Oder das Leben in einer trichterförmigen Hölle, wie Dante sie beschrieben hatte.
Bekannt ist Matera für seine Altstadt, die zu einem erheblichen Teil aus Höhlensiedlungen – den Sassi – besteht. Erstmals sehen wir die Höhlen von einer Aussichtsplattform am gegenüberliegenden Berghang.
Während unserer Italientour liest Brigitte das Buch von Carlo Levis Erinnerungsbuch Christus kam nur bis Eboli (1944). Die Schilderungen im Buch machten die katastrophalen hygienischen Zustände weltbekannt.
Wir besuchten bei unserem Rundgang die “Casa Grotta nei Sassi“, eine historische Sehenswürdigkeit mit nachgebauter Höhlenwohnung sowie alten Möbeln, Werkzeugen und Artefakten.
Das Haus in vico Solitario bei der San Pietro Caveoso Kirche ist eine typische Felsenwohnung mit Möbeln und Werkzeugen aus jener Epoche, die es den Besuchern ermöglicht, sich das Familienleben in den Häusern der “Sassi” vorzustellen.
Hier lebte eine achtköpfige Familie gemeinsam mit Hühnern, Schwein und Esel in einem Raum einer Höhle. Dieses furchtbare Leid, das diese Menschen dabei ertragen mussten zieht heute tausende Menschen als Tourist*innen an. Wieder türmen sich Fragen in meinem Kopf auf. Wer waren die Profiteure dieser Armut? Unmittelbar neben diesen Stätten der totalen Armut prachtvolle und prunkvolle Kirchen. Wie war es um die Kirche und ihre Ideale bestellt angesichts dieses Elends?
Unter den lokalen Adeligen kam es immer wieder zu Rivalitäten, Machtkämpfen und Revolten; so wurde 1514 der neapolitanische Graf Giancarlo Tramontano bei einem Aufstand der Materaner getötet.
Napoleon verschärfte 1806 die soziale Situation der Bauern. Die Bauern, die das Land bearbeiteten, durften nicht mehr auf diesem mit ihren Familien wohnen und mussten sich daher in Matera eine Unterkunft suchen. Der massive Zuzug nach Matera führte zu einer Verknappung des Wohnraumes. So wurden Grotten, die bis dahin als Lager oder Weinkeller dienten, als Unterkünfte für die Familien der Bauern und Landarbeiter ausgebaut. Die hygienischen und Lebensbedingungen in diesen Grotten (vorwiegend im Sasso Caveoso) waren wesentlich schlechter als in den bis dahin bewohnten Grotten).
Martin Bach schreibt in seinem Blogeintrag:
Matera versank in Armut. Bauernfamilien bewohnten die wenige Quadratmeter großen Höhlenräume zusammen mit Eseln, Schweinen und Hühnern. Als die Neuzeit in Süditalien im 20. Jahrhundert Einzug hielt und Elektrizität und fließendes Wasser brachte, wurde Matera vergessen.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt am 12. September 1943 nach dem italienischen Waffenstillstand mit den Alliierten von deutschen Truppen besetzt. Am 21. September erhob sich die Bevölkerung gegen die Besatzungstruppen, dabei wurden 26 Einwohner Materas von Angehörigen des Fallschirm-Jäger-Regiment 1 getötet.
Mitte des 20. Jahrhunderts galt es als Kulturschande, dass in Italien Menschen immer noch in Höhlen ohne Strom und fließendes Wasser lebten. 1948 lebten in 3300 Räumen 15.000 Menschen, als die Stadt von der Malaria heimgesucht wurde.
Das hygienische Problem war erst dadurch entstanden, dass die hohe Bevölkerungsdichte und Wohnungsnot hatte dazu geführt hatten, dass das Abwassersystem, das in den Fluss führte, zugemauert worden war und das Abwasser nicht mehr genügend abtransportiert wurde.
Dadurch wurde auch das Wassersystem durch Ungeziefer verschmutzt. Das führte in Matera zu Malaria und anderen Krankheiten, wodurch die Kindersterblichkeit bis auf 44 % stieg.
Die Altstadt von Matera wurde in den 1950er Jahren evakuiert und die Bevölkerung in eilig errichteten Plattenbauten am Stadtrand untergebracht.