Karitas Skarphéðinsdóttir in der Roten Stadt Isafjördur

Isafjördur war 1890, seit der Zeit von Bezirksamtmann Skúll Thoroddsen, der schließlich 1892 von der dänischen Oberhoheit in Reykjavik vom Dienst suspendiert wurde, und bis weit ins nächste Jahrhundert hinein von erbitterten politischen Kämpfen gekennzeichnet. Anfang des 20. Jhdt. gründeten die Sozialdemokrat:innen, die radikalen Nationalen Liberalen und die Skúll-Anhänger:innen ein Kommitee zur Erreichung der Unabhängigkeit von Dänemark.

Heute eine Stadt mit knapp 2800 Einwohner:innen

Beim Besuch des Fischereimuseum stossen wir auf die „Rote Geschichte“ der Stadt und die bemerkenswerte Lebensgeschichte von Karitas Skarphéðinsdóttir, einer Kommunistin, die für Frauenrechte uns soziale Weiterentwicklung kämpfte. Die war Aktivistin in der örtlichen Gewerkschaft Baldur.

Ich war nie ein Kind

Karitas Skarphéðinsdóttir wurde am 20. Januar 1890 in Ísafjarðardjúp geboren. Sie war die Tochter von Petrina Ásgeirsdóttir aus Látrar in Mjóifjörður und Skarphéðinn Eliasarson aus Carðstažir in Ogursveit. Petrina starb wenige Monate nach der Geburt von Karitas an einer Lungenentzündung. Sharphéðinn wird in der Volkszählung von 1890 als „tómthúsmaður“ (d. h. ein Mann ohne Land) registriert, der von Beruf Fischer war.

Skarphéðinn heiratete vier Jahre später erneut und bekam mit seiner zweiten Frau, Pálina Árnadóttir, fünf Kinder. Karitas wuchs im Großen und Ganzen in der gleichen Welt auf wie die gewöhnlichen Menschen in Island jahrhundertelang, auch wenn das 20. Jahrhundert begann. Der Ort war sehr isoliert und die großen Veränderungen, die in der Welt stattfanden, hatten keinen Einfluss auf den Haushalt. Karitas war trotz ihres jungen Alters und ihres zarten Körpers eine gute Arbeiterin. Bildung hatte keine Priorität und sie gab später an, im Zusammenhang mit ihrer Konfirmation beim Pfarrer ein oder zwei Monate Unterricht in Lesen, Schreiben, Rechnen und Bibelstudium erhalten zu haben.

Mit 17 Jahren wurde sie von ihrem Vater im Tausch mit einem Haus verheiratet

Karitas wurde im Alter von nur 16 Jahren an Magnús Guðmundsson übergeben, und im Gegenzug baute Magnús ihrem Vater ein Haus. Magnús war ein 37-jähriger Witwer, der vier Kinder hatte. Er galt als guter Handwerker und übernahm mehrere Gelegenheitsarbeiten für die Wohlhabenderen der Gegend. Eines Tages erschien Magnús mit einem Ring und sagte zu Karitas: „Jetzt sind wir verlobt, meine Liebe.“

Skarphéðinn war überglücklich über die Verbindung und glaubte, mit diesem Arrangement seiner Tochter eine gute Zukunft gesichert zu haben, da Magnús sowohl ein gutaussehender als auch zuverlässiger Mann war. Aber es ist klar, dass Karitas nicht so empfand und in einem Interview, das sie viel später gab, sagte sie: „Er war ein alter Mann und ich war ein Kind.“

Das dürfte sie mit Magnús sein.

Karítas lebte zwischen 1922 und 1938 in Ísafjörður, als sie in ihrer Blütezeit war. Sie war in Angelegenheiten der Gewerkschaft sehr aktiv, zunächst als Teil des radikaleren Flügels der Sozialdemokratischen Partei – Alþýðuflokkurinn, trat aber der Kommunistischen Partei bei, als diese gegründet wurde. Trotz ihrer begrenzten Ausbildung konnte sie sich sowohl gegenüber Arbeitgebern als auch gegenüber Politikern der Zeit behaupten.

Foto sus dem Fischereimuseum

Wie verknüpften sich die politischen Ereignisse in Ísafjörður mit dem Leben von Karítas?

Karítas bezog bewusst Position zu ihrem Privatleben und zu den äußeren Umständen. Sie beschloss, den Kampf um Veränderungen in die eigene Hand zu nehmen, sowohl in ihrem persönlichen Leben als auch in Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Autoritäten und Institutionen.

Maiaufmarsch

Bei der Hauptversammlung der Gewerkschaft Baldur im Jänner 1931, wo 160 Personen anwesend waren, kandidierte Karitas für einen Stellvertreterposten, zusammen mit Jakobina Gudmundsdôttir, aber sie wurden beide nicht gewählt, ebenso wenig wie die anderen Repräsentanten der Kommunisten. Erstmsls kandidierten Kommunist:innen bei den Vorstandswahlen gegen die Sozialdemokrat:innen. Bei dieser Versammlung wurde Finnur Jónsson zum elften Mal wieder als Vorsitzender gewählt.

