Das erste Krematorium entstand in Mailand1 dann folgte 1878 Gotha. Dann folgte Zürich (1889), und weitere deutschen Städte wie Heidelberg, Hamburg, Jena und Offenbach. Italien, Frankreich und die USA sind vorangegeangen.2 Unter Bürgermeister Jakob Reumann erfolgte 1922 die Grundsteinlegung zum Krematorium auf dem Wiener Zentralfriedhof gegeüber dem Tor 2. Trotz Versuchen der christlich-sozialen Bundesregierung unterstützt von der katholischen Kirche die Inbetriebnahme zu verhindern, wurde sie am 17. Dezember 1922 eröffnet.
Die erste Einäscherung fand am 17. Jänner 1923 statt. Die Klage vor dem Verfassungsgerichtshof gegen Reumann wurde 1924 zugunsten des inzwischen ehemaligen Bürgermeister entschieden. In seiner Eröffnungsrede meinte Reumann:
Im Laufe des gestrigen Abends ist mir als Landeshauptmann eine Weisung des des Herrn Bundesminister Schmitz zugestellt worden, die ausspricht, dass die Feuerbestattung in Österreich verboten sei. (…) dass also in einer Zeit, in der die demokratisch-republikanische Verfassung in dem freiheitlichen Denken ihr bestes Rüstzeug findet, ein Minister die Weisung gibt, dass die Feuerbestattung unzulässig sei, weil sie nicht ausdrücklich erlaubt ist. (…) Die Bevölkerung ist mündig geworden und wird sich nicht durch willkürliche Anordnungen in ihrer Willensbildung einschränken lassen.3
Die katholische Kirche verweigert die kirchliche Einsegnung jener Verstorbener, die testamentorisch die Verbrennung ihres Leichnams verfügt haben. Kardinal Piffl im Hirtenbrief des Wieber Diözesanblatt 61. Jg. Nr1/2 am 31. Jänner 1923:
…die Leichenverbrennung ist von allem Anfange an ein Kind der Revolution und ausgesprochene Religions- und Kirchenfeinde sind nicht nur seine ersten Paten gewesen, sondern sind auch seine Schrittmacher und Vorkämpfer bis auf den heutigen Tag. Hinter all den sanitären, ästhetischen und volkswirtschaftlichen Gründen, die man für die Leichenverbrennung ins Treffen führt, verbirgt sich nur der Hass des modernen Heidentums gegen die christlichen Glaubenslehren und der eitle Wahn, den Glauben an die Auferstehung und ein ewiges Jenseits in den Herzen der Gläubigen durch die gewaltsame und restlose Zerstörung des Christenleibes erschüttern und vernichten zu können4.
Die Antwort in der Arbeiter-innen Zeitung auf den Kardinalsbeitrag im Hirtenbrief5.
Der “Arbeiter-Feuerbestattungsverein – Die Flamme”
Der Leichenbestattungsverein „Die Flamme” schaffte es, dass die Praxis der Verbrennung zu einer fest verankerten Einrichtung in Wien wurde. Die Mitgliedschaft der „Flamme” stieg von 28.000 (1924) auf 167.315 (1932)6.
Vorträge über die Feuerbestattung lösen immer wieder “politische Kulturkämpfe” aus. Der Bezirkshauptmann von Hartberg beruft sich 1924 auf eine Verordnung von 1853 (aus den dunkelsten Zeiten der Monarchie), um einen Lichtbildvortag zur Feuerbestattung zu verbieten. Er schreibt, dass die religiösen, kulturellen und Einstellungen der Bevölkerung gefährdet seien7. (Foto8)
Am ersten Todestag (1926) des Altbürgermeisters Jakob Reumann wurde bei dessen Urne ein Kranz mit der Widmung “Dem beharrlichen Verteitiger der Feierbestattung” niedergelegt10.
Dem Wiener Beispiel folgten bald andere Städte mit sozialdemokratischer Mehrheit: Steyr 1927, Linz 1929, Salzburg 1931, Graz 1932 und Villach 195312.
1934: Erstmals wird neben der Feuer- auch die Erdbestattung angeboten. „Die Flamme“ wurde aufgelöst und ihr gesamtes Vermögen und ihre Mitglieder dem neu gegründeten Sterbekostenverein „Vorsorge“ eingegliedert. Es bestand weiterhin kein Rechtsanspruch auf die Leistung und sie konnte nur nach Maßgabe der vorhandenen Mittel gewährt werden.
Nach den Februarkämpfen des Jahres 1934 wurde auch der Arbeiter-Feuerbestattungsverein “Die Flamme” aufgelöst und seine Mitglieder dem Verein “Vorsorge” zugewiesen. 1938 ging auch dieser im “Ostmärkischen Feuerbestattungsversicherungsverein” auf13.
1942: Am 1. Oktober gab sich das Unternehmen einen neuen Namen: die „WIENER VEREIN – Lebens- und Bestattungsversicherung auf Gegenseitigkeit“ trat erstmals auf. Nun in Form einer Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit und die Mitglieder hatten erstmals einen Rechtanspruch auf die versicherten Leistungen.
1991: Es kam schließlich zur Fusion mit der „WIENER STÄDTISCHE Allgemeinen Versicherung Aktiengesellschaft“ und zur Gründung der „WIENER VEREIN – Bestattungs- und Versicherungsservicegesellschaft m.b.H.“
Quellenverzeichnis
- ÖNB, digitales Archiv, Der Abend am 30. Mai 1923, Seite 3 ↩︎
- Der Morgen – Wiener Montagblatt am 12. Juni 1922, Seite 2, ÖNB digitales Archiv, ↩︎
- Das Rote Wien – Schlüsseltexte der zweiten Wiener Moderne 1919 – 1934, Rob McFarland, Georg Spitaler, Ingo Zechner (Hrsg.), De Gruyter Oldenburg, 2020, ISBN 978-3-11-064003-8, Seite 272 ff ↩︎
- siehe Das Rote Wien, Seite 274 ↩︎
- ÖNB – digitales Archiv, Arbeiterinnen-Zeitung 1923, Nr. 2, Seite 8 ↩︎
- Charles Gulick, Österreich von Habsburg zu Hitler, Danubia Verlag Band II, 1948, Seite 419 ↩︎
- ÖNB, digitales Archiv, Arbeiterzeitung am 7. September 1924, Seite 11 ↩︎
- ÖNB, digitales Archiv, Neues Wiener Journal am 17. Jänner 1925, Seite 16 ↩︎
- Die Einschaltung aus ÖNB, digitales Archiv, Der Gebirgsfreund, Juli 1924 ↩︎
- ÖNB, Wiener Allgemeine Zeitung, 26. Juli 1926, Seite 4 ↩︎
- Geschichte-Wiki-Wien, Feuerbestattung ↩︎
- Friedhöfe Wien – die Entstehungsgeschichte des Krematorium Wien ↩︎
- Die Flamme – das Rote Wien.at ↩︎