“Die Juden waren plötzlich weg. Drei haben sie geköpft, drei aufgehängt und 300 erschossen.”

Merke, es gibt Untaten, über
welche kein Gras wächst.1

Nach einer kurzen Aufwärmpause und einer Stärkung mit Tee oder Kaffee machten wir uns auf den Weg mit Robert durch Krems.

Robert recherchierte für seine Dissertation, als einer der in Krems aufgewachsen ist, Unterlagen und Dokumente für die Zeit zwischen 1938 und 1945 zu bekommen. Wo immer eine Antwort auf die Frage “Was ist geschehen?” zu bekommen war – und das war nicht die Regel – lautete sie in etwa: “Die Juden waren plötzlich weg. Drei haben sie geköpft, drei aufgehängt und 300 erschossen.”
In den 1920er Jahren war Krems neben Gmünd ein Zentrum für österreichische NSDAP-Mitglieder. Die meisten Juden zogen nach Wien, wo es bessere wirtschaftliche Möglichkeiten gab. 1934 gab es 220 Juden in Krems, im März 1938 waren es 116 und im November 65 Juden2.

Der Antisemitismus fiel in Krems, wie in der gesamten Monarchie, auf fruchtbaren Boden. Die Wiener Allgemeine Zeitung vom 13. April 1926 veröffentlichte den nebenstehenden Artikel3.

Zeitzeuge Kurt Hruby merkt an, dass in Krems schon vor dem November 1938 ein „kleiner Pogrom“ stattgefunden habe, als im Zuge der „Sudetenkrise“ die Inneneinrichtung der Synagoge vollständig zerstört worden war – mit dem Argument Sudetenflüchtlinge dort unterbringen zu müssen4. Die Kremser Kultusgemeinde wurde dazu gezwungen, in einen Schenkungsvertrag einzuwilligen, durch den die Synagoge an die Stadt überschrieben wurde, die diese wiederum in ein Flüchtlingslager umfunktionierte.
Zwischen 17. und 18. September 1938 wurde das jüdische Bethaus in Krems in Anwesenheit zahlreicher Schaulustiger „geräumt“.5 Jüdische BürgerInnen wurden von den Beteiligten gedemütigt und aufgefordert, mit Einrichtungs- und Kultgegenständen „Tempel zu hüpfen“. „Fehler“ wurden mit Tritten und Schlägen bedacht.6
Die Schändung des Tempels vorher und die bauliche Situation bewahrte die Synagoge im November 1938 in der Pogromnacht vor Brandattacken.

Viele aus der jüngeren Generation jüdischer Kremser:innen waren eng mit sozialistischen und kommunistischen Bewegungen verbunden und dadurch in erhöhtem Maße Beobachtung und Verfolgung ausgesetzt. Um einen Minjan – die zehn erwachsenen Männer, die für die Durchführung eines Gottesdiensts notwendig sind – zusammenzustellen, mussten die Söhne des Kantors Samuel Neubauer freitags die jüdischen Haushalte einzeln aufsuchen und persönlich einladen. Seine Söhne Bela und Siegfried, die Mitglieder der Roten Falken waren, protestierten gegen diese Rolle, indem sie einmal im Tempel statt der Tora das Kommunistische Manifest verlasen.7

Der Deserteur Richard Ott wird bei einem Fuchtversuch auf dem Pfarrplatz in Krems erschossen.

Die Hände mit Handschellen gefesselt, einen Verband über der linken Hand, steigt der 20jährige Richard Ott aus dem Auto der Gestapo. Plötzlich reißt er sich Ios, beginnt zu laufen, die Kirche ist vielleicht seine letzte Chance, das Todesurteil ist ihm so gut wie sicher. Zum zweiten Mal von der Wehrmacht desertiert, bereits 1941 als Rädelsführer einer Kommunistenbande bezeichnet. Acht Schuß benötigen die Beamten.
Ein Schuß der Schutzpolizisten trifft, Richard Ott stirbt auf dem Pfarrplatz in Krems, am 4. Februar 1945, um 6:00 Uhr abends.
Mit der Herrschaft der Nazis hatte er sich nie anfreunden können. Bis Ende Juli 1941 arbeitete er als Installateur bei der Firma Haider. Ein Versuch, aus dem Reich zu flüchten, scheiterte8.
Der Wehrmachtshauptmann Franz Hahn brüstete sich später im Wirtshaus: „Den Kommunistenbuam, den hab’ ich erschossen.9

Tischlerei Adler in Krems

Einer der größten jüdischen Gewerbebetriebe in Krems war die Tischlerei von Otto Adler, der seit 1909 in Krems ansässig war‘ und dessen Betrieb sich einerseits auf die Produktion von Stilmöbeln, andererseits auf billige Weichholzmöbel spezialisiert hatte10.

Am 30. Mai 1938 wird die Tischlerei Adler arisiert und vom und Felix Wolf als Vermögensverwalter bestimmt. Dieses Datum trägt die Vollmacht über die kommissarische Verwaltung der Möbelfabrik Otto Adler. Mehr dazu im Buch von Robert….

Zivilcourage ist Menschlichkeit

Der Begriff Zivilcourage stammt aus dem 19. Jahrhundert und erlebt seine Blüte im 20. und 21. Jahrhundert. Nach Gerd Meyer ist „Zivilcourage“ (oder gleichbedeutend sozialer Mut) ein bestimmter Typus sozial verantwortlichen Handelns, keine Eigenschaft einer Person. Zivilcouragiertes Handeln geschieht in Situationen, in denen zentrale Wertüberzeugungen und soziale Normen (z. B. Menschenwürde, Menschenrechte, Gerechtigkeit, friedliche Konfliktaustragung) oder die Integrität einer Person verletzt werden11.


Quellenverzeichnis

  1. Zitat von J.P. Hebel aus dem Buch “Wir haben es gesehen” von Gerhard Schoenberner, Abi Melzer Verlag, Dreieich 1981, ISBN 3-921695-65-1 ↩︎
  2. Geschichte der Juden in Krems – Wikipedia ↩︎
  3. Österreichische Nationalbibliothek, digitales Archiv ↩︎
  4. OEAD – Das Novemberpogrom in Niederösterreich – Die Kremser Synagoge wurde schon zuvor verwüstet,  vgl. Hruby Kurt in: Streibel Robert: Plötzlich waren sie alle weg, Die Juden der „Gauhauptstadt Krems“ und ihre Mitbürger (1992, 2. Aufl.), Picus Verlag, Wien, S. 188 ↩︎
  5. OEAD – siehe oben, vgl. Streibel Robert: Die Stadt Krems im Dritten Reich, Alltagschronik 1938 – 1945 (1993), Picus Verlag, Wien, S. 46 ↩︎
  6. OEAD – siehe oben,  vgl. Streibel Robert (1992, 2. Aufl.), S. 45 ↩︎
  7. Krems macht Geschichte, vom jüdischen Leben ↩︎
  8. Aufzeichnungen Familie Tenhumberg ↩︎
  9. Krems macht Geschichte, Pfarrplatz ↩︎
  10. Das Schicksal der vertriebenen Kremser Juden in Robert Streibel im Buch: Und plötzlich waren sie alle weg – Die Juden der Gauhauptstadt Krems und „ihre“ Mitbürger. – Picus Verlage Wien 1989. (zur Zeit vergriffen), Kapitel: Eine aufgedrängte ‚Arisierung‘? Die Beteiligten, die Täter und das Opfer ↩︎
  11. Die Gerechten – Courage ist eine Frage der Entscheidung – Österreichische Freunde von Yad Vashem ↩︎

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