20.000 Arbeiter*innen im Advent 1869

Die unhaltbaren sozialen und ökonomischen Verhältnisse der Arbeiter:innen waren 1869katastrophal. Je mehr sich die Arbeiter:innenbewegung entwickelte, dest reaktionärer wurde die Regierung. Man erklärte die Arbeiterpartei als “staatsgefährlich” und man griff als Regierung zu immer schikanöseren Mitteln, um die Tätigkeit der Partei zu unterbinden.

Julius Deutsch im Buch – Geschichte der Österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Seite 51

Die Forderung nach einem Koalitionsrecht zur Gründung von Gewerkschaften

Julius Deutsch im Buch – Geschichte der Österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Seite 53

Große Arbeiter*innendemonstration am Paradeplatz

Schon am Morgen sah man zahlreiche Arbeiterscharen bei den Linien aus den Vororten hereinziehen, welche sich theils in Gasthäusern, theils auf bestimmten Plätzen versammelten; um acht Uhr wurde beinahe in allen, größeren Fabriken, namentlich in den Werkstätten der Eisenbahnen zu arbeiten aufgehört und die Arbeiter zogen nun gegen den Paradeplatz. Dort hatten sich um dieselbe Stunde etwa 40. Mitglieder des Arbeiter-Bildungsvereines eingefunden, welchen augenscheinlich die Aufgabe oblag, bei der bevorstehenden Demonstration die Ordnung aufrecht zu erhalten.

Wiener Tagblatt, 14.12.1869

Auf dem damaligen Paradeplatz stehen heute das Parlament und das Rathaus. An der Demonstration nahmen auch Arbeiter*innen aus Wiener Neustadt und Brünn teil. Die Leute standen bis zur Mölker Bastei.

Die Mitglieder der Delegation, die die Forderungen dem Reichsrat überbrachten.

Die Forderung nach Koalitionsfreiheit

An das k. k. Staatsministerium!

Bestimmt durch das entschiedene Auftreten der großen Volksmassen, welche heute am Eröffnungstage des Reichsrathes erschienen sind, um den so oft in Versammlungen und durch Petitionen ausgesprochenen Forderungen Nachdruck zu geben, haben die Unterfertigten beschlossen, das Ministertum zu ersuchen, im Interesse der Wohlfahrt des österreichischen Volkes dahin zu wirken, daß bei Beginn der Reichsrathssession das unbeschränkte Koalitionsrecht bewilligt und das Gesetz über die Zwangsgenossenschaften beseitigt werde;  daß ferner noch im Laufe dieser Session dem Reichsrathe eine Vorlage gemacht werde bezüglich der Herstellung des völlig freien Vereins- und Versammlungsrechtes, – der absoluten Preßfreiheit und der Einführung des gleichen und direkten Wahlrechtes.

Wir unterlassen hiebei nicht, das Ministerium daran zu erinnern, daß das Volk Bürgschaft verlangt für den Frieden und die Freiheit, und zwar die Beseitigung der stehenden Heere und die Einführung der allgemeinen Volksbewaffnung.

Sollten die erwähnten Forderungen in dieser Reichsratssession nicht berücksichtigt werden, so dürfte es möglich sein, daß das Volk wiederholt und in großen Massen erscheint, um seinen Willen kundzugeben.


Die Habsburger veranstalteten noch einen Schauprozess, um die Mitglieder der Delegation wegen Hochverrats anzuklagen.

Gemeinde-Zeitung, 18.Juli 1870

Nach der Beschlussfassung der Koalitionsfreiheit 1870 hob die nächste Regierung die Strafen auf. Das Abgeordnetenhaus nahm die Ausschussvorlage des Reichrats am 7. April 1870 an. Nach dem neuen Recht war es nun erlaubt Forderungen aufzustellen und mit Streik oder Sperre zu drohen. Der § 2 gestattete erstmals

  • Vereinbarungen der Arbeiter welche bezwecken, mittels gemeinschaftlicher Einstellung der Arbeit günstigere Bedingungen zu erzwingen;
  • Vereinbarungen zur Unterstützung der Streikenden;
  • Vereinbarungen zur Benachteiligung derjenigen, die sich von den Verabredungen lossagen.

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