Die Verdichtung der Gewalt – Hadersdorf

Wir treffen uns am Praterstern. Es hat stark abgekühlt und der kalte Wind lässt und frösteln. Zum Frösteln waren auch die Schilderungen von Winfried Garscha bei der Anreise im Bus als Einleitung zur Gedenkfahrt nach Hadersdorf und Stein.
Ich sitze im Bus und eine frühlingshafte, blühende Landschaft zieht an mir vorbei. Winfried schildert die Gräueltaten und ich frage mich was macht den Nachbarn zum Denunzianten, dessen Meldungen eine Menschenjagd auslöst, die mit brutalen, verbrecherischen Erschießungen endet. Wieviel Hass muss aufgestaut sein, wenn man vom Fenster im ersten Stock den NS-Schergen Tipps gibt, wo sich die freigelassenen Menschen vor deren Schießwut verstecken. Eine mörderische Fratze weil die “Herrenrasse” den blutigsten aller Kriege nicht gewinnt oder doch eine über jahrhunderte grausige Gruselmaske, die bei der Jagd gegen die “Anderen”, ob es Jüd:innen, Zwangsarbeiter:innen, Migrant:innen sind, über das freundliche Nachbarngesicht gezogen wird. Wieder ein Akt der Mordlust – nein nicht nur SS, Gestapo und Wehrmacht, sondern die Bevölkerung beteiligte sich am Morden der Menschen. Was denken sich jene, die da nicht mitmachten, womöglich unter Lebensgefahr manche versteckt haben. Werden sie als Held:innen gefeiert? Sind sie Leitfiguren der neuen kommenden Epoche? Wir kennen die schmerzhaften Antworten. Und doch gibt es aufblitzenden Initiativen wie an diesem Sonntag, wo wir der Opfer gedenken.

Gedenkstätte in Hadersdorf

Die Erschießung ist zu Ende, die Kalksäcke sind leer. Die Gruben sind vier weiße Flecken an der Friedhofsmauer, die Schaufel für Schaufel immer mehr miteinander verschwimmen.
In den vier Gruben liegen 61 Männer zwischen 70 und 30 Jahren, Bäckergehilfen neben Eisenbahner, Werkzeugmacher neben Spenglergehilfen, Schuhmacher neben Dreher und Rohrlegern, Griechen neben Kroaten und Wienern, Ottakringer neben Floridsdorfern, Favoritner neben Simmeringern und Hernalsern neben Währingern. Manche von ihnen sind an mehreren Schüssen gestorben, das heißt verblutet. Schädel, Gesicht, Brust und Hals wurde ihnen durchschossen. Herzlähmung oder Hirnzertrümmerung. Einem wurde der Schädel zerschlagen und einer ist an Erschöpfung gestorben, nachdem ihm mehrere Brüche an Händen und Beinen zugefügt waren1.


Am 6. April 1945 ermordeten die Nationalsozialisten im Raum Krems Hunderte Menschen – viele davon auf offener Straße2. Hier in Hadersdorf bei der Gedenkfeier ist auch Christine Pazderka, Tochter des ermordeten Widerstandskämpfers Alois Westermeier dabei. Am 10.8.1942 wurde er von der Gestapo an seinem Arbeitsplatz in einer Waffenfabrik verhaftet. Man hatte ihn beobachtet, als er mit Bleistift „Es lebe die Internationale“ auf die Wand des Firmenklosetts schrieb, und denunziert3.

In der Mitte Christine Pazderka, links von ihr der Bürgermeister von Hadersdorf, rechts Vertreter:innen der Opferverbände

Das künstlerische Rahmenprogramm in Hadersdorf gestalteten Klaus Bergmaier & Angelika Sacher.

Es ist geschehen!
Es kann wieder geschehen!
Es liegt an uns aller Verantwortung, dass es nicht mehr geschieht!

Heute spricht man von “Menschenjagd”

Quellenverzeichnis

  1. April in Stein, Robert Streibel, Residenz Verlag, 2015, Seite186 ff, ISBN 978 3 7017 1649 4 ↩︎
  2. Massaker von Stein: Hunderte Tote an einem Tag – ORF-Niederösterreich am 6.4.2014 ↩︎
  3. der neue Mahnruf, Zeitschrift für Freiheit, Recht und Demokratie, Jahrgang – 1. Quartal 2018, Seite 6 ↩︎

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