Die harte Arbeit der Frauen im Fischereiwesen (Klippfisvhverarbeitung)

Bis 1932 verlief die Zusammenarbeit zwischen den Sozialdemokraten und den Kommunisten bei Baldur ganz akzeptabel. Kommunist:innen wurden ebenso wie Sozialdemokrat:innen in die Ausschüsse der Gewerkschaft gewählt. Nach 1932 verhärtete sich die Haltung der Kommunist:innen gegenüber den Sozialdemokrat:innen und ihre Kritik an den „Gewerkschaftsverrätern“ und „Marionetten des Kapitals“ wird stärker. 1933 findet am 16. Jänner eine Versammlung statt, auf der das Problem Armut eingehender diskutiert wird. Sie wird wegen Kritik an der Gewerkschaftsführung kurzfristig ausgeschlossen. Die Gewerkschaftssatzung sieht diesbezüglich vor:

Artikel 10 der Gewerkschaftssatzung: Die Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft ist für Arbeiter Voraussetzung für eine Anstellung. Allerdings wird dieser Artikel und ihren Genossen, die ebenfalls ausgeschlossen wurden nicht angwendet.

1934 werden in Isafjördur Stadtratswahlen abgehalten. Drei Listen treten an: die Sozialdemokraten, die Konservativen und die Kommunisten. Eggert Porbjarnarson wird als Spitzenkandidat der Kommunisten mit 117 Stimmen in den Stadtrat gewählt.
Die Mitgliedschaft von Karitas Skarphéðinsdóttir  wurde im Mai 1935 gegen 2 Stimmen bestätigt. Ende des Jahres 1935 wurden Halldór und Eyjólfur in geheimer Wahl wieder aufgenommen. Beide Vorschläge wurden mit 116 zu 42 Stimmen angenommen.

Es störte Karitas immer, wie ihre Ehe arrangiert wurde. Sie wurde nie gefragt, was sie wollte, und das löste in ihr Unmut aus, der schließlich zur Scheidung führte. Niemand hat sie jemals streiten oder wütend ihre Stimme erheben sehen. Als sie 1936 beschloss, sich von Magnús scheiden zu lassen, verließ sie das Land stillschweigend.

Sie schickte ihre drei Söhne, Þorstein, Svanberg und Skarphéðni, auf die Seefahrtsschule, und sie wurden alle Kapitäne. Im Bild nebenan ist Þorvaldur Magnússon ihr Stiefsohn, zuletzt Bootsmann für Ingólf Arnarson.

Zwei Jahre nach ihrer Scheidung, im Jahr 1938, verlor Karitas’ Halbbruder, der in Reykjavik lebte, seine Fra und bat Karitas, in den Süden zu kommen, um ihm für eine Weile zu helfen. Karitas stimmte zu, zog nach Reykjavik, um den Sommer bei ihm zu bleiben, und kehrte nie wieder nach Ísafjörður zurück.

Im Bild Karitas

Ihre Enkelin veröffentliche die Glückwünsche der Gewerkschaft Hannibal Valdimarsson zu ihrem achtzigsten Geburtstag am 20. Januar 1970 (aus dem isländischen übersetzt):

Herzliche Glückwünsche zum 80. Geburtstag. Ihr brennender Enthusiasmus, Ihr Sinn für Gerechtigkeit und Ihre Hartnäckigkeit haben Sie zu einem Mitglied der isländischen Arbeiterklasse gemacht, und dort haben Sie jahrzehntelang mit Ehre als Repräsentantin der isländischen Arbeiterinnen gedient. Mögen möglichst viele berufstätige Frauen der Zukunft Ihre Qualitäten, Ihre Ausdauer und Ihren Idealismus erben. Persönlich danke ich Dir für Deinen dominierenden und anregenden Einfluss. Es ist mir eine große Freude, Ihnen die herzlichen Wünsche und den aufrichtigen Dank der Isländischen Volksunion für Ihren Kampf und Ihre Arbeit in der isländischen Gewerkschaftsbewegung zu übermitteln.

Halldór Ólafsson, ihr Weggenosse aus der Arbeiterbewegung, würdigt sie in seinem Nachruf im Þjóðviljinn (Der Volkswille) vom 9. Januar 1973 mit folgenden Worten:

„Man wird Karítas wohl als eine Frau von durchschnittlicher Größe angesehen haben, sie war schlank und behände. Sie achtete stets auf ihre Kleidung und wurde dafür von Lagerarbeitern und anderen verspottet, die fanden, dass einfache Leute kein Recht darauf hätten, anständig angezogen herumzulaufen. Sie gehörte zu den Menschen, die sich ihren Stolz vom Elend nicht nehmen ließen. Sie war wortgewandt und hielt ihre Reden freimütig und couragiert.“ Die Person Karítas Skarphéðinsdóttir hatte ganz offensichtlich kein Interesse an der Rolle einer Episode. Ihre Interaktion mit und Aktivität in ihrem Umfeld hätten ihr eigentlich schon zu Lebzeiten Unsterblichkeit verschaffen und ihr einen dauerhaften Platz auf dem Ziffernblatt der isländischen Geschichte sichern müssen.“