Geschändet – Zerstört – Vertrieben – Renoviert

Das Schicksal der Jüdischen Friedhöfe in Krems

 „Er war zwar nicht unsinnig fromm, aber man kann schon sagen traditionell eingestellt, und er ging immer zu den Gottesdiensten.“1

Unsere Studiengruppe marschiert nach dem Frühstück zum Jüdischen Friedhof in der Wienerstrasse. Robert Streibel holt sich vom gegenüberliegenden Autohändler den Schlüssel und führt uns in den Friedhof hinein.

Der jüdische Friedhof von Krems wurde 1880/81 eingeweiht2. Nachdem ein älterer Friedhof auf dem Turnerberg bei Krems in der Zwischenkriegszeit mehrmals geschändet worden war, wurde er 1936 geschlossen; die Gebeine der Toten wurden auf den Hauptfriedhof in der Wiener Straße überführt. Der Friedhof beherbergt rund 180 Grabstellen, die letzte Beerdigung fand 1971 statt.3
Heute ist der Friedhof vor allem ein Ort des Erinnerns an eine zerstörte Gemeinde. 1988 wurde er renoviert.

Schwelle der Erinnerung4

„Diese Schwelle“ markiert eine Grenze zwischen Erinnern und Vergessen. Angesichts der Daten und des Schicksals der 129 Juden können die Besucher*innen des Friedhofes nicht zur Tagesordnung übergehen, die Tatsache der Vertreibung und Ermordung der Juden muss zur Kenntnis genommen werden.5

Robert erklärt uns das Mahnmal vom Künstler Hans Kupelwieser im Eingangsbereich des jüdischen Friedhofs. Der Künstler hat 1995 ein 48 m langes Stahlband installiert, in das Namen und Daten von 129 Kremser vertriebenen und verstorbenen Jüd:innen aus Krems eingeschnitten sind.

Kunst im öffentlichen Raum – ein Link zu einem kurzen Film über den Jüdischen Friedhof und das Denkmal

Otto, Pauline, Max und Elfriede AUSPITZ, Körnermarkt 7
Flucht nach Uruguay

Laut Angaben der Tochter’ ist der gesamten Familie die Flucht nach Uruguay geglückt. Max Auspitz arbeitete in Montevideo als Fotograf und war ein „hochgeachtetes und beliebtes Mitglied der österreichischen Kolonie in Uruguay“.

Nach dem Krieg nahmen die Auspitz Verbindung zu ehemaligen Kremsern auf. Oskar Wolter erhielt einen Brief und ein Päckchen. „Es war rührend, nach dem Krieg hat er mir ein kleines Packen geschickt mit Reis drinnen, 1/4 Kilo eingenäht.“ Einmal besuchte Max Auspitz auch Miriam Karpfen in Israel6.

Auf dem jüdischen Friedhof in Krems findet sich ein Grabstein zum Gedenken an die in Polen im Jahre 1944 umgekommenen Angehörigen, die aufgezählt werden:
Regine Schafranek (geb. Löffler) – Rudolf Schafranek – Julie Komjati (geb. Schafrank) – Sandor Komjati (Gatte) – Erzi Komjati (Tochter) – Karl Schafranek – Roszy Schafranek (geb. Weisz, Ehefrau) – Lilly Schafranek (Tochter)

Eine öffentliche Bibliothek am Jüdischen Friedhof

Ein weiteres Kunstwerk am jüdischen Friedhof Krems besteht aus drei Bücherregalen. Die „Öffentliche Bibliothek“ und wurde von dem Künstlerduo Clegg & Guttmann 2004 errichtet.

Film zur Eröffnung der “Öffentlichen Bibliothek” am Jüdischen Friedhof in Krems

Eine öffentliche Bibliothek wider das Vergessen
Während bei der Schwelle von Hans Kupelwieser sogar der Rasenmäher gegen das Vergessen kämpft sind es in der öffentlichen Bibliothek Bücher über das Judentum. Eine sorgsam ausgewählte Sammlung über die jüdische Philosophie und die Geschichte des Judentums steht den FriedhofsbesucherInnen zur Entnahme zur Verfügung.
Vernachlässigte und vergessene Literatur wird am Friedhof wieder in Erinnerung gerufen. Durch das Öffnen der Glastüre und das Lesen der Bücher werden „Geschichten“ wieder lebendig7.

Auch das nicht mehr Sichtbare zeugt vom Verbrechen8

Es wurden Gräber vernichtet, um Platz für die Errichtung von Baracken für französische Kriegsgefangene zu schaffen“. Mindestens zwei Reihen von Gräbern seien „in einer Länge von 50 Metern dem Erdboden gleichgemacht worden“, eine, wie er feststellte, „brutale und erfolgreiche Vernichtung der Geschichte“.


Quellenverzeichnis

  1. Abraham Nemschitz im Interview mit Robert Streibel im Buch: Und plötzlich waren sie alle weg – Die Juden der Gauhauptstadt Krems und „ihre“ Mitbürger. – Picus Verlage Wien 1989. (zur Zeit vergriffen) ↩︎
  2. Kulturzeitschrift DAVID, Ausgabe 110-08/2016 ↩︎
  3. Fonds zur Instandsetzung jüdischer Friedhöfe. ↩︎
  4. Art & Science Krems, By Nina Schedlmayer – 06. Juli 2023 ↩︎
  5. Historiker Robert Streibel über Kupelwiesers Kunstwerk ↩︎
  6. 21. Das Schicksal der vertriebenen Kremser Juden in Robert Streibel im Buch: Und plötzlich waren sie alle weg – Die Juden der Gauhauptstadt Krems und „ihre“ Mitbürger. – Picus Verlage Wien 1989. (zur Zeit vergriffen) ↩︎
  7. Kunst auf dem jüdischen Friedhof in Krems an der Donau – Verfasser: Christoph Klingan
    Jänner 2009 ↩︎
  8. siehe 4 – Robert Streibel in diesem Artikel ↩︎

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