Karl Münichreiter (1891-1934)

Karl Münichreiter war einer der bekanntesten Widerstandskämpfer gegen das Regime Dollfuß. Er wurde im Februar 1934 von einem Standgericht zum Tode verurteilt.

Im Bezirk Hietzing gab es am 12. Februar 1934, so wie in vielen anderen Teilen Wiens auch, bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Schutzbündler und der Polizei. Karl Münichreiter, ein arbeitsloser Vater dreier Kinder, fiel schwerverwundet in die Hände der Exekutive. Trotz seiner Verletzungen kam er umgehend vor das Standgericht und wurde auf einer Krankenbahre zum Galgen getragen – gehängt. (1)

Karl Münichreiter wurde am 27.11.1891 als eines von sechs Kindern eines Bäckers in Steinakirchen am Forst (NÖ) geboren und erlernte das Schuhmacherhandwerk. Im Ersten Weltkrieg an der russischen Front wurde er verwundet und zu 45 % invalid. Er arbeitet bis Kriegsende in der Munitionsfabrik Wöllersdorf. (2)

1934 hatte Münichreiter viel freie Zeit, die Arbeiter hatten in jenen Krisenjahren für den Schuhmacher wenig zu tun, und die Bürgerlichen boykottierten ihn seit dem 15. Juli 1927. Wenn ein Arbeiter doch einmal etwas machen ließ, so blieb er es meist schuldig.
Der sozialdemokratischen Partei gehörte er seit 1918 an, dem Schutzbund trat er nach dem 15. Juli 1927 (Brand des Justizpalastes) bei. „Vorher hatte er dort nicht mitmachen wollen, er hatte noch vom Weltkrieg her vom Soldatenspielen genug.“
Am 15. Juli 1927 schloss er sich beim Sammelplatz in der Amalienstraße den Schutzbündlern an und von nun an gehörte er dazu. (3)

Stützpunkt Goldmarkplatz

Seit 1918 wohnte er mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Hietzinger Ortsteil Ober St. Veit in der Meytensgasse 18 in einer Kellerwohnung.
Stützpunkt des Schutzbunds Ober St. Veit war die Kinderfreunde-Baracke am Goldmarkplatz, ein ebenerdiger Holzbau, welcher auch alle anderen sozialdemokratischen Organisationen beherbergte: Roten Falken, eine Leihbücherei, die Naturfreunde, die Sozialdemokratische Arbeiterjugend und eine Abteilung des Hietzinger Schutzbundes. (2)

Der Rote Berg

Münichreiter hatte einen Schrebergarten mit einer kleinen Holzhütte beim Roten Berg, wo sich auch ein Waffenversteck befand. Als am 12. Februar 1934 um 11:46 Uhr in ganz Wien der Strom ausfiel, trafen einander die Hietzinger Schutzbündler an vereinbarten Sammelpunkten. Münichreiter eilte zu seinem Schrebergarten, um mit einigen anderen die dort versteckten Waffen und Munition zu holen. Dann kehrten sie zur Baracke zurück. (2) Auf dem Goldmarkplatz kamen insgesamt 30 Männer zusammen, darunter einie 17- bis 18-jährige, die Ältesten waren 30 bis 40. Und da niemand Verantwortlicher da war, hatte Münichreiter als ältester die „Führung“ übernommen. (3)

Der Kampf am Goldmanplatz beginnt

Als sich etwas später ca. zehn Polizisten näherten, warfen einige junge Schutzbündler die Gewehre weg und liefen davon. Ungefähr eine Stunde dauerte der Kampf, wobei auch Polizisten verletzt wurden. Der Befehl zum Rückzug wurde gegeben. Der Kommandant Georg Meischl begann die Flucht mit der ersten Gruppe. Die zweite Gruppe unter Leitung von Münichreiter wurde beschossen, als sie über den Goldmarkplatz zum Roten Berg lief. Ein Schuss traf Karl Münichreiter, ein anderer Franz Mück. Als sie hinter einem Strohhaufen Deckung suchten und Münichreiter Mück einen Verband am Kopf anlegen wollte, wurde Münichreiter nochmals durch einen Schuss in die rechte Schulter getroffen. Er wurde in das Rochusspital eingeliefert, danach verhaftet und in das Landesgericht II eingeliefert.

Verhaftung und Tod

Neun Mitkämpfer wurden verhaftet und in das Polizeigefangenenhaus Elisabeth-Promenade Rossauer Lände gebracht. Am Vormittag des 14. Februar 1934 wurden sie im Landesgericht II dem Standgericht vorgeführt. Das Verfahren gegen Münichreiters Mitangeklagte wurde an ein ordentliches Gericht verwiesen. An dem ältesten, amtsbekannten Beschuldigten sollte hingegen offenbar ein Exempel statuiert werden.

Münichreiter musste auf einer Tragbahre in den Gerichtssaal gebracht werden, durch seine Schussverletzungen konnte er weder gehen noch stehen. Zwar galten Schwerkranke laut Gesetz als nicht verhandlungsfähig, doch der sachverständige Arzt Dr. Sauer erklärte, dass Münichreiters Verletzungen „nicht als schwerkrank im Sinne des Gesetzes“ anzusehen seien.

Karl Münichreiter wurde des Aufruhrs schuldig erkannt und vom Standgericht zum Tod durch Strang verurteilt. (2)
Seine unglückliche Gattin aber tröstete er mit dem Hinweis, daß er infolge seiner Verwundung ohnedies nie mehr hätte arbeiten können – wahrhaftig ein Proletarierschicksal. (4)

„Ich sterbe keines natürlichen Todes, denn einer muss es ja sein, aber das macht mir nichts aus. Doch das Schwerste für mich ist, dass ich dich mit den Kindern zurücklassen muss.“

Interview mit seiner Frau Leopoldine Münichreiter 1970

Er musste mit einer Tragbahre im Landesgericht I zum Galgen gebracht werden, das Urteil wurde am 14. Februar 1934 vollstreckt.
Laut einem Vermerk im Gerichtsakt erhielt das Bundeskanzleramt über diese Hinrichtung eine telefonische Mitteilung aus dem Landesgericht I: „Todesurteil um 16:45 Uhr vollstreckt, kein Anstand, alles glatt gegangen“. (Staatsanwalt Dr. Höllriegl) (3)

Die Münichreiterstraße im 13. Bezirk ist seit 1946 nach dem Schutzbundkommandanten benannt. 1984 wurde zur Erinnerung an Karl Münichreiter am Goldmarkplatz ein von der SPÖ-Hietzing gestiftetes und von Edmund Reitter gestaltetes Denkmal aufgestellt.

Münichreiters Leiche wurde bei Nacht und Nebel verscharrt . Später konnte sich seine Witwe durchsetzen, dass die Leiche ihres Mannes exhumiert, entsprechend seinem Willen kremiert und die Asche am 9. April 1934 in Abteilung 3, Ring 3, Gruppe 3, Nummer 26 des Urnenhains der Feuerhalle Simmering bestattet wurde. Sein Urnengrab wurde nach der Diktaturzeit von der Stadt Wien ehrenhalber gewidmet. (5)


Quellenangaben: