Franz Georg Brandner, ehem. Vorsitzender der GPA-djp Wien, hat immer wieder als Sprecher der Sonntagsallianz auf einen der wichtigsten Vorkämpfer der Sonntagsruhe, “Karl Pick” hingewiesen.
Karl Pick war Gründer und Organisator der ersten Gewerkschaftsvereinigung kaufmännischer Angestellter im auslaufenden 19. Jahrhundert. Der Sohn eines böhmischen Fleischhauers war Mitglied der sozialdemokratischen Gewerkschafts-Kommission und setzte sich als Obmann der Krankenkasse der Wiener Angestellten für die gesundheitlichen Interessen der Angestellten ein.
Eine Zeitreise der wichtigsten Ereignisse von Karl Pick
Karl Pick war Jude. Er war der Sohn eines Fleischhauers im Ort Pečky in Böhmen (Bezirk Poděbrady), der dem Sohn den Gymnasialbesuch in Prag ermöglichte. In seiner Jugendzeit sympathisierte Pick mit der politischen Gruppierung der nationalistischen Jungtschechen. Er gehörte einer Abordnung der Jungtschechen 1884 beim Begräbnis von Bedřich Smetana an.
1892 kam Pick nach Wien, wo er eine Anstellung als Buchhalter fand und sich den Sozialdemokraten anschloss. Im selben Jahr nahm er an der Gründungsversammlung des Vereins kaufmännischer Angestellter teil, eines ersten gewerkschaftlichen Zusammenschlusses der Handelsangestellten in Wien.
Bereits 1895 wurde Pick der Obmann dieses Vereines, der seit 1893 der sozialdemokratischen Gewerkschaftskommission angehörte. Dem geschickten Agitator und Redner gelang es, die Vereinigung aus sehr bescheidenen Anfängen zu immer steigenden Mitgliederzahlen zu führen. 1898 hatte er mit seiner freigewerkschaftlichen Fraktion bereits die vereinte christlich-soziale und nationale Liste Axmann bei den Wahlen zum Gehilfenausschuss der Wiener Kaufleute (der gesetzlichen Standesvertretung der Handelsangestellten) überholt, was aber vom Wiener Magistrat, der unter christlich-sozialer Herrschaft stand, unter dem Vorwand des Wahlbetrugs nicht anerkannt wurde.
Der Organisator Karl Pick
„Nur in der Organisation”, verkündete Pick, „verwirklicht sich die Solidarität der Angestellten, nur die in der gewerkschaftlichen Organisation zusammengeballten Kräfte der vielen einzelnen werden zur starken Waffe des Kollektivs im Ringen um mehr Lohn, kürzere Arbeitszeit, um mehr Recht und Freiheit und um mehr Menschenwürde. Ihr müsst lernen, zu fordern, und Ihr müsst lernen, um eure Forderungen zu kämpfen, denn man wird euch nichts schenken”, dies rief er seinen Berufskolleginnen und Berufskollegen unermüdlich zu1.
Erst ein neuerlicher Sieg der Liste Pick2 1901 musste vom Magistrat auf Druck der ihm übergeordneten kaiserlichen Statthalterei bestätigt werden. Pick war nun Obmann des Gehilfenausschusses beim Gremium der Wiener Kaufleute und der Krankenkasse der Wiener Angestellten. In dieser Funktion setzte er sich für einen Zusammenschluss der verschiedenen Gewerkschaftsvereine der Monarchie ein, der 1904 durch die Gründung des Zentralvereins der kaufmännischen Angestellten Österreichs Wirklichkeit wurde. Karl Pick wurde der Obmann des Zentralvereins und blieb dies bis zu dessen Verbot 1934.
Der Kampf um die Sonntagsruhe war stürmisch. In Massenkundgebungen und Demonstrationen mobilisierte die junge Gewerkschaft Tausende Handelsangestellte. Für eine Rede, die von der Obrigkeit als aufrührerisch bezeichnet wurde, musste er eine Arreststrafe von acht Tagen absitzen. Der Kampf blieb nicht ohne Erfolg. 1903 verordnete der Statthalter von Niederösterreich3 die volle Sonntagsruhe im Handel. 1907 wurde die 19-Uhr-Sperre bei Wiener Warenhäuser durchgesetzt. 1916 während des Weltkriegs allgemein eingeführt.4
Der Sozialpolitiker Karl Pick – ein Genesungsheim für Wiener Handelsangestellte in Wopfing5
1914 eröffnet diente es bis 1918 militärischen Zwecken. 1919 wurde es wieder eröffnet und durch einen Zubau eröffnet. Die Krankenkasse, deren Obmann er war, konnte dort 78 Betten für Pfleglinge auf Kassenkosten zur Verfügung stellen.
