Von Christian bekamen wir den Tipp uns das Industriemuseum in Ermoupoli anzusehen. Vor dem Besuch machten wir eine Pause am Kreisverkehr (Plateia Iroon), wo wir bei Kaffee und Snack das bunte Treiben beobachteten.
In der Geor. Papandreou 11 besuchten wir nachmittags das Museum. Ein älterer, freundlicher Herr begrüßte uns und gab uns eine Übersicht zum Museum.
Der Einreittspreis beträgt € 2.-, aber dem scharfsinnigen Blick des Kassiers ist unser Alter nicht entgangen. Wir brauchten nur den Pensionistenpreis € 1,50 zahlen.
Das 1888 erbaute Gebäude beherbergte zunächst eine Bleischrotfabrik, bevor es 1909 zu einer Färberei umgenutzt wurde. Das am 12. Mai 2000 eröffnete Museum bewahrt, restauriert und präsentiert einen bedeutenden Teil der Industriegeschichte von Syros.1
Rechts eine Albion Druckerpresse hergestellt von Madrid & Sons in England
Viel Raum wird der einst bedeutenden Druckindustrie der Insel gewidmet – schon 1831 erschien hier die erste Tageszeitung Griechenlands (zweisprachig, Griechisch und Französisch).6
1879 zählte man hier 23 größere Fabriken, von denen 16 mit Dampfmaschinen betrieben wurden. Der damalige Kykladen-Reisende hat sich sicher irritiert die Augen gerieben, als er in den Hafen einfuhr, über dem der Qualm aus den Fabrik-Schornsteinen aufstieg.
In der Regel mußte der Fremde ja zunächst in die Quarantäne-Anstalt am südlichsten Ende der Bucht, bevor er sich auf der Insel frei bewegen konnte. In der Ferne kletterte die neue, schon dicht besiedelte Stadt mit ihren klassizistischen, strahlend weißen Bauten in Treppengassen die Hügel hinauf … und im Vordergrund Lärm, Gestank und Rauch, der aus Dutzenden industrieller Zweckbauten strömte.2
Es gab Textilfabriken, eine Gerberei und eine Manufaktur für Kristallglas, Hersteller von Limonaden, Gemüsekonserven, Bonbons und vor allem von Loukoumia und Chalvadopitta. Für diese beiden süßen Leckereien hat Syros auch heute noch in ganz Hellas einen guten Namen.3
In Dillingers Reisezeitung vom 10. April 1893 heisst es:
“Verhältnismässig froß ist der Entrepotverkehr, klein der Ausfuhrhandel. Die Einfuhr wird hauptsächlich dadurch gefördert, das Hermupolis einer der ersten Industrieplätze Griechenlands ist. Es werden hier Gerberei, Seilerei und Schiffbau betrieben.”
In der Textilindustrie arbeiteten viele Frauen. Es gab hier die Weberei Velissaropoulos. Die Textilindustrie sorgte am Ende des 19 Jhdts. („Foustanos-Karellas-Velissaropoulos & Co“) mehrere Jahrzehnte für Arbeitsplätze auf der Insel.4
Wirtschaftlich viel bedeutender waren freilich die Handelsschifffahrt und vor allem die lange Zeit größte Werft des ganzen Landes. 1840 besaßen syriotische Reeder 468 hochseetaugliche Schiffe – siebenmal mehr als Reeder aus Athen und Piräus.
Bis 1860 war Syros der wichtigste Handelshafen Griechenlands. Zusammen mit Handel und Schiffbau wurden auch Bau- und öffentliche Arbeiten entwickelt. Die griechische Dampfschifffahrtsgesellschaft wurde 1856 gegründet.
Und die 1861 gegründete Neorion-Werft bedeutete Griechenlands ersten Schritt ins Industriezeitalter. Hier wurden Griechenlands erste Dampfschiffe erbaut. Zweimal wurde sie erweitert (1885 und 1970/73). In den besten Zeiten fanden hier bis zu 1.500 Menschen Arbeit. Heute sind es je nach Auftragslage noch 100 bis 250.3
Von großer Bedeutung ist das Rad des Dampfschiffes “Patria”, das sich im Hinterhof des Museum befindet. Sie wurde 1860 in England gebaut und erlitt in der Nähe der Insel Kea Schiffbruch. Einige Gegenstände des Schiffes kann man im Museum besichtigen.5
Auf der Insel Syros gabes auch Kristallglasherstellung.
Quellenverzeichnis
- 1 Industriemuseum Hermoupolis
- 2 Hermoupolis: Das Industriemuseum
- 3 Syros – eine ziemlich andere Insel
- 4 Syros – Wikipedia
- 5 Museumsbroschüre
- 6 Inseln für den kommenden Winter
- 7 Digitales Archiv der Österr. Nationalbibliothek, Dillingers Reisezeitung, 10. April 1893, Seite 5