Stolpersteine in Graz

Aus dem Sausal kommend besuchten wir Graz für einige Tage. Herrliche, sonnige Herbsttage im Oktober tauchten die Stadt in die kräftigen Farben des „Indian Summer“. Mit dem grünen Linien der Grazer Verkehrsbetriebe fuhren wir von Bad Straßgang zum Jakominiplatz im Zentrum von Graz.
In Graz gibt es über 200 Stolpersteine und als begeisterte Geocacher*innen und Geschichtsinteressierte widmeten wir uns einem Projekt, das uns „doppelt“ interessierte. Ein/e Cacher/in namens „epikurios“ hat einen Adventure Lab durch die Grazer Innenstadt zu den Stolpersteinen gestaltet. Dabei wurden fünf Orte mit Stolpersteinen herausgegriffen, um das mittlerweile weltweit zum größten Mahnmal entwickelt Gedenkvorhaben der Cachercommunity näher zu bringen. Für mich ein gelungenes Projekt, das zeigt wie man Geschichte und Hobby miteinander vereinbaren kann.

Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln, sogenannten Stolpersteinen, soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Dr. David Herzog – Landesrabbiner von Steiermark und Kärnten

Gedenktafel in der Radetzkystrasse 8

Bereits unmittelbar nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich im März 1938 kam es zur Verhaftung von David Herzog, seine Wohnung wurde durchsucht und geplündert. Kurze Zeit später verlor er die Lehrbefugnis auf der Universität. Insgesamt verbrachte er sechs Tage in Gestapohaft, die für ihn eine schwere seelische Prüfung darstellten. Auch sein Sohn Friedrich Herzog verlor seine Anstellung als Untersuchungs- und Strafrichter in Korneuburg, worauf er nach Graz zurückkehrte, um seinen Eltern in Anbetracht der Schikanen und Boshaftigkeiten beizustehen.

Stolpersteine in der Radetzkystrasse 8

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 erreichten die Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung ihren bisherigen Höhepunkt. Bewaffnete SA-Truppen zerrten Rabbiner Herzog aus seinem Haus und trieben ihn bis vor den Tempel, der von NS-Schergen angezündet worden war. Danach folgten ein mehrstündiges Martyrium und schwere körperliche Misshandlungen.
Zum Gedenken an dieses Matyrium wählte die Künstlerin Catrin Bolt in ihrem Vorschlag für ein zeitgenössisches Mahnmal das Medium Schrift. Der Bericht von David Herzog wird von ihr entlang jener Strecke, die er zu Fuß durch die Stadt getrieben wurde – ausgehend von seinem damaligen Wohnort in der Radetzkystraße 8 bis zum Griesplatz – als Lauftext auf den Gehsteigen aufgetragen. Der Weg führt von der Radezkystraße 8 über den Grieskai, der Rosenkranzgasse, Kleegasse und Brückenkopfgasse bis zum Griesplatz. Dieses Mahnmal wird am 11. November wieder eröffnet.

Neutorgasse 6-8

Die quadratischen Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten sind mit von Hand mittels Hammer und Schlagbuchstaben eingeschlagenen Lettern beschriftet und werden von einem angegossenen Betonwürfel mit einer Kantenlänge von 96×96 und einer Höhe von 100 Millimetern getragen. Sie werden meist vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in das Pflaster bzw. den Belag des jeweiligen Gehwegs eingelassen.

Die Familie bestand aus den Eltern Robert (auch Rachmil) und Rejla Feiga (Felizitas Feige) Silberstein und den Kindern Amalie (Melanie), geboren im August 1919, Otmar (Otto), geboren im April 1921, und Samuel, geboren im Mai 1924 in Graz. Alle drei Kinder besuchten die jüdische Volksschule am Grieskai.

Foto von Othmar Silberstein zeigt Amalie Silberstein

Die Familie Silberstein lebte seit dem Juli 1935 in der Neutorgasse 8 im ersten Stock. Im Erdgeschoss befand sich das Kleidergeschäft mit Adresse Neutorgasse 6-8 und Marburgerkai 5. Geworben wurde mit dem Werbespruch „Wer ist billig? Robert Silberstein“. Das Schicksal der Familie Silberstein ist hier zum Nachlesen.

Rosa Dicker war Schneiderin und Inhaberin eines Geschäfts für Damenmode in der Albrechtgasse 4. Im Herbst 1938 wurde auch ihr Geschäft unter „kommissarische Verwaltung“ gestellt. Bis Mitte Mai 1939 lebte sie noch in der Sackstraße 21, bevor sie wahrscheinlich unfreiwillig ausziehen musste und in die Herrengasse 1. umzog. Mitte Juli 1939 erfolgte laut Meldezettel die Abmeldung nach Wien, wo sie im Juni 1942 in der Seegasse im 9. Wiener Gemeindebezirk Alsergrund lebte. Am 20. Juni 1942 wurde wie nach Theresienstadt deportiert und von dort am 23. September 1942 ins Todeslager Treblinka verschleppt.


Mehr Informationen dazu


„Ich habe das nicht verstanden“
Es war ihre Rettung vor den Nationalsozialisten: „Ich habe gesehen, wie meine Mutter bei der Abfahrt am Bahnhof geweint hat. Ich habe das nicht verstanden. Meine Eltern haben gewunken. Ich dachte, das alles sei ein großes Abenteuer“, erzählt Herta Lichtenstein heute, die damals ihre Eltern zum letzten Mal sah: Vater und Mutter flüchteten vor den Nationalsozialisten und kamen 1942 in der Sowjetunion ums Leben; ein Bruder wurde in einem NS-Vernichtungslager ermordet.


33 neue „Stolpersteine“ in Graz – ORF Steiermark

Quellenverzeichnis