Wie die 1938 neugegründete Winzergenossenschaft Krems sich durch Arisierung die Kremsersandgrube einverleibt1.
Nach dem Rundgang mit KLarl Reder treffen wir uns mit Robert Streibl zum gemeinsamen Abendessen. Robert teilt mit der Stadt ein bewegtes Historikerleben. Krems, die erste Stadt Österreichs, die einen NSDAP-Bürgermeister hatte, wo Militärtradition vermengt mit traditioneller (rechter) Bürgerlichkeit und Wein wehrt sich gegen die Aufarbeitung der jüdischen Verfolgung und nationalsozialistischer Verbrechen. In diese ideologische Stadtmauer dringt Robert mit der Veröffentlichung von Broschüren und Büchern und zerrt die geschichtlichen Ereignisse in das helle Licht vor die Mauer.



Bernhard Herrman und Robert Streibel auf der Spur der Arisierung der Riede Sandgrube.
Die Denunziationen erleichtern die Arisierung jenes Besitzes, der zur Grundlage der berühmten Winzergenossenschaft Krems wird – ein Begriff für Wein & Kultur weit über die nationalen Grenzen hinaus. Diese Arisierung ist bis heute noch nie Thema der Forschung gewesen. Die Autoren konnten einen Schatz an Dokumenten sicherstellen, mit dem sie eine unglaubliche Geschichte von Verrat und Treue, Liebe und Geschäft, Vernichtung und Verdrängung erzählen2.

Dann ergreift Dr. Mühlwert3 das Wort. Seine Worte greifen direkt nach den Herzen der Zuhörenden: “Uns Deutschen hier in der Wachau… als naturverbundene Menschen… sind die Worte von Blut und Boden nicht leere Phrase!… Uns ist es tiefste Erkenntnis, dass wir ohne diesen deutschen Boden hier nicht leben könnten!” Dann, im Ton rührselig werdend und beschwörend: Es muss wieder Frühling werden! Ja… so haben wir jahrelang gesungen.” Beseligt, fast priesterlich deutet er mit den Händen himmelwärts: “Nun ist der Frühling da, in unserer schönen Wachau!… Das Gewölk ist verscheucht! … Die Sonne scheint, der Himmel blaut, die Wachau jauchzt! … Ein einziges Glückgefühl ist es, dass wir nunmehr Teil des großen Deutschen Reiches geworden sind! In Not und Leid, in Glück und Freude! … Dem Führer sei Dank, Sieg und Heil!”4

79 Jahre später ersuchten die Autorendes Buches die Winzergenossenschaft um eine Stellungnahme:
»Lassen Sie uns endlich damit in Ruhe! Ich will Ruhe, ein für alle Mal! Wir haben darüber nichts zu sagen, ich will mich damit nicht beschäftigen, ich bin ein christlich denkender Mensch, ich habe viel Gutes getan, ich blicke in die Zukunft.
Ich fordere Sie auf, uns in Ruhe zu lassen! Wenn Sie das nicht tun, werden wir unsere Schritte unternehmen! Wir blicken in die Zukunft. Wir sollten selbstbewusster sein, wir Österreicher. Immer schauen wir in die Vergangenheit. Ich weiß, dass alles für rechtens erklärt wurde, und das ist es. Wen interessiert das? Mich nicht. Es ist schon viel, dass ich Sie anrufe. Ich will mich nicht mit Ihnen treffen. Was soll das für einen Sinn haben? Warum? Ich habe dafür keine Zeit. Ich bin 1954 geboren. Wer gibt mir meine beiden Onkel zurück, die im Krieg gefallen sind? Mein Vater ist schwer krank aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekommen, das ist emotional für mich. Es gibt keine Zeitzeugen, die wirklich wissen, wie es gewesen ist, aber ich sage Ihnen, ich werde mit Ihnen nicht sprechen und mich auch nicht mit Ihnen treffen, und kein Mitarbeiter der Winzer Krems wird mit Ihnen sprechen. Ich muss nicht über diese Dinge sprechen, mich interessieren auch keine Tätowierungen, auch wenn viele Menschen heute tätowiert sind. Und wenn ich nichts über die Homosexuellenehe sagen will – bin ich deswegen ein schlechter Mensch? Ich bin kein Politiker, ich muss nichts sagen und ich will nichts sagen. Manche Dinge kann ich nicht ändern, und wenn ein Erdrutsch in Chile ist, so will ich das nicht sehen, denn ich kann nichts tun. Ständig werden wir mit solchen Meldungen bombardiert.5«

Zwei Jahre später: “Konfrontiert mit den dunklen Seiten der Gründungsgeschichte sei man zuerst „nicht diskussionsbereit“ gewesen, räumte Winzer-Krems-Geschäftsführer Franz Ehrenleitner ein: „Zu fern schien das Geschehene, sowohl zeitlich als auch persönlich.“ Später habe sich aber folgender Ansatz manifestiert: „Wer die eigene Geschichte nicht kennt oder gar leugnet, hat auch keine Grundlage, seine Zukunft in Anstand zu meistern.6“
Herzlichen Dank an Robert Streibel für die aufmunternden und berührenden Worte und Schilderungen an diesem Abend.
Quellenverzeichnis
- Bernhard Herrman, Robert Streibel, Der Wein des Vergessens, Residenzverlag, 2018 Wien-Salzburg, 3. Auflage, ISBN 978-3-7017-1696 -8, die Überschrift stammt aus dem Buch Kapitel 16, Seite 126 ↩︎
- Klappentext des Buchs, bestellbar im Residenz Verlag ↩︎
- Dr. Otto Mühlwert war 1938 Kreispropagandaleiter und Obmann des Fremdenverkehrsverbandes ↩︎
- Bild oben aus der Ausstellung https://streibel.at/der-wein-des-vergessens-ausstellung/ – Text Seite 126 ff aus dem Buch “Wein des Vergessens”, siehe 1 ↩︎
- Direktor Franz Ehrenleitner, Geschäftsführer und laut Homepage der Winzer Krems “Denker und Lenker” des Unternehmens, sowie Träger des Ehrenrings der Stadt Krems bei einem Telefonat Anfang August mit einem Autor des Buches, Seite 7 ff. siehe 1 ↩︎
- ORF-science am 3.7.2019 – „Schlussstrich unter das Verdrängen“
Die Winzer Krems haben die Aufarbeitung ihrer Gründungsgeschichte in der NS-Zeit großteils abgeschlossen. Die wesentlichen Erkenntnisse wurden am Mittwoch von der Historikerin Brigitte Bailer-Galanda präsentiert. ↩︎