Mit Uschi und Willi, Mitglieder unseres Vereins, waren wir auf Spurensuche in Linz unterwegs. Im Mai 2022 wurden die ersten Erinnerungsstelen für jüdische Opfer des Nationalsozialismus in Linz aufgestellt. Nach der jahrelangen Verweigerung Stolpersteine in Linz zu montieren ein positives Signal an unsere jüdischen Mitbürger:innen.
Gedenken auf Augenhöhe
Mit den Erinnerungszeichen, die an verschiedenen Standorten in Linz für die jüdische Opfer des Nationalsozialismus errichtet wurden, ist ein ehrendes Gedenken ermöglicht und die Stadt Linz beschreitet nun einen ganz eigenständigen Weg. Die vom Künstler Andreas Strauss kreierten Messingstelen mit Klingeln verknüpfen auf sehr anschauliche Weise die wissenschaftlich basierte Aufklärung zu NS-Verbrechen mit der emotionalen Dimension des Erinnerns – und das mitten in Linz, dort, wo Unrecht geschehen ist.
Das Erinnerungszeichen am Alten Markt gedenkt Opfern an den Wohnadressen Altstadt 1, 3 und 22, wobei der Aufstellungsort etwa der historischen Adresse vom Haus Altstadt 3 entspricht, das im Eigentum der Familie Töpfer war – einem so genannten „Judenhaus“, wo Linzer jüdische Familien nach der Vertreibung aus ihren Wohnungen Unterschlupf fanden. Ernst Töpfer konnte nach seiner Inhaftierung in Dachau nach Palästina flüchten, seine Schwester Margarethe wurde 1942 in Izbica ermordet. Ihr Vater Joseph Töpfer flüchtete 1939 zu seiner Tochter nach Königgrätz, von wo er 90-jährig in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde, welches er nicht überlebte.
Übersicht über die erichteten Stelen
Jede Stele ist aus Messing gefertigt. Darauf sind Name und Geburtsjahr der Opfer des Nationalsozialismus sowie Angaben zur Deportation, Ermordung oder Flucht graviert. Der Aufstellungsort befindet sich freistehend in der Nähe von jenen Straßenzügen, wo diese Personen ihre letzte, frei gewählte Wohnadresse in Linz zum Zeitpunkt des Anschlusses im März 1938 hatten.
Direkt neben den Namen sind an der Stele mechanische Türklingeln angebracht, die, wenn man sie drückt, einen leisen Klingelton erzeugen. Der oberösterreichische Künstler Andreas Strauss stellt die Klingel als mehrdeutige Metapher des Erinnerns ins Zentrum seiner Gestaltung, die sowohl Assoziationen des Daheim- und Zuhause-Seins hervorruft als auch den Moment des gewaltsamen Abholens beschreibt. Der Akt des „Anläutens“ stellt einen emotionalen Kontakt zu den Vertriebenen und Ermordeten her und lässt die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart schwinden.
HERSTELLUNG IM AUSBILDUNGSZENTRUM DER VOESTALPINE
Andreas Strauss entwickelte und fertigte gemeinsam mit Lehrlingen des Ausbildungszentrums der voestalpine die Klingeln der Linzer Erinnerungsstelen. Dank dieser Zusammenarbeit erhielt die Vermittlung des Projekthintergrundes für Jugendliche eine bedeutende Rolle. Dabei war auch das Zeitgeschichte MUSEUM der voestalpine eingebunden, das den NS-Zwangsarbeiter*innen am Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin gewidmet ist. Die voestalpine stellte darüber hinaus Stahlbrammen als Fundamente für die Stelen im bebauten Innenstadtbereich zur Verfügung.
Ermordung der Familie Günsberger in Opole
Am 15. und am 26. Februar 1941 verließen zwei Deportationstransporte mit 2.003 jüdischen Männern, Frauen und Kindern den Wiener Aspangbahnhof mit dem Ziel Opole, einer Kleinstadt südlich von Lublin. Opole hatte eine traditionsreiche jüdische Gemeinde, zu Kriegsbeginn lebten hier ca. 4.000 Juden, was einem jüdischen Bevölkerungsanteil von knapp 70 Prozent entsprach, ein Anteil, der sich nach Kriegsbeginn durch Zwangsumsiedler aus anderen Teilen Polens weiter erhöhte.
Bis März 1941 wurden ca. 8.000 Juden in das nunmehr in Opole errichtete Ghetto deportiert. Die Unterbringung der Neuankömmlinge erfolgte teilweise bei ortsansässigen Juden, teilweise in Massenquartieren wie einer Synagoge und in neu errichteten Baracken.
Im Ghetto war die Bewegungsfreiheit der Insassen nicht eingeschränkt, es fehlten Absperrungen, jedoch war das Verlassen Opoles ohne behördliche Genehmigung bei empfindlicher Strafe verboten. Die Kontrolle des Ghettos übernahmen der Sicherheitsdienst der SS (SD), Gendarmerie und, nach Zeugenaussagen zu schließen, auch deutsche Wehrmachtsangehörige. Bei der Bestreitung des Lebensunterhaltes waren die Ghettobewohner im Wesentlichen auf sich selbst angewiesen. Ab Mai 1941 wurden ca. 800 arbeitsfähige Männer zur Zwangsarbeit in Deblin eingesetzt.
Bereits im Frühjahr 1942 begann die Liquidation des Ghettos von Opole. Am 31. März 1942 ging ein Transport in das Vernichtungslager Belzec ab, und im Mai und Oktober 1942 folgten Deportationen in das Vernichtungslager Sobibor.1