Bergmannstaten für den Frieden – Kaliwerk „Thomas Müntzer“ – Bischofferode

Beitrag von Brigitte Drizhal

Zum 80. Jahrestag Kalibergbau in Bischofferode heißt es in der Festschrift „… nicht nur weil wir seit 36 Jahren den ehrenvollen Namen des großen Revolutionärs tragen; sondern vor allem auch deshalb, weil wir Kaliarbeiter des Kaliwerkes „Thomas Müntzer“ im Bunde mit Gleichgesinnten dessen große Vision Wirklichkeit werden ließen: daß „die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk“, daß die werktätigen Menschen die politische Macht erobern und zu ihrem Wohle nutzen sollen.

Vor dem Museum in Bischofferode

Diese Macht war wohl notwendig, denn mit der politischen Wende 1989 in der DDR wurde das Werk, das bis Juni 1990 zum VEB Kombinat Kali Ost gehörte, unter dem Dach der Mitteldeutschen Kali AG vereint – alleiniger Eigentümer: die Treuhandanstalt. Und diese zerschlug das Werk.

  • 32000 Beschäftigte im Bergbau der ehemaligen DDR
  • 7500 davon in der Kaliproduktion
  • 24500 – entlassen nach der Wende.

Diese Zahlen erhielten wir gleich zu Beginn unseres Gespräches.

Das Kaliwerk in Bischofferode in Thüringen förderte und verarbeitete von 1909 bis 1993 Kalisalze.

Zu DDR-Zeiten gab es in Nordthüringen sechs Kaliwerke (Kaliindustrie Ost). Alle bis auf Bischofferode wurden 1989/1990 geschlossen. Und das, obwohl Kali Ost bei der Produktion nach Russland und Kanada, die drittgrößten Produzenten weltweit waren.

1992 trifft es Bischofferode

1992 stimmt der Verwaltungsrat der Treuhandanstalt der Fusionierung mit Kali und Salz AG ( eine BASF-Tochter mit Sitz in Kassel) zu, das Werk Bischofferode soll Ende 1993 geschlossen werden. Daraufhin gehen 12 Kumpels spontan am 1.7. in den Hungerstreik. Weitere Kumpels schließen sich an. Sie gehen bis an den Rand ihrer eigenen Existenz. Viele mussten wegen Erschöpfung aufgeben, kamen ins Spital. Durch diesen Hungerstreik, einen Fußmarsch nach Berlin zu den verantwortlichen PolitikerInnen, sowie der Parole „Bischofferode ist überall“ wurden auch Kumpels aus dem Westen aufmerksam.


Am 7. April besetzten 500 Bergleute das Werk bei laufender Produktion. Und es gab viele Demos, Spenden, Solidarität aus der Basis von der Bevölkerung, aus Ost und West. Der Betriebsratsvorsitzende musste selbst viele Kumpels kündigen, um den Sanierungsplan der Treuhand zu erfüllen.

Trotz Rentabilität wird das Werk geschlossen – die Konkurrenz aus dem Osten ist weg

Bischofferode hatte Abnehmer – ein Privatunternehmer aus dem Ostwestfälischen Raum (Johannes Peine wollte den Schacht übernehmen -, hatte für 40 Jahre Lager, qualifizierte Leute, belieferte große Chemiebetriebe. Dennoch musste die Konkurrenz aus dem Osten weg – wie uns der ehemalige Betriebsratsvorsitzende und späterer Bundestags- und Kreistagsabgeordnete Gerhard Jüttemann und betroffene Kumpels berichten. In ihrem Werk waren bis zu 1800 Menschen beschäftigt, kurz vor der Schließung nur mehr 690. Der Ort Bischofferode verlor 1000 Einwohner, infolge von Wohnungsleerstand wurden fünf Wohnblöcke von der Gemeinde abgerissen.

Seit Jänner 1994 verwaltet die Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von Bergwerksanlagen – GVVmbH (mittlerweile eine Tocher der LMBV-Lausitzer und Mitteldeutsche BergbauverwaltungsgesmbH.) das stillgelegte Kaliwerk. In dieser Gesellschaft war auch eine Stiftung, wo die ehemaligen Kumpels umgeschult werden konnten.

Die Wunden von Bischofferode sind noch nicht verheilt

Versprochen wurde den Bergleuten viel dafür, dass sie aufhörten sich zu wehren. Von 1000 neuen Arbeitsplätzen war damals die Rede. „Alles nur leere Versprechen“ hören wir von Gerhard Jüttemann.
Fünf Jahre später haben in der näheren Umgebung gerade mal 60 Kumpel einen neuen Job gefunden.

„Nicht einmal 10 % der Versprechen wurden eingehalten.“ Und weiter: „Wie kann man nur so skrupellos sein, bei den vielen Gesprächen im Kanzleramt. Und diese Arroganz……“

Gerhard Jüttemann

Dass Gerhard Jüttemann heute nach mehr als 25 Jahren mehr als wütend ist, ist nur allzu verständlich. Und auch kein Wunder, sieht doch die Bilanz der Treuhandanstalt so aus: mehr als drei Millionen vernichtete Arbeitsplätze, und ein Schuldenberg von 264 Milliarden D-Mark. Mehr dazu auf MDR-Zeitreise.

Zudem kam 2014 auf, dass es einen Kali-Geheimvertrag gab. Darin ist auch ersichtlich, dass das Betriebskonzept des neuen Gemeinschaftsunternehmens ausdrücklich auf der Schließung von Bischofferode aufgebaut war. Die Gespräche mit Johannes Peine waren also nie mehr als ein Feigenblatt.

Aus der Kurzfassung der Kali-Chronologie erfahren wir, dass

  • 1909 der erste Spatenstich für den Schacht I und 1912 für den Schacht II begonnen wurde
  • 1927 das Werk in den Wintershall-Konzern übernommen wurde
  • im Jahr 1930 von 300 Werktätigen rund 200 das Werk verlassen müssen
  • mit Beginn des 2. Weltkrieges das Werk als kriegswichtig eingestuft wird. Hochreines Clorkalium wurde zur Herstellung von Sprengstoff eingesetzt.
  • 1942 zur Sicherung der Produktion und des Profits für den Konzern englische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, Polen und Frankreich eingesetzt wurden
  • 1953 dem Werk der Name „Thomas Müntzer“ verliehen wurde