Es wurde im Jahre 1915 errichtet.
Es diente fast ausschließlich den Flüchtlingen, Deportierten und Evakuierten aus dem italienischen Trentino sowie aus Istrien als Notquartier. Das Lager bestand (im Endausbau) aus ca. 400 Wohn- und Verwaltungsgebäuden, die sich auf über 700.000 Quadratmetern verteilten. (Der oben abgebildete Lagerplan stellt die ursprüngliche Planung dar. Tatsächlich wurde es dann aber mehr als doppelt so groß!) In jeder Wohnbaracke waren – je nach Größe – zwischen 40 und 100 Personen untergebracht. Nach Berichten von Zeitzeugen waren – vor allem zu Beginn – aber manchmal auch mehr als 250 Menschen in eine Baracke gepfercht.
Wir ehemalige Standorte markanter Gebäude des Lagers anläßlich einer Geocachingtour in Mitterndorf. Dabei pfauchte uns beim Rundgang kalter Wind um die Ohren passend zum Schicksal vieler Menschen hier.
Die Zustände im Barackenlager
Ausschnitt aus einem Bericht der AGSÖ – Uni Graz
Das Barackenlager, das zu einem beträchtlichen Teil auf heutigem Gramatneusiedler Gemeindegebiet stand, verfügte über 441 meist aus Holz errichtete Gebäude auf rund 675.000 Quadratmetern. Eigentlich bestand es aus zwei Lagern, welche überwiegend 1915 und 1916 errichtet wurden: Im Lager I standen 96 Baracken mit je zehn Zimmern (belegbar mit je zehn Personen), im Lager II insgesamt 196 Baracken mit je sechs Zimmern (belegbar mit je sechs Personen).
Dazu kamen verschiedene Infrastrukturbauten: drei Schulbaracken mit 42 Klassenzimmern, wo über 40 fast nur weibliche Lehrkräfte bis zu 2.169 Schüler unterrichteten, zwei Waisenhäuser mit bis zu 250 Kindern, ein Kindergarten, vier von Franziskanerinnen betreute Spitäler (je ein chirurgisches Spital und Kinderspital, zwei allgemeinmedizinische Spitäler), eine Säuglings- und Zahnärzteambulanz, eine Allgemeinambulanz, vier Notspitäler, ein Siechenhaus, eine Apotheke, eine Kirche, wo acht Priester wirkten, ein Friedhof, ein Freibad am Fischa-Werkskanal mit Liegehalle, eine Volkshalle mit Kino und Theater, eine Feuerwehr, ein Post- sowie ein Telegrafen- und Telefonamt, dazu zahlreiche Verwaltungs- und Wohnbaracken für die Angestellten des Lagers. Es gab auch eine eigene 60 cm-Schmalspurbahn vom Bahnhof Mitterndorf an der Fischa zum Lager.
Die Bedingungen in den von Regierungskommissär Viktor Imhof (bis 1919: Ritter von Geißlinghof) geleiteten Lagern – er wurde im März 1918 vom Statthalterei-Ingenieur Friedrich Schmidtkunz abgelöst – waren katastrophal. Zwischen Juni 1915 und November 1918 starben hier 1.913 Personen, und 449 wurden im selben Zeitraum in den Lagern geboren. Allein aus dem Dorf Vermiglio verstarben im Mitterndorfer Lager zwischen 1915 und 1917 insgesamt 204 Menschen, welche auf dem Friedhof in Mitterndorf begraben wurden. Im April 1917 lebten in den beiden Lagern über 8.200 Personen, die höchste Belegzahl betrug rund 11.600 (zur Jahreswende 1916/17).
In Mitterndorf gibt es einen Rundgang im „ehemaligen“ Lager, wo Schautafeln an die Gebäude erinnern, die hier ab 1915 zur Versorgung der Menschen errichtet wurden.
Die meisten der Gebäude waren aus Holz errichtet, einige davon zusätzlich mit Teerpappe verkleidet. Wie auf den meisten Bildern ersichtlich, wurden die Baracken dann mit weißer Farbe bemalt.
Auf dem Foto das Feuerwehrhaus des Lagers.
Neben den eigentlichen Wohnbaracken gab es aber auch eine eigene Infrastruktur. So waren eigene Gebäude für die Lagerverwaltung, Feuerwehr, Polizei, mehrere Küchen, aber auch Spital, Apotheke und Schulgebäude vorhanden.
Bild links: Das Lagerspital
In Mitterndorf sieht man teilweise noch den Originalzustand der Baracken aus dem Jahre 1915. Wir sehen das Holz mit Schilf und Teerpappe als Dämmung darüber.
Laut Plan war dies die Wohnbaracke für die „Ärzte u. Medizinisches Personal des Lagers“ .
Flüchtlinge oder Opfer einer Zwangsumsiedlung als Strategie der Habsburger Kriegsmaschinerie
AMATEURFOTOGRAF HANS NOVACZEK schreibt dazu in seiner geschichtlichen Zusammenfassung
Mit Kriegseintritt Italiens 1915 wurde auch das Trentin zum verlorenen Gebiet. Da es im Südwesten des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn auch eine namhafte Zahl an Angehörigen zur italienischen Volksgruppe gab, wollte man diese aus dem umkämpften Grenzgebiet weg haben, da man Kollaboration mit dem Königreich Italien befürchtete.
So wurde das Lager Mitterndorf in gewissem Sinne auch zu einem Internierungslager für die Italienischen „Flüchtlinge“. Im Unterschied zu den Kriegsgefangenenlagern gab es in Mitterndorf neben der umfangreichen Infrastruktur auch Schulen, Kindergärten und ein Waisenhaus.
Die Gedenkstätte
80 Jahre nach Schließung des Lagers und Rückkehr der Flüchtlinge wurde ab 1998 am ehemaligen Lagerfriedhof eine Gedenkstätte für die im Lager verstorbenen rund 1900 Italiener errichtet. 2015 besuchte Bruno Dorigatti, Landtagspräsident der Autonomen Provinz Trient die Gedenkstätte.
In den damaligen österreichischen Zeitungen versuchte man die schlechten hygienischen und sozialen Bedingungen besser darzustellen.
Quellenverzeichnis
- AGSÖ – Uni Graz – Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich –
- Flüchtlingslager Mitterndorf in Wikipedia
- K.u.K. Barackenlager Mitterndorf von HEL400 auf www.geocaching.com
- Fotos von Werner Drizhal beim Rundgang aufgenommen.
- Die Zeitungsartikel stammen von ANNO – AustriaN Newspapers Online – ANNO ist der digitale Zeitungs- und Zeitschriftenlesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Hier kann in historischen österreichischen Zeitungen und Zeitschriften online geblättert, gesucht und gelesen werden.
- Eine geschichtliche Zusammenfassung und ein Fotorundgang durch das heutige Mitterndorf an der Fischa von Hans Novaczek
- Historisches Eingangsbild von http://www.ladigetto.it/files.php?file=Storia/Mitterndorf_T_180669581.jpg