Ein Begegnungsplatz zum Roma-Gedenken in Langental

Es lohnt sich wieder zu träumen, denn Friede wird in den Herzen der Menschen wachsen

Karl Horvath auf der Begleittafel am Begegenungsplatz

Eine Zählung der Landesgendamerie 1933 bezifferte die Anzahl der ansässigen Roma mit 187 Personen. In Langental entsprach das einem Bevölkerungsanteil von 15 Prozent. Im Ort gab es Familienkapellen, die der “Horvath“ und die “Gesini“. Beide galten als ausgezeichnete Musikkapellen, die neben der klassischen ungarischen “Zigeunermusik“ auch Operettenmusik und vor allem auch die kroatischen Volkslieder pflegten.(1)
Das burgenländische Schulbesuchsverbot der 46 Roma-Kinder in Langental durch den NS-Landeshauptmann Tobias Portschy bedeutete dass die Schülerzahl um 50 % im Ort sank.
1938 und 1939 wurden zahlreiche Roma aus Langental als Zwangsarbeiter auf Großbaustellen in den Alpen sowie in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald, Mauthausen und Ravensbrück verschleppt.
68 Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung sind dokumentiert. 21 Personen starben im Lager Lackenbach, 13 Personen in Buchenwald, 10 Personen im “Zigeunerlager Auschwitz Birkenau“, 7 Personen im KZ-Mauthausen, 4 Personen in Ravensbrück. Wieviele in Langental geborene Personen im November 1941 in das “Zigeunerlager Litzmannstadt“ deportiert und wenig später im Vernichtungslager Kulmhof ermordet wurden, ist nicht bekannt.

Ein Stahl-Glaskörper für jedes Opfer
Der Künstler Peter Kedl gestaltete zum Gedenken an die 69 ermordeten Romnija und Roma und an weitere vier Menschen, die wegen ihres politischen Widerstandes ermordet worden waren oder denen aufgrund von Erkrankungen oder Behinderungen das Lebensrecht abgesprochen worden war und die der NS-Medizin zum Opfer gefallen waren, Stahl-Glaskörper gestaltet. Für jedes Opfer ragt nun im Ortszentrum ein Steher aus Stahl und Glas empor, auf dem der Name steht. Von weiteren hundert Angehörigen der Langentaler Roma-Familien gibt es nach 1945 kein Lebenszeichen mehr, ihr Schicksal ist unbekannt.(4)

Überlebende aus Langental

WILHELM HORVATH Oberpullendorf (geb. 1934 in Langental)
Wilhelm Horvath bezeichnet das mehrsprachige Aufwachsen in Langental heute als “die beste Schule”. Schon als Kind erlernte er die vier in der Region gebräuchlichen Sprachen – Roman (Burgenland- Romani), Deutsch, Ungarisch und Kroatisch -, und profitierte von diesen Sprachkenntnissen sein Leben lang.
1940 wurde die Familie ins “Zigeunerlager” Lackenbach transportiert – unter ihnen auch die Großmutter Wilhelm Horvaths, deren Versteck von einem benachbarten Nicht-Rom verraten wurde und die zwei Wochen später in Lackenbach verstarb. Wilhelm Horvaths Vater wurde außerhalb des Lagers im Meierhof (bei Unterpullendorf) eingesetzt, und es gelang ihm gelegentlich, Nahrungsmittel für seine Familie ins Lager zu schmuggeln. Dank der Intervention von Herrn Kautz, dem er als Zwangsarbeiter zugeteilt war, konnten im Oktober 1942 alle Familienmitglieder den Lagerkomplex verlassen und in den Meierhof nachkommen. Die Familie Horvath entging damit der drohenden Deportation nach Auschwitz-Birkenau.
Wilhelm Horvath hatte nach dem Krieg als Musiker die Möglichkeit ein Konservatorium zu besuchen. Seine Zielstrebigkeit ließ ihn in den kommenden Jahren zu einem hervorragenden und begehrten Musiker reifen, der keine Schwierigkeiten hatte, von namhaften Kapellen engagiert zu werden. Bereits 1948 ging Wilhelm Horvath nach Deutschland und fand Aufnahme in einer bekannten Roma-Kapelle.(2)