Am 4. März 1919 wurde Karl Pick als Nationalrat angelobt
Bereits in der dritten Woche nach seiner Angelobung, am 27. März, wird von Karl Pick und Kollegen ein Initiativantrag zur Änderung des Handlungsgehilfengesetzes eingebracht und am 2. April 1919 dem Ausschuss für soziale Verwaltung zugewiesen. Damit wird die Umwandlung des Handlungsgehilfengesetzes in das noch heute gültige Angestelltengesetz eingeleitet6.
1924 kämpfte Pick im Nationalrat für eine bessere Absicherung der Abfertigungen der Angestellten bei Konkursen. Er brachte einen Antrag ein, nach welchen bei Konkurs oder Zwangsausgleich die Arbeiter und Angestellten der jeweiligen Firmen die Einreihung ihrer aus dem Dienstverhältnis entspringenden Forderungen bis 34 Millionen (bisher 12 Millionen) verlangen können.7
Karl Pick und die Internationale Arbeit
Er war bereits 1904 bei der Gründung des Internationalen Handlungsgehilfensekretariats in Amsterdam mit dabei. Auf dem Internationalen Angestelltenkongress in Wien von 10. bis 12. August 1921 wurde der Internationale Bund der Privatangestellten (I.B.P.) konstituiert. Beim Kongress dieses Bundes 1925 in Kopenhagen hielt er ein bedeutsames Referat zur Sozialgesetzgebung. Karl Pick war viele Jahre Vorstandsmitglied des I.B.P.
Einsam und krank
Nach den Februarkämpfen 1934 wurde Pick für mehrere Wochen festgenommen. Er zog sich (auch von illegaler) politischer Betätigung zurück und starb bereits nach dem “Anschluss” im Sommer 1938 nach einem Hüftbruch8.
Über die Zeit bis zu seinem Tode schreibt seine Tochter Helen V. Grover:
Er lebte nach 1934 sehr einsam und zog sich infolge seines schlechten Gesundheitszustandes von allem zurück. Er lernte Französisch, und ich half ihm gerne dabei. Die Wohnung im Verbandsheim konnte Vater bis 1938 behalten; dann warf man ihn hinaus. Er zog zu meiner ältesten Schwester und wohnte mit vier Personen zusammen in einer kleinen Wohnung. 1938 wurde Vater schwer krank. Er zog sich einen Hüftbruch zu und wollte nicht mehr leben. Wir hatten versucht, für ihn ein Visum für die Tschechoslowakei zu verschaffen, aber dazu kam es nicht mehr. Besser so! Er kam ins Kaufmännische Spital.
Als Jude war er aber nicht wert, im Krankensaal zu liegen, sagte man ihm, und er mußte im Korridor des Spitals sterben, das er zum Teil mitbegründet hat.9
Eine in den 1960er Jahren errichtete Wohnhausanlage in Wien-Leopoldstadt wurde in Karl-Pick-Hof benannt und trägt eine Gedenktafel. 1993 wurde die Pickgasse in Wien-Favoriten nach dem Politiker und Gewerkschafter benannt.
Quellenverzeichnis:
- Manfred Ackermann: Karl-Pick – Erwecker und Lehrer der Angestellten – Aus der Rede anlässlich des 100. Geburtstages Karl Picks, gehalten bei iener Gedenkkundgebung der Sektion Handel der Gewerkschaft der Privatangestellten. ↩︎
- Foto aus Wikipedia zu Karl Pick ↩︎
- Wien war damals Teil von Niederösterreich ↩︎
- Karl Pick – Aus seinem Leben, aus seinem Werk, ÖGB-Verlag,Autor: Franz Nekula-Berton, Seite 39 ↩︎
- ÖNB, digitales Archiv, Der Abend am 3. Juli 1924, Seite 8 ↩︎
- Karl Pick – Aus seinem Leben, aus seinem Werk, ÖGB-Verlag,Autor: Franz Nekula-Berton, Seite 64 ↩︎
- ÖNB, digitales Archiv, Neues 8 Uhr Blatt am 27.Juni 1924, Seite 4 ↩︎
- Geschichte – Wiki Wien zu Karl Pick ↩︎
- Karl Pick – Aus seinem Leben, aus seinem Werk, ÖGB-Verlag,Autor: Franz Nekula-Berton, Seite 90 ↩︎