Ein verdörrter Kranz, kurze graue Säulen mit einem roten Stern, die mit eissernen Ketten einen rechteckigen Platz umranden. Ein Mahnmal mit einer Gedenksäule mit Namen und Wörtern in kyrillischer Schrift und einem Roten Stern oben auf, wo die rote Farbe bereits zum Abblättern beginnt. Trotzdem zieht einem das Denkmal beim Betreten des Friedhofs in Inzersdorf beim Blick nach rechts in seinen Bann.
Ich erinnere mich an ein Gespräch als junger Präsenzdiener, als ein alter Offizier stolz erklärte, dass er bei der Verteidigung Wiens dabei war. Nach meinem Einwand, dass die Sowjetarmee Wien unter großen Opfern Wien befreit hat und er somit auf seiten Nazis gekämpft hat, wollte er nicht weiter diskutieren. Wobei Diskussion eher übertrieben war, es war eher eine befehlsmässige Darstellung seiner Erllebnisse und Meinungen.
Oben: Gedenkstätten für die gefallenen Sowjetsoldaten am Zentralfriedhof in Wien.
Die Rote Armee hinterließ unterschiedlichste Erfahrungen und Eindrücke in der Bevölkerung von der Befreiungsarmee bis zur Besatzungsmacht. In Walding setzten sie den sozialdemokratischen Fraktionsführer im Gemeinderat, der im Krieg vom Nazi-Bürgermeister zum Arbeitsdienst eingeteilt wurde, als Interimsbürgermeister ein. In Wien schildern mir Bekannte, dass sie als Kinder kleine Geschenke von den Sowjetsoldaten bekommen haben. Viele bekamen Arbeit in den USIA-Betrieben (mehr als 300 Betriebe mit 53.000 Beschäftigten). Andere schildern von Repressalien, von der Enteignung ihrer Lebensmitteln bis hin zu Vergewaltigungen.
Trotz aussichtsloser Situation gab Hitler Befehl Wien unter allen Umständen zu halten. Der aufkeimende militärische Widerstand – Operation Radetzky – gegen diesen sinnlosen Widerstand wurde verraten.
Am 5. April begann die 3. Ukrainische Front der Roten Armee in Favoriten mit den Befreiungskämpfen. Die 4. Gardearmee drang dann in die Wohngebiete von Simmering und Favoriten ein, der Straßenkampf begann. Im Süden entwickelten sich schwere Gefechte, und die Fluchtwege aus der Stadt waren weitgehend abgeschnitten.(1)
Unten sieht man an Grabsteinen am alten Jüdischen Friedhof am Zentralfriedhof noch die Einschusslöcher.
Die oftmals geschilderten Plünderungen beim Vorrücken der Roten Armee wurden von der Wiener Bevölkerung selbst durchgeführt. Jahrelange Beschränkungen und Hunger führten dazu. (3)
Erika Weinzierl schildert ihre Erlebnisse der letzten Kriegstage in Wien:
Vater meinte die Flucht nach Westen war ein ebenso großes Risiko wie zu bleiben und abzuwarten. Das geschah dann auch, und es sollte sich zeigen, dass er recht gehabt hatte. Alle Verwandten meiner Mutter, die flohen, konnten erst viele Monate später nach Wien zurückkehren. Ihre Wohnungen waren zerstört, ausgeplündert oder von Ausgebombten bewohnt. Für sie, die zum Teil mit den Nationalsozialisten sympatisiert hatten, weswegen sie wohl auch geflohen waren, war – wie für viele – die Flucht verhängnisvoll gewesen.
Die Tage der Kämpfe in den westlichen Wiener Bezirken verbrachten wir im Keller unseres Wohnhauses in der Millergasse. Mein Vater war einer der letzten gewesen, der sich dazu entschlossen hatte. Seine ruhige Gelassenheit half auch den anderen. Als der Gefechtskärm vom nahen Gürtel verstummt war, wagten wir nach einigen stillen Stunden einen Blick auf die Gasse. Sie war menschenleer, nur ein toter Soldat – ich weiß nicht, ob ein deutscher oder russischer – lag in der Nähe
Österreich im April (4)
35.000 Tote gab es in den 8 Tagen bei der Befreiung Wiens
Nach offiziellen sowjetischen Angaben sind im einwöchigen Kampf um Wien 18.000 sowjetische und 19.000 deutsche Soldaten gefallen; 47.000 deutsche Soldaten gerieten in Gefangenschaft. (2)
Die Zeit 15/2020
Quellenverzeichnis
- Wikipedia zu USIA – Betriebe
- (1) Vor 70 Jahren wurde Wien befreit – ORF Wien
- (2) Das rote Wien
- (3) Der Kampf um Wien 1945 im Standard am 1. April 2005
- (4) Österreich im April, Hugo Pepper und Franz Danimann als Hrsg. im Europaverlag 1985, Seite 274 – ISBN 3-203-50874-5