Anläßlich unseres Rundgangs “Arbeiten und Leben am Wienerberg” kommen am Georg Washingten-Hof bei der unten abgebildeten Gedenktafel vorbei. Dazu einige “Hintergründe des damaligen letzten Aufbäumen” der Arbeiter:innenbewegung gegen das Dollfuß-Regime.
Gemeinsam mit Julius Deutsch hatte Otto Bauer von Mittag des 12. bis zum Morgen des 13. Februar versucht, den Kampf zentral zu steuern. Mehrmals hatten die beiden den Standort wechseln müssen.1
Über die dramatischen Stunden im Ahornhof berichtet Rosa Jochmann2:
In welcher Gemütsverfassung war Otto Bauer?
„Er hatte sich zu den Schutzbündlern im Ahornhof in der Siedlung bei der Spinnerin-am-Kreuz begeben. Dort befindet sich noch heute eine Gedenktafel für den 12. Februar 1934. Er wirkte verzweifelt, ratlos und alleingelassen. Auch in dieser Situation blieb Otto Bauer ein wunderbarer Mensch – General war er keiner.“
Konntest du mit Otto Bauer über sicherlich dringend notwendige Aktivitäten sprechen?
„Ich fragte ihn, ob wir irgendwelche Flugblätter hätten, da immer wieder junge Leute mit Fahrrädern kamen und von uns Instruktionen verlangten, sie wollten irgendwie aktiv werden. Wir hatten aber nichts zum Austeilen.“ Wann verließ Otto Bauer den Ahornhof?
In der Nacht von Montag auf Dienstag sind schon ringsherum Leuchtraketen aufgestiegen, und uns wurde gemeldet: „Die Soldaten sind schon ganz nahe und finden bald heraus, wo sich der Parteivorstand aufhält!“
Da ging ich zu Bauer und sagte ihm: „Jetzt müssen Sie unbedingt weg von hier.“ In den Zeitungen stand später, daß Otto Bauer mit einer Million über die Grenze geflüchtet sei. Das war eine riesige Unwahrheit. Er hatte überhaupt kein Geld. Bauer wollte und wollte nicht aufbrechen, wir sprachen alle auf ihn ein. Endlich erhob er sich doch, und ich konnte ihn zur Kellertüre eines Siedlungshauses führen und ihm den Weg aus der Siedlung zeigen. Wir haben uns verabschiedet und noch verschiedenes besprochen. Bauer ging dann zu Josef Pleyl, der es übernommen hatte, ihn kurz darauf in die Tschechoslowakei zu bringen.
Bauer selbst äußerte sich später immer nur sehr allgemein über seine Flucht. Wir wissen, dass er – verkleidet als Marktgeher oder auch Schlosser – von der Wohnung, in der er die Nacht über gewesen war, am Vormittag des 13. Februar nach Hietzing in die Nähe der tschechoslowakischen Gesandtschaft gebracht wurde. Deren Chef, der Sozialdemokrat Zdenek Fierlinger, organisierte die Flucht.
Quellenverzeichnis
- 1 Kurt Bauer, Der Februar Aufstand 1934, Fakten und Mythen, Böhlau Verlag, 2019, Seite 118, ISBN 978-3-205-23229-2
- 2 Herbert Exenberger, Helge Zoitl – Februar 1934 in Wien, Verlag der SPÖ, Wien 1984, Seiten 13 und 14