) und ich bin mit dem Hemd nach Hause gegangen. Ich habe es dem Jäger erzählt. “Ja”, hat er gesagt, “da kann man nichts dagegen machen.” (3)

Adolf Papai im Gespräch am 25.1.2011 in Oberpullendorf
Steintafel bei der Gedenkstätte

Sie mussten Leiden und Sterben nur weil sie “Anders” waren

1984 wurde auf dem ehemaligen Areal des Lagers eine Gedenkstätte errichtet. Bei der Diskussion unserer Gruppe über diese Gedenkstätte gab es Bedenken gegen den Text auf der Steintafel. “Sie mussten Leiden und Sterben nur weil sie anders waren.” Über Jahrhunderte wiesen Vorurteile auf dieses “Anders” hin. Anstatt Unterschiede als Bereicherung zu erkennen wurden sie zur Begründung für Vertreibung, Diskriminierung, Freiheitsentzug und Ermorderung verwendet. Der Hinweis auf das “Anders” ist aus meiner Sicht eher eine Bestätigung der Vorurteile und folgt den diskriminierenden Argumenten. Ausserdem die zweite Verwendung des stigmatisierenden Schimpfwortes “Zigeuner” in der fünften Zeile ist eine Beleidigung der Volksgruppe und könnte durch “Roma” ersetzt werden. Bei der Errichtung einer Gedenkstätte kann man von jenen, die das errichten, erwarten, dass sie nicht nur das Ereignis (die Errichtung, Funktion und Bedeutung des Lagers) im Blick haben, sondern auch die gesellschaftlichen Zustände, die es den Nationalsozialisten ermöglichte, ohne nenneswerte größere Widerstände von seiten der Bevölkerung, das Lager errichten zu können. Es war die Mehrheitsbevölkerung, die den Boden dafür aufbereitete.

Elisabeth Luif gibt uns am Beginn einen Input zum Lager

Das Lager wurde im November 1940 bei oder auf dem „Schaflerhof“, Lackenbach, einem ehemaligen esterházyschen Gutshof errichtet. Es unterstand der Kriminalpolizeileitstelle, von der auch die Beamten der Lagerverwaltung gestellt wurden. Die Bedingungen im Lager Lackenbach entsprachen jenen der KZs. Die Zahl der Inhaftierten schwankte normalerweise zwischen 200 und 900. Ein Drittel davon waren Kinder. Durch Masseneinweisungen ab dem Frühjahr 1941 stieg die Zahl bis auf etwa 2000; der Höchststand wurde am 1. November 1941 mit 2335 Personen erreicht. Insgesamt starben zwischen 1940 und 1945 237 Personen im Lager.(4)

Transportzettel für die Beförderung von Oskar Rosenfeld in das Zigeunerlager Lackenbach, 14.2.1944 (6)

Zwangsarbeit und Tod für die Kinder des Lager Lackenbach (6) – ein Auszug

  • 12. Mai 1941 – dem Landwirt Wilhelm Radka in Neudorf 6 wurde die 12jährige Zigeunerin Anna Horvath zum Viehweiden übergeben. Er verpflichtet sich, hiefür 8 RM pro Monat zu zahlen.
  • 19. Juni 1941 – 2 Kinder, welche von der Wiese sich entfernetn, haben in der Ortschaft Lackenbach gebettelt. Steiner und 2 Aufseher wurden in den Einzelraum gebracht. Die Kinder durch 2 Stunden Knien bestraft.
  • 1. Juli 1941 – 10 Kinder nach Unterpullendorf zur Seidenraupenzucht abgegeben.
  • 6. Juli 1941 – 10 Kinder wurden von der Seidenraupenzucht Unterpullendorf zurückgebracht und 2 neue hingeschickt.
  • 29. September 1941 – nachmittags fand in der Leichenkammer des Judenfriedhofs die Leichenöffnung des am 26.9.1941 unter dem -verdacht eines gewaltsames Todes verstorbenen Zigeunerkindes Marie Horvath statt.
  • 5. November 1941 – Horvath Stefan (1940 geb.) um 2 Uhr früh gestorben, Horvath Therese (28.12.197) um 3 früh gestorben, Horvath Raimund (23.3.1941) um 5 früh gestorben.
  • 15. August 1944 – Die in einem städt. Jugendheim in Wien XVI., Rückertgasse 5, untergebrachten Zigeunerkinder Ludwig Mate, 5.3.1938 in Bruck/Mur geboren und Peter Horvath, 14.8.1939 in Wien geboren, werden auf Grund eines Erlasses des reichsminister aus der Heimerziehung herausgenommen und in das dortige Lager (Lackenbach) eingewiesen. Sippenangehörige sind nicht vorhanden.

Ermordung der Kinder mit vergifteter Milch

Viele der Häftlinge wurden von Lackenbach aus in die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager gebracht. Im Herbst 1941 gingen zwei Transporte mit jeweils 1000 Menschen in das Ghetto Lódz, in dem es keine Überlebenden gab, und 1943 begannen die Deportationen in das KZ Auschwitz-Birkenau. Im Lager selber wurden 35-40 Kinder mit vergifteter Milch ermordet.(5)

Grab- und Gedenkstein zu den Opfern des Lagers Lackenbach auf dem Areal des Jüdischen Friedhofs

Weiterführende Literatur

„Zigeunerlager Lackenbach“ Liste der identifizierten Opfer 13.11.2010 – Im Gedenken an den 70. Jahrestag der Errichtung des “Zigeunerlagers Lackenbach“ am 23.11.1940 von Gerhatd Baumgartner, Hrsg.: KANZLEI – Internationaler Verein für Wissenschaft und Kultur

Die vorliegende Publikation umfasst die Namen und Daten von 904 Häftlingen des Lagers Lackenbach, die in den derzeit bekannten historischen Dokumenten nachweisbar sind. Sie stellen nur rund 25 Prozent der gesamten Häftlingspopulation des Lagers dar. Leider sind 75 Prozent der rund 4.000 Häftlinge des Lagers derzeit – mangels der bei Kriegsende ver- nichteten Dokumente und aufgrund ausständiger weiterer Forschungsarbeiten – noch nicht namentlich identifizierbar.
Die Schreibweise der Namen sowie Angaben zu Geburts- und Sterbedaten wurden un- verändert aus den historischen Dokumenten übernommen und können vielfach von den offiziellen Personaldaten der betroffenen Opfer abweichen.


Quellenverzeichnis

  • (1) Gerhard Baumgartner, Herbert Brettl – “Einfach Weg!” Verschwundene Romasiedlungen im Burgenland, 2020 new academic press, Wien, Hamburg, ISBN 978-3-7003-2187-3, Seite 186
  • (2) Wikipedia
  • (3) amari historija, Burgenländer erzählen – eine Zeitzeugendokumentation von Roma-Service, 2011, ISBN: 978-3-200-02430-4, Seite 31
  • (4) Wikipedia
  • (5) Zukunft braucht Erinnerung, Cornelia Sulzbacher, 2004, Das „Zigeunerlager“ Lackenbach im österreichischen Burgenland
  • (6) Widerstand und Verfolgung im Burgenland 1934-1945, Hrsg.: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Österreichischer Bundesverlag, Wien – Jugend und Volk Verlagsges.m.b.H, Wien, 2. Auflage Wien 1983, ISBN 3-215-02259-1, 266ff und Seite im Bildteil hinten.
  • (7) Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Lackenbach an das Landesgendarmeriekommando Burgenland für das “Rot-Weiss-Rot-Buch” am 29.5.1946. – in (6) Seite 274