ADOLF PAPAI – Wenn es noch ein Jahr gedauert hätte, wäre von uns keiner mehr auf der Welt
Er kommt als 9jähriger in das Lager Lackenbach. Bereits bei der Ankunft wird er durch die Brutalität des Bewachungspetdonal traumatisiert. (3)

Ich habe einen kleinen Hund gehabt […]. Ich war noch ein Kind, und ich habe den Hund nicht hergegeben. Und als wir mit dem Auto dort angekommen sind, waren schon welche dort, der Kapo und die waren dort, die schon im 40er-Jahr eingeliefert worden sind. Und wir sind runter vom Auto, und ich habe den Hund nicht ausgelassen. Und dann hat einer den Hund, den armen Hund, bei den Hinterbeinen genommen und mich mit ihm so lange geschlagen, bis ihm die beiden Hinterbeine in den Händen geblieben sind. So schreckliche Menschen waren das! Weil ich meinen Hund nicht ausgelassen habe. 

Herr Papai, der wie schon sein Vater als Musiker in einer Roma-Kapelle spielte, heiratete 1951 und hat drei Kinder. Trotz seiner geringen Schulausbildung, die er teilweise beim Lernen mit seinen Kindern nachholte, hat er eine bemerkenswerte Sprachkompetenz. Er sprach Kroatisch und Deutsch und Roman, Ungarisch und die slawischen Sprachen, das Tschechische ein bisschen, Böhmisch ein bisschen, Jugoslawisch am besten und dann noch Russisch […].
Als Mitglied der “Großen Horvath Geza Kapelle“ bereiste er für viele Saisonen als Profimusiker Deutschland, die Schweiz und die Türkei. (1)

Unsere Gruppe bei der Besichtigung der Gedenkstätt

Unser Eindruck war, dass hier die Gedenkstätte – dieser Begegnungsplatz mitten in das Ortsgeschehen eingebunden ist. Auch den Glaskörper mit den Namen in der Stele finden wir künstlerisch gut gelungen.

Eröffung der Gedenkstätte

Eine Chronologie der Grausamkeit

Im April 1940 begannen die Transporte nach Polen. Anfang November 1941 trafen in Lodz fünf Züge mit jeweils 1000 Roma aus Österreich und aus den Balkanländern ein, zwei davon kamen aus Lackenbach. Sie wurden in einem eigenen Lager, abgetrennt vom jüdischen Ghetto, untergebracht. Die Sterblichkeit unter den Roma war sehr hoch, vor allem nach Ausbruch einer Typhusepidemie. Von Weihnachten 1941 bis Jänner 1942 wurden die Roma in das Vernichtungslager Chelmno abtransportiert. Anfang 1943 wurde ein großes Zigeunerfamilienlager in Auschwitz – Birkenau errichtet., das bis August 1944 bestand. Von den rund 21 000 aus ganz Europa eingelieferten Roma starb etwa die Hälfte, über 6000 wurden in den Gaskammern getötet. etwa 3800 in andere Lager gebracht. Die Eintragungen in das “Hauptbuch des Zigeunerlagers Auschwitz” weisen viele Namen burgenländischer Roma auf.

Im November 1940 wurde das Zigeuneranhaltelager in Lackenbach errichtet. Es bestand bis Ende März 1945. Lackenbach war ein Durchgangslager, in dem Roma aus ganz Österreich vor ihrer Deportation zusammen gezogen wurden. Die Einweisungen setzten im April 1941 ein. Insgesamt wurden etwa 3200 bis 3300 Menschen nach Lackenbach gebracht. Höchststand war am 1, November 1941 mit 2 335 Personen, 1941 wurden in zwei Transporten je 1000 Personen nach Lodz/Litzmannsstadt abtransportiert. Im Dezember 1941 befanden sich nur mehr 631, im Jänner 1942 572 und im Feber 1942 642 Personen in Lager Lackenbach. Die Insassen waren in ehemaligen Ställen oder in ihren Wägen untergebracht. Im Lager brach eine Flecktyphusepidemie aus, der viele Insassen, aber auch der Lagerkommandant, zum Opfer fielen. Am 28. Dezember 1941 waren von 580 Personen 32 % als krank gemeldet. Den Krankheiten fielen vor allem Kinder und Alte zum Opfer. Sie wurden im Judenfriedhof von Lackenbach begraben. (5)


Quellenverzeichnis