Teil 1
Ein Auszug aus dem Buch – Joseph Buttinger – Ortswechsel – die Geschichte meiner Jugend. In der Buchbeschreibung liest man dazu
Joseph Buttinger, der 1906 als Sohn eines Straßenarbeiters und einer elternlosen Magd geboren wurde, macht die Stationen seiner Entwicklung an den versvhiedenen Orten seiner Kindheit und Jugend fest. Vom bettelarmen Bauernbub in Waldzell über den wißbegierigen Hilfsarbeiter im Fabrikdorf Schneegattern, der mit 15 sein erstes Buch kuest, bis zum sozialistischen Jugendfunktionär und Erzieher in St. Veit an der Glan.
Die Stationen seiner Kindheit und Jugend
Reichersbeuern, ein kleines bayrisches Dorf, am 30. April 1906 um sechs Uhr morgens, kommt Joseph auf die Welt. Der Vater, ein armer Hilfsarbeiter, der im Straßenbau zwischen Salzburg und München beschäftigt war. Die Mutter Maria Birkenauer heiratete mit 17 Jahren den Vater und musste bereits ein weiteres Kind versorgen.
Vier Jahre später siedelte die Familie Buttinger ins 25 km entfernte Marienthal, wo der Vater im Steinbruch besser bezahlt wurde.
Reichersbeuern – Marienthal – Grödig bei Salzburg – Augsburg – Welheim-Bottrop – Lintfort
Aus Marienthal hat sich die sagenhafte Suppe mit Fleischstücken, die Joseph von einer Wirtin geschenkt bekam, und er genüßlich delektierte, bei ihm eingeprägt. Sonst bestand die Kost aus Brot und Kartoffeln.
Der Lockenkopf rechts ist Joseph Buttinger, zwei weitere Geschwister folgten noch.
Grödig bei Salzburg, ein kurzer Aufenthalt, wo der Vater wieder in einem Steinbruch schuftete. Das erste „Geschenk“ von einer Dame im selben Mietshaus – Zündholzschachteln mit bunten Bildern. Damit konnten wir uns Häuser und Burgen bauen.
Im offenen Frachtwaggon nach Augsburg, wo beide Eltern zum Überleben in einer Fabrik arbeiten mussten.
Im September 1912 gings erstmals zur Schule. Schulbeginn um 8 Uhr und vorher um 7 Uhr zum Gottesdienst. Vom Schulbesuch blieben nur die Strafen in Erinnerung – ungezogene Buben wurden vom Lehrer zu einem großen Mann geführt, der sie viele Sekunden lang mit dem Kopf in eine Wassertonne tauchte.
Die Kohlegruben des Ruhrgebiets lockten die Familie 1913 zuerst nach Welheim-Bottrop in der Nähe von Essen und später in die Zeche Friedrich Heinrich in Lintfort, Kreis Moers. Raue Sitten beim Spielen, die Schwester mit Schlüsselbeinbruch, Knochenverletzungen, ein Nagel im Zahn durch die Wange – die Grenze zwischen Spiel und Grausamkeit wurde öfters überschritten. Armut war auch hier permanent zu spüren. Wir gingen nie zum Zahnarzt und hatten auch keine Zahnbürsten. Hauptnahrungsmittel waren Kartoffeln und Brot und zwischen den Mahlzeiten waren wir immer hungrig.
Gottesfürchtigkeit, Armut und Kinderarbeit in Waldzell
1916 ging es in zweitägigen Eisenbahnreise von Lintfort zurück nach Waldzell in ein Auszugshaus mit einem Zimmer und zwei Betten für die Mutter und vier Kinder, das die „bigotte“ Tante angemietet hatte. Die reichen Bauern dieser Gegend waren in ihrem fanatischen Katholizismus überzeugt, dass die Armen an ihrer Not selbst Schuld sind. Eine Dauerwohnung fanden sie in einem Dachgeschoß (eine kleine Küche mit einem Schlafzimmer) in einem „Rattenloch“ bei zwei übel beleumundeten Brüdern, die stärker stanken als der Kuhstall.
Im März 1917 starb der Vater an den Folgen einer Kriegsverletzung im Militärkrankenhaus in Linz.
Ausser dem Betteln, das unseren Stolz entsetzlich verletzte hatten wir noch drei Methoden uns Nahrung zu verschaffen:
- Die Bauern zu bitten auf den Feldern nach der Ernte die Stiele der Gemüsepflanzen auszugraben. Damit kochte die Mutter mit Wasser und Salz eine Suppe.
- Oder wir sammelten mit Zustimmung der Bauern die nach der Ernte des Getreides die auf den Feldern übrig gebliebenen Weizen-, Roggen- und Gerstenähren ein. Nach endlosen Stunden hatten wir soviel, dass wir im Austausch dafür bei. Dorfmüller 1 kg Mehl bekamen. Das erledigten wir barfuß (Holzschuhe hatten wir nur für den Winter) was uns blutige Fußsohlen einbrachte.
- Am Balkon züchteten wir Kaninchen, die wir mit Gras, das wir an den Rändern der Karrenwege schneiden durften. Manchmal stahlen wir auch Rüben für die Hasen.
Ich war im Sommer wie in Winter bei jeder Frühmesse oder Vesper, Taufe oder Begräbnis dabei, weil es immer ein paar Heller dafür gab, die wir dringend benötigten. Die Grippeepedemie 1918 und 1919 forderte auch in Waldzell ihre Opfer. Bei den Leichenbegängnissen der begüterten Waldzeller*innen gab es für die Ministranten immer etwas mehr Trinkgeld, das wir dringend zu Hause benötigten.
Die Arbeit auf dem Bauernhof ab März 1919 als 13-jähriger
Der Bauer drängte mich die Schule zu verlassen und meine Ministrantentätigkeit zu beenden, weil er mich für die Arbeit benötigte. Zwei Jahre führte ich ein Leben härtester Arbeit von früh morgens bis spät in die Nacht, und ich hatte eine Vielzahl von Pflichten, wie sie üblicherweise von mindestens zwei, wenn nicht drei Leuten ausgeführt werden.
Erste gewerkschaftiche Berührungspunkte
Im November 1920 übersiedelte die ganze Familie bis auf mich nach Schneegattern. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gab es Versuche die Landarbeiter gewerkschaftlich zu organisieren. Im Jänner 1921 schlugen Bauern mit ihren Stöcken einen Welser Gewerkschaftsfunktionär nach Versammlung mit unzufriedenen Landarbeitern brutal nieder.
Zwei Wochen nach der brutalen Mißhandlung ihres Genossen marschierten 300 Arbeiter, die drei Stunden von Schneegattern nach Waldzell, wo unter freien Himmel eine Kundgebung stattfand.
Die Drohung der Bäuerin, jeden der der Gewerkschaft beitreten würde, zu entlassen, führte dazu, dass ich nicht länger am Hof bleiben wollte. Für das erste Jahr hatte ich keinen Lohn bekommen. Mit der bescheidenen Summe für das zweite Jahr konnte ich mir gerade einen neuen Anzug leisten. Am 2. Februar 1921 verließ ich Waldzell Richtung Schneegattern.
Danke fuer diese Erinnerung an joseph buttinger, wir lesen viel
zu wenig ueber unser leben in der Vergangenheit.
Auch will ich ‘Die historisch literarischen erinnerungen
von adam trabert geb 1821 gestorben 1914…..