Artikel zum Rundgang am Urnenhain – verfasst von Brigitte und Werner Drizhal
Stella Klein-Löw (geborene Herzig 28.1.1904, Przemýsl in Polen) wuchs in einer großbürgerlichen jüdischen Familie auf, die nach dem Ende der Monarchie verarmte. Ihre Eltern waren nach Wien gezogen, als sie noch Kleinkind war. Sie absolvierte hier die Volksschule und das Gymnasium. Im 13. Lebensjahr begann sie Nachhilfe zu geben und erhielt sich ihren Angaben zufolge von da an weitgehend selbst.1
Sie studierte an der Universität Wien Germanistik, klassische Philologie und Psychologie (Dr. phil. 1928); als wohlhabende jüdische “höhere Tochter” wurde sie Mitglied der sozialdemokratischen Arbeiterjugend und später der sozialdemokratischen Studentenbewegung. Sie hat im Mädchengymnasium Rahlgasse im Jahr 1923 maturiert und im Schuljahr 1931/32 nach Abschluss ihres Lehramtsstudiums an der Universität Wien ihr Probejahr absolviert.
1939 musste sie wegen ihres jüdischen Glaubens und auf Grund der Bedrohung durch die
Nationalsozialisten nach langem Zögern nach Großbritannien flüchten, wo sie sich ihren Lebensunterhalt als Hausgehilfin verdienen musste. Ab 1941-1946 war sie als Lehrerin und Psychologin an einer Londoner Anstalt für schwer erziehbare Knaben tätig. 1946 kehrte sie mit ihrem zweiten Ehemann, dem Physiker Moses Löw (in erster Ehe war sie mit dem Arzt Hans Klein verheiratet, der jedoch 1933 Suizid beging), nach Wien zurück2. Viele andere Mitglieder ihrer Familie wurden in Vernichtungslagern ermordet.
Der Westbahnhof in Wien: Lärm und Bewegung, Baracken, Unordnung, Chaos. Die Straßen: alle bekannt – alle fremd. Schwarze, augenlose Ruinen, verdorrte Bäume, tiefe Löcher, über die man holperte und stolperte. Langsam wich die Starre einem Gefühl der Empörung, des Zähneknirschens, des Zornes. “Das haben sie dir angetan, geliebtes, rotes Wien!” Aber “sie”, das waren nicht die Flugzeuge und Panzer der Alliierten, sondern die für den Kriege Verantwortlichen.3
Mit ganzer Kraft für Österreich: Rückkehr nach Wien
1946 kehrte das Ehepaar Klein-Löw nach Wien zurück, obwohl es in England bessere Existenzmöglichkeiten gehabt hätte. Als Gründe für diese Entscheidung führte Klein-Löw in einem unveröffentlichten Typoskript u. a. an:
„1. Wir wollten als österreichische Sozialisten in Österreich, dem besetzten Österreich, leben und arbeiten: persönlich, beruflich, politisch.
2. Wir wollten das durch die Emigration unterbrochene Leben den neuen Gegebenheiten anpassen als ‚gelernte Marxisten’, alte Freundschaften wieder aufleben lassen, bestehende Bindungen fester von neuem knüpfen.
3. Das Abenteuer ‚Neues Österreich – alte Heimat’ reizte und lockte uns. Außerdem hätten wir uns geschämt, gerade in der kritischen Situation, Österreich – Wien – den Sozialismus im Stich zu lassen und auf bessere Zeiten zu warten.
4. Last but not least: Wir hatten den Faschismus in seinen beiden Formen erlebt und erlitten. Trotzdem war für uns Österreich kein Alptraum geblieben. Wir hatten keinen Haßkomplex gegen die Österreicher, die Wiener, die Arier. […] Was geschehen war an Verbrechen, würde man nie vergessen können und dürfen. Aber Haß ist eine schlechte Bahn in eine neue Zeit. Entweder hätte man alle gewesenen Faschisten umbringen müssen, oder man mußte mit ihnen leben. Das würde nicht leicht sein. Umso wichtiger schien uns unsere Rückkehr.“4
Nach ihrer Rückkehr nach Wien begann sie im Mädchenrealgymnasium Latein und Deutsch zu unterrichten. 1970 wurde sie Direktorin des Realgymnasiums für Mädchen in Floridsdorf.
Bei der Konferenz der SPÖ-Wien im Herbst 1949 gab es eine lebhafte Debatte und dem Preiswucher der letzten Wochen. Die Arbeiterschaft lehnt es ab , allein Opfer zu bringen – Stella Klein-Löw5 meldete sich als Vertreterin der Sozialistischen Frauen zu Wort:
Die Preisanarchie und die Korruption fördern faschistische Tendenzen. Wir müssen die Entwicklung mit aller Kraft bekämpfen, vor allem durch eine gesunde Wirtschaftspolitik.6
Sie war von 1959 bis1970 Abgeordnete zum Nationalrat. Als SPÖ-Bildungssprecherin und Obmannstellvertreterin des Wiener Bildungsausschusses kümmerte sie sich überwiegend um bildungspolitische Belange. Sie fungierte als Chefredakteurin des Parteimagazins Sozialistische Erziehung. Mitglied des Bundesvorstandes der „Kinderfreunde“ und des „Bundes sozialdemokratischer Akademiker, Intellektueller und Künstler“ (BSA7). Als Vorstandsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft versuchte sie nach dem Holocaust versöhnende Akzente zu setzen.
1970 wurde ihr der Titel Hofrat, das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und die Victor-Adler-Plakette der SPÖ verliehen.
1978 erhielt sie schließlich für ihre Verdienste um die Erwachsenenbildung das Goldene Doktordiplom der Universität Wien, 1985 folgte die Verleihung der Otto-Glöckel-Medaille der Stadt Wien.
Stella Klein-Löw starb am 7. Juni 1986 im Alter von 82 Jahren in Wien. Sie wurde auf dem Friedhof der Feuerhalle Simmering neben ihren beiden Ehemännern Hans Klein und Moses Löw bestattet.
Quellenverzeichnis
- Wikipedia zu ihrer Person ↩︎
- Wien – Geschichte – Wiki ↩︎
- Stella Klein-Löw, Erinnerungen 1980 in das Rote Wien ↩︎
- Österreichisches Biographisches Lexikon ↩︎
- Foto – mein Parlament ↩︎
- ÖNB, digitales Archiv, Arbeiter Zeitung am 4. Dezember 1949, Seite 2 ↩︎
- Frauen in Bewegung ↩